Slow-Food-Messe Stuttgart: Regionalküchen schauen sich in die Töpfe – Tschechien ist dabei
Auf dem Messegelände am Stuttgarter Flughafen hat die 4. Slow Food Messe ihre Tore geöffnet. Zum zweiten Mal ist auch Tschechien dort vertreten. Nach der erfolgreichen Premiere im Vorjahr diesmal sogar mit dem Status eines Partnerlandes. Unter dem Slow-Food-Logo, einer kleinen Schnecke, stellen sich in Stuttgart 13 tschechische Lebensmittelhersteller mit ihren Produkten vor.
Gestatten Sie vorerst ein kleines Entré in das Thema „Slow Food“ als solches. Diesen Namen trägt eine Non-Profit-Organisation, mit der sich weltweit bewusste Genießer und Konsumenten identifizieren. Die Slow-Food-Bekenner haben sich zur Aufgabe gemacht, die Kultur des Essens und Trinkens zu pflegen und lebendig zu machen. Im Prinzip ist von einer Rückbesinnung auf gute Ernährungstraditionen die Rede, die mit Spezialitäten der Regionen verbunden sind. In Tschechien wurde die Slow-Food-Vereinigung vor zehn Jahren gegründet. Wie es dazu kam, sagte uns Blanka Turturro, Vizepräsidentin der Vereinigung „Slow Food Tschechien“:
„Unsere Vereinigung wurde in Prag gegründet. Man hat damals einerseits verschiedene Produzenten, Händler, aber auch konkrete Personen, die als ernährungsbewusst bekannt waren, angesprochen. Das Slow-Food-Prinzip war zwar in Prag mehr oder weniger bekannt, aber eigentlich nur Einzelpersonen, die als bekannte Gourmets einen guten Ernährungsstil in guten Restaurants suchten und propagierten. Nach und nach war es klar, dass gute Speisen von der Qualität der Zutaten abhängen. Und so fing man an, engagierte Erzeuger, Restaurants und weitere Partner in die Slow-Food Bewegung einzubeziehen“.Das hat natürlich einige Zeit gedauert. Die Initiatoren haben dabei viel Aufklärungsarbeit geleistet. Auch bei wissenshungrigen Genießern, sagt Blanka Turturro:
„Man musste zunächst überhaupt das Prinzip des Slow-Foods erklären und publik machen. Sie wurde in Italien gegründet, einem Land also, das großen Wert auf landeseigene Speisen legt. Das war für uns der Ausgangspunkt. Wir sprachen Menschen an und machten Werbung für eine Reise nach Italien, die von ‚Slow Food International’ mit Sitz in Italien organisiert wurde. Es war ein Treffen aller nationalen Slow-Food-Organisationen, das unter dem Titel ‚Terra madre’, zu Deutsch ‚Die Mutter Erde’, unter Beteiligung von Kleinproduzenten aus der ganzen Welt stattfand. Das war also für uns die wichtige Initialzündung“.
„Slow Food Tschechien“ verfolgt seit seiner Gründung die Hauptziele der internationalen Slow-Food-Bewegung vor allem durch die Förderung landeseigener Lebensmittelprodukte. Die Vereinigung organisiert beispielsweise Vorträge, bei denen sich wissenshungrige Interessenten mit der Geschichte der tschechischen und internationalen Gastronomie vertraut machen. Sie gibt aber auch Fachseminare für Erzeuger und Vermittler und beteiligt sich an in- und ausländischen Ausstellungen, Messen oder Verkostungen. Auf der Slow-Food-Messe in Stuttgart ist Tschechien zum zweiten Mal vertreten. Josef Vacl von Slow Food Prag vergleicht:„Im Unterschied zum Vorjahr wurde die tschechische Teilnahme zum ersten Mal von unserem Landwirtschaftsministerium unterstützt, sogar auch finanziell. Darüber hinaus haben wir einen neuen Partner in der Agentur ‚CzechTourism’ gefunden. Dadurch ist eine Art Symbiose der regionalen Gastronomie und des Trends zustande gekommen. Tschechien soll man nicht nur als ein Ganzes, sondern auch als ein Land mit unterschiedlichen regionalen Akzenten in der Gastronomie vorstellen.“
„Markt des guten Geschmacks“ - auch so wird die Stuttgarter Slow-Food-Messe genannt, auf der sich qualitätsbewusste Erzeuger, Händler, und Verbraucher treffen. Je nachdem, zu welcher der Interessengruppen man sich zählt, kann man sich auf dem Messegelände neben unzähligen kulinarischen Genüssen auch jede Menge wertvoller Inspirationen sowie Informationen über Anbau, Vertrieb und Zubereitung erstklassiger Lebensmittel holen. Das Angebot ist riesig. Um das Interesse von womöglich vielen Besuchern werden insgesamt 13 kleinere und mittelgroße traditionelle Hersteller aus Tschechien werben. Unter den rund 500 teilnehmenden Firmen handelt es sich dabei um eine vergleichsweise bescheidene Präsentation, trotzdem hat Tschechien diesmal den Status „Partnerland“ von dem Messeveranstalter erhalten. Josef Vacl:„Das ist meiner Meinung nach ein wertvolles Signal für uns. Es zeugt davon, dass die Beteiligung tschechischer Firmen an der vorjährigen Slow-Food-Messe von den deutschen Partnern positiv bewertet wurde. In diesem Jahr haben sie uns günstigere Bedingungen angeboten. Vor allem aber haben sie begriffen, dass tschechische Produzenten beispielgebend für andere mittel- und osteuropäische Länder sein könnten. Der Ausdruck der Partnerschaft sind also bessere Bedingungen für unsere Teilnahme und eine bessere mediale Unterstützung. Das lässt vielleicht darauf schließen, dass Tschechien auf diesem Gebiet einen Schritt weiter ist als einige andere Länder. Warum sollten wir das also nicht vermarkten?“Um die kulinarische Vielfalt tschechischer Regionen vorzustellen, müsste die tschechische Beteiligung natürlich viel größer sein. Das bleibt allenfalls als langfristiges Ziel bestehen, beteuert Josef Vacl:
„Für die Zukunft geht es uns nicht nur darum, ständig neue Einsteiger in der Slow-Food-Produktion zu haben. Wichtig ist, dass die Firmen, die sich schon einmal auf der Stuttgarter Messe präsentiert haben, ihre Teilnahme auch wiederholen. Es ist nicht nur wichtig sich dort Inspirationen zu holen, sondern auch selbst gesehen zu werden. Es ist auch ein bedeutender Marketingsfaktor, auf dieser Fachmesse eigene Produkte im Wettbewerb der deutschen, italienischen oder französischen auf den Prüfstein zu stellen.“Angesichts der internationalen Präsenz in Stuttgart muss man sich unbedingt eine Frage stellen: Wie können tschechische Produkte mit den traditionellen, weltweit bekannten Küchen Italiens, Frankreichs oder Deutschlands konkurrieren? Eine Frage an Blanka Tururo:
„Ich glaube, jedes Produkt ist konkurrenzfähig, wenn es in einer echten Tradition verwurzelt ist. Jedes Land und eigentlich jede Region hat typische Spezialitäten, auf die man stolz sein kann. Diese sollte man in ihrer herkömmlichen Form den interessierten Konsumenten anbieten. Darin ist meiner Meinung nach die Hauptsäule der Slow-Food-Bewegung zu sehen.“
Frau Turturo überlegt nur ein Bruchteil der Sekunde, wenn man sie fragt, was denn ihrer Meinung nach als ein landes- beziehungsweise regionaltypisches Produkt aus Tschechien einzustufen sei:„Das typisch tschechische Produkt ist das Bier. Darüber muss man nicht lange diskutieren. Das Bier, das landesweit in kleinen Brauereien produziert wird, ist ein verlockender Artikel. Ein anderes Beispiel: der tschechische Mohn. Der erweckt überall sehr viel Neugier in der Nahrungsmittelindustrie. Oder das Wildbret. Das könnte wesentlich mehr in tschechischen Restaurants angeboten werden, als es bisher der Fall ist. Kurzum, es gibt viele Produkte, die man viel besser auch in Zusammenarbeit mit der Tourismusbranche anbieten sollte; in ihrer traditionellen Form versteht sich. Das heißt ohne Modifizierungen oder Nachahmungen, um nur mithilfe des Originalnamens einen Eindruck zu erwecken.“
Das ist eines der Grundprinzipien der Slow-Food-Bewegung. Josef Vacl ergänzt:„Die Slow-Food-Bewegung ist nicht agressiv. Sie grenzt sich nicht gegen Fast-Food ab. Stattdessen bietet sie eine Alternative. Und das ist ein sympathisches Merkmal. Es können verschiedene Firmen nebeneinander existieren und nur der Kunde entscheidet, was er von ihrem Angebot haben will“.