Prager Clubs spielten wegen Fan-Ausschreitungen vor leeren Tribünen

Foto: ČTK/Šulová Kateřina

Der tschechische Fußball hat derzeit mit einigen Problemen zu kämpfen. Sportlich ist zu befürchten, dass mehrere Clubs einen europäischen Wettbewerb verpassen. Zudem tanzt die hiesige Fanszene den Verantwortlichen seit Jahren auf der Nase herum. Die bittere Konsequenz: Die Traditionsvereine Sparta und Slavia Prag mussten ihre jüngsten Heimspiele vor leeren Rängen austragen.

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Václav Jílek  (Foto: ČTK/Kateřina Šulová)
Die Begegnung, bei der das weite Stadionrund gähnend leer blieb, war das Hinspiel zur dritten Runde in der Qualifikation zur Europa League zwischen Sparta Prag und der türkischen Mannschaft von Trabzonspor. Es wurde am vergangenen Donnerstag in der tschechischen Hauptstadt ausgetragen. Das Zuschauerverbot hatten sich die Prager schon ein Jahr zuvor eingebrockt: Beim Qualifikationsspiel zur Europa League gegen den serbischen Verein Spartak Subotica kam es zu rassistischen Äußerungen der Sparta-Fans – besser gesagt einiger ihrer unverbesserlichen Dummköpfe. Die Uefa sanktionierte dies konsequent, auch deshalb, weil der tschechische Traditionsclub diesbezüglich schon mehrfach auffällig gewesen ist.

Beim Duell mit Trabzonspor waren zwar einige Zuschauer zu hören, aber nur sehr wenige. Wie viele sich die Partie live ansehen durften, darüber informierte Spartas Pressechef Ondřej Kasík einen Tag vor dem Spiel:

„Im Stadion werden sein 20 VIP-Gäste unseres Clubs, 20 VIP-Gäste unseres Gegners, 200 Fans aus der Türkei mit sogenannten Tickets der ersten Kategorie, der Stadiondienst, Einsatzkräfte wie beispielsweise der Rettungsdienst und Journalisten.“

Václav Jílek: „Es ist traurig, ein sehr wichtiges Spiel ohne seine Fans austragen zu müssen. Erst recht, wenn ich dem entgegensetze, wie toll sie uns in den ersten drei Heimspielen der neuen Saison unterstützt haben, obwohl wir nicht vollends überzeugt haben. Mir tut es leid für diese Fans.“

Summa summarum waren bei dieser interessanten Partie nur rund 300 Besucher zugegen. Eine Tatsache, die Sparta-Trainer Václav Jílek sehr bedauerte:

„Es ist traurig, ein sehr wichtiges Spiel ohne seine Fans austragen zu müssen. Erst recht, wenn ich dem entgegensetze, wie toll sie uns in den ersten drei Heimspielen der neuen Saison unterstützt haben, obwohl wir nicht vollends überzeugt haben. Mir tut es leid für diese Fans.“

Im Trikot der türkischen Mannschaft stand mit Filip Novák auch ein Tscheche. Dem Linksverteidiger war schon vor der Begegnung klar, wer bei einem solchen Geisterspiel im Vorteil ist:

„Vor leeren Rängen spielen zu müssen, ist für niemanden gut. Besonders aber nicht für den Gastgeber wie in diesem Fall für Sparta. Für uns ist das sicher ein Vorteil, wenn wir jetzt hinter verschlossenen Türen spielen. Wir wollen ein gutes Ergebnis erzielen, und wenn die Sparta-Spieler dann zu uns nach Trabzon kommen, können sie sich auf etwas gefasst machen.“

Filip Novák  (Foto: ČTK/Kateřina Šulová)
Das gute Ergebnis haben die Gäste erzielt, auch wenn Sparta bis in die Schlussviertelstunde hinein die bessere Mannschaft war und verdient mit 2:0 führte. Die Türken nutzten jedoch zwei Fehler der nachlassenden Prager und bejubelten am Ende ein 2:2-Remis. Mit der Unterstützung durch die eigenen Fans wären diese Gegentore womöglich nicht gefallen. Nun aber muss Sparta die Strafe gleich doppelt ausbaden, denn im Rückspiel am Donnerstag erwartet die Tschechen in Trabzon ein volles Haus mit sehr heißblütigen Türken.

Nur zwei Tage nach dem geräuscharmen Match in der Qualifikation zur Europa League erlebte die Hauptstadt ein zweites Geisterspiel. Der Ort des Geschehens war diesmal die Sinobo Arena, die Heimstätte des Lokalrivalen Slavia Prag. Die Rot-Weißen wurden jedoch für ein anderes Vergehen so hart bestraft: Im ersten Saisonheimspiel der tschechischen Liga gegen Olomouc / Olmütz hatten Chaoten aus dem Slavia-Anhang Feuerwerkskörper gezündet und dabei auch Stabraketen gezielt in den Gästeblock abgeschossen. Die Fans der Gäste verließen in Panik ihre Plätze. Der Vorsitzende der Disziplinarkommission des Ligaverbands, Richard Baček, sagte:

„Wir können alle vom Glück reden, dass niemandem etwas passiert ist. Und dies, obwohl der technische Delegierte mitteilte, dass insgesamt fünfzig Menschen bedroht waren.“

Zur Erinnerung: Bereits im März dieses Jahres kam es zu ähnlichen Ausschreitungen bei der Ligapartie zwischen Sparta Prag und Viktoria Pilsen. Bei diesem Spiel hatten die Gästefans Raketen auf die Haupttribüne des Sparta-Stadions abgefeuert. Eine Frau wurde verletzt und musste ambulant behandelt werden.

Foto: Archiv der Polizei ČR
Die Anhänger von Slavia Prag haben sich schon mehrfach danebenbenommen, so dass sie ohnehin unter Beobachtung standen. In der Endphase der vergangenen Saison wurde deswegen beim späteren Meister im Spiel gegen Jablonec n. N. / Gablonz der Block mit den eigenen Fans gesperrt. Die zweite Begegnung, in der die gleiche Strafe wirksam werden sollte, wurde auf den Beginn der neuen Saison verschoben. Doch im Match gegen Olmütz schlugen, wie geschildert, wieder einige Slavia-Fans über die Stränge. Es seien exakt elf gewesen, ermittelte die Polizei anhand ihrer Videoaufnahmen. Doch die Strafe durch den Ligaverband erfolgte prompt: Ein Spiel ohne Zuschauer, die Androhung zweier weiterer Begegnungen, ausgesetzt zur Bewährung bis Ende Dezember, und 250.000 Kronen (ca. 10.000 Euro) Geldstrafe. Beim Vorstandschef von Slavia Prag, Jaroslav Trvdík, aber stieß das Geisterspiel auf Unverständnis:

„Die anderen Zuschauer hatten damit nichts zu tun. Und sie haben die Ausschreitungen der kleinen Gruppe auch nicht unterstützt, was sie durch ihre Reaktion im Stadion gezeigt haben.“

Auch wenn Tvrdík als Verantwortlicher eines tschechischen Erstligaclubs erneut davon sprach, dass man für die Tat Einzelner nicht alle bestrafen dürfte, so mehrt sich die Zahl jener, die ein härteres Durchgreifen fordern. Zu ihnen gehört der Direktor der Kontrollabteilung der Sicherheitsagentur Centr Group, Karel Baron:

Karel Baron: „Bis zum jetzigen Zeitpunkt haben wir häufig beobachtet, dass die angedrohten Strafen abgeschwächt wurden. Man ist den Clubs immer wieder entgegenkommen. Diese haben nie eine wirklich empfindliche Strafe spüren müssen, die sie dazu gebracht hätte, die Sicherheitsdefizite in ihren Stadien zu beheben.“

„Meiner Meinung nach ist dies eine gerechte Strafe, und wenn meine Informationen stimmen, dann liegt die Höhe der Geldbuße bei 50 Prozent des obersten Strafmaßes in solch einem Fall. Wir alle sollten jetzt vielmehr darangehen, den Druck zu erhöhen und die Vereine davon zu überzeugen, ihr Sicherheitskonzept zu überdenken.“

Im Tschechischen Fernsehen sprach Baron zudem deutlich aus, weshalb man endlich so konsequent reagieren müsse:

„Bis zum jetzigen Zeitpunkt haben wir häufig beobachtet, dass die angedrohten Strafen abgeschwächt wurden. Mit anderen Worten, man ist den Clubs immer wieder entgegenkommen. Diese haben nie eine wirklich empfindliche Strafe spüren müssen, die sie dazu gebracht hätte, die Sicherheitsdefizite in ihren Stadien zu beheben.“

Für Karel Baron lassen sich Sicherheitslücken am besten schließen, wenn man das Thema offen anspricht und es dabei keine Tabuzonen gibt. Und er nennt auch die grundlegendste Aufgabe, die er sieht:

„Ich setze einfach voraus, dass jeder Verein mit den Verantwortlichen seiner Fanclubs in ständigem Austausch ist. Beide Seiten sollten miteinander kommunizieren, bestimmte Situationen durchsprechen und ebenso die Möglichkeiten offenlegen, die sie haben. Hier geht es um eine wirkliche Zusammenarbeit.“

Foto: ČTK/Pryček Vladimir
Wenn dies der Fall ist, dann sollte eigentlich allen klar werden, dass Pyrotechnik in kein Fußballstadion gehöre, betont Baron:

„Ich selbst habe bei einigen der letzten Spiele mitbekommen, wie Pyrotechnik abgeschossen wurde und dabei die Meinung vertreten wurde, dass dies kein Verbrechen sei. Ich finde aber, dass man dies nicht so sagen kann, denn der Gebrauch von Feuerwerkskörpern ist eine gefährliche Sache. Und sollten die Repräsentanten einiger Clubs das herunterspielen und nicht so sehen, dann ist solch eine Erklärung völlig fehl am Platze. Wir müssen uns vielmehr ohne Scheuklappen vergegenwärtigen, welche Gefahren damit verknüpft sind. Ich selbst kann mir nicht vorstellen, dass ich mich in irgendeinem Fansektor aufhalte und jemand auf mich Stabraketen abschießt. Das ist für mich absolut indiskutabel.“

Baron: „Wenn wir es wollen, dass Feuerwerkskörper im Stadion gezündet werden dürfen, dann müssen wir auch dafür sorgen, dass notwendige technische Sicherheitseinrichtungen dazu entstehen. Doch ich denke, soweit will keiner gehen.“

Baron benennt in dem TV-Gespräch auch die Alternative, die notwendig wäre, sollte man sich dennoch für den Feuerteufel im Stadion entscheiden:

„Wenn wir es wollen, dass Feuerwerkskörper im Stadion gezündet werden dürfen, dann müssen wir auch dafür sorgen, dass notwendige technische Sicherheitseinrichtungen dazu entstehen. Doch ich denke, soweit will keiner gehen. Von daher sage ich: Pyrotechnik hat in den Stadien nichts zu suchen. Sie ist gefährlich und kann jeden treffen, einschließlich den Spielern.“

Bis Ende August will die Polizei dem Ligaverband nun eine Datenbank zur Verfügung stellen mit den Namen jener Fußballanhänger, die wegen ihres Verhaltens als Problemfans gelten. Dazu erklärte Karel Bačkovský von der Abteilung für Sicherheitspolitik beim Innenministerium:

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„Das ist gewiss eine der Maßnahmen, die wir potenziell als sehr wirksam erachten im Kampf gegen das Rowdytum im Fußball.“

Wie man diese Datenbank indes handhaben wird, wer sie einsehen darf, dazu hat sich die Leitung des Ligaverbandes noch nicht geäußert. Der Sicherheitsexperte Karel Baron bevorzugt jedoch eine andere Lösung:

„Eine Datenbank über jene Fans, die in Stadien für Unannehmlichkeiten sorgen, ist ein sehr guter Schritt. Nichtsdestotrotz befürworte ich eher ein Sicherheitsmodell, wie es auch im Ausland besteht. Wir sollten auch sogenannte Clubcards einführen, bei denen jeder Fan namentlich bekannt ist. Unter den Anhängern sind schließlich auch viele Familienangehörige, die ihre Karte von Generation zu Generation weitergeben, weil sie mit dem Verein eng verbunden sind. Weil dadurch kein Besucher anonym bleibt, hat man im Ausland im Grunde genommen die Gewalt aus den Stadien verbannt. Bei uns aber ist dem nicht so.“

Autor: Lothar Martin
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