Slavia Prag droht das Aus: Schuldenberg, Führungschaos, Fan-Krawalle

Protestaktion der Slavia-Fans (Foto: ČTK)

Der tschechische Vereinsfußball hat zwei große Traditionsclubs: Sparta Prag und Slavia Prag. Beide Hauptstadtclubs wurden schon zu Ende des 19. Jahrhunderts gegründet und sind damit die beiden ältesten Fußballvereine des Landes. Jetzt aber droht das Duo gesprengt zu werden, weil Slavia in ärgsten finanziellen Nöten steckt. Wegen der Schulden hat die Lizenzkommission des nationalen Fußballverbandes ČMFS am Donnerstag entschieden, dem SK Slavia Prag für die nächste Saison die Profi-Lizenz zu verwehren. Parallel dazu haben die Slavia-Fans, tief enttäuscht über das Führungschaos in ihrem Club, mit Ausschreitungen beim Pokalspiel gegen Olmütz für einen Spielabbruch gesorgt.

Unzufriedene Slavia-Fans  (Foto: ČTK)
Seit Wochen kreist der Pleitegeier über der Synot-Tip-Arena, dem Domizil von Slavia Prag. Umgerechnet 4,2 Millionen Euro an Verbindlichkeiten hat der Club gegenüber seinem früheren Mehrheitseigner, der britischen Firma Enic. Zudem haben die Spieler seit Monaten kein Geld gesehen und die Verantwortlichen im Club kommen nicht aus der Deckung. Nachdem die Briten auf einer früheren Mitgliederversammlung als Hauptaktionär ausgebootet wurden, ist nämlich unklar, wer bei Slavia eigentlich das Sagen hat. Statt aber auf die bohrenden Fragen der Slavia-Getreuen zu reagieren, blieb es beim Schweigen im Walde. Das brachte die Fans auf die Barrikaden. Sie stellten ein Ultimatum und kündigten für das Pokal-Heimspiel am Donnerstag eine Protestaktion an. Jiří Vrba, Sprecher einer der Faninitiativen:

Protestaktion der Slavia-Fans  (Foto: ČTK)
„Angesichts der Art und Weise, wie sich die derzeitige Leitung und die Eigner von Slavia verhalten, halte ich es für legitim, dass wir als Fans auf diese Weise unser Unverständnis darüber äußern, wie es derzeit im Club zugeht. Ich begrüße die Aktion voll und ganz.“

Die Aktion ging jedoch nach hinten los. Vor der Begegnung hatten sich die Fans mit Transparenten im Mittelkreis des Stadions postiert und in Sprechchören gefordert, dass sie endlich die Wahrheit hören wollen. Die erste gute Botschaft überbrachten die Spieler, die mitteilten, inzwischen rund 30 Prozent ihres noch ausstehenden Gehalts erhalten zu haben. Absender des warmen Geldregens ist die tschechische Investmentgesellschaft Natland Group, die womöglich zum Retter werden könnte.

Miroslav Platil  (Foto: ČTK)
In der Halbzeitpause der Begegnung, die bis dahin 1:1 stand, kippte jedoch die Stimmung. Als Vereinsdirektor Miroslav Platil vor die Fans trat, um sie zu beschwichtigen und ihnen die aktuelle Situation zu erklären, rasteten mehrere von ihnen aus. Der Direktor wurde beschimpft, Gegenstände flogen auf das Feld und die Fans stürmten in den Innenraum. Die Polizei hatte alle Hände voll zu tun, um die Lage in den Griff zu kriegen. Konsequenz der Krawalle: Das Spiel wurde abgebrochen und es droht, dass die Partie am grünen Tisch nun mit 3:0 für Olmütz gewertet wird. Die Chance auf den Einzug in das Pokalfinale ist für Slavia daher wohl vertan.

Erste Halbzeit des Spiels  (Foto: ČTK)
Vorerst dahin ist auch die Hoffnung, dass Slavia auch in der Saison 2011/12 noch in der ersten Liga spielt. Dem Club wurde die Lizenz nicht erteilt, weil er gegen gleich mehrere Auflagen verstoßen hat. Slavia habe weder schriftliche Angaben zur Eigentumsstruktur noch zur Schuldensituation oder zur Finanzierung der nächsten Saison gemacht, begründete der Vorsitzende der Lizenzkommission, Bohuslav Pavlík. Noch aber sind die Prager nicht aus dem Spiel. Binnen einer Woche kann Slavia gegen den Entscheid Berufung einlegen, muss aber gleichzeitig alle geforderten Unterlagen nachreichen. Doch auch dazu ist nicht mehr viel Zeit, sagt der ehemalige Kapitän des Vereins, Ex-Nationalspieler Vladimír Šmicer:

Protestaktion der Slavia-Fans  (Foto: ČTK)
„Die letzte Deadline ist der 31. Mai, danach hilft gar nichts mehr. Leider läuft uns jetzt die Zeit davon und die Aussicht darauf, dass uns ein sehr starker Partner noch aus der Patsche hilft, wird immer geringer. Insbesondere deshalb, weil es Zeit braucht, um neue Strukturen zu schaffen und ein Konzept zur Entschuldung auszuarbeiten. Wer da einsteigen will, muss auch darüber nachdenken können.“

Rettungsanker für Slavia könnte vielleicht die bereits erwähnte Firma Natland werden, die dem hoch verschuldeten Club schon bei den Spielergehältern zur Seite gesprungen ist. Natland hofft wohl, selbst Mehrheitseigner des Traditionsvereins zu werden. Und dass es sich bei Slavia Prag nicht um irgendeinen Verein handelt, bekräftigt auch einer seiner größten Fans, der international anerkannte Filmregisseur Miloš Forman:

Miloš Forman
„Slavia, das ist doch ein untrennbarer Bestandteil der tschechischen Kultur. Wenn der Verein verschwindet, das wäre doch so, als wenn man von der Karlsbrücke alle Statuen rauben würde. Slavia muss überleben und ich glaube fest daran, dass der Club schon bald wieder in eine Spitzenposition zurückkehrt.“

Autor: Lothar Martin
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