Slowakisch ist für junge Tschechen eine Fremdsprache

Slowakisch-Kurs im Internet

Fernsehnachrichten auf Slowakisch, jeden Montag ein slowakischer TV-Film, Kinderprogramme aus Bratislava, Auftritte slowakischer Schauspieler und tägliche Äußerungen slowakischer Politiker in ihrer Landessprache: So sah die Realität in der Zeit des gemeinsamen Staates der Tschechen und der Slowaken aus. Damals dachte man gar nicht daran, welche Sprache man eigentlich gerade hört – so selbstverständlich war der Wechsel von der einen in die andere. 20 Jahre nach der Teilung der Tschechoslowakei ist die Lage völlig anders, und zwar vor allem im tschechischen Teil des ehemaligen gemeinsamen Staates.

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Die jungen Tschechen verstehen heute immer weniger die slowakische Sprache. Das behauptet zumindest Marek Blahuš vom Sprachzentrum der Masaryk-Universität in Brünn:

„Auf der tschechischen Seite wird die Lage immer schlechter, während die Slowaken immer noch Tschechisch verstehen. In der Slowakei kann man noch tschechische Filme sehen und tschechische Bücher kaufen. Umgekehrt gilt das nicht mehr. Ich sehe, dass die Leute vor allem im Westen des Landes, in Prag und anderen Städten Böhmens, nicht mehr im Kontakt mit der slowakischen Sprache stehen. Die Kinder verstehen es nicht mehr, für sie ist Slowakisch eine Fremdsprache wie zum Beispiel Deutsch oder Polnisch.“

Marek Blahuš  (Foto: Archiv von Marek Blahuš,  Wikimedia Creative Commons 3.0)
Wenn slowakische Schauspieler in tschechischen Filmen spielen, sprechen sie Tschechisch, und slowakische Filme werden synchronisiert. Hinzu komme, laut Marek Blahuš, dass Englisch eine immer größere Rolle in der gegenseitigen Kommunikation spiele:

„Mein Kollege aus der Slowakei und ich unterhalten uns so, dass ich tschechisch spreche und er slowakisch. Das wäre auch völlig normal, auf diese Weise zu kommunizieren. Aber wir waren überrascht, als wir in Prag von einer Mutter eines Studenten hörten, dass ihr Sohn sich mit slowakischen Studenten auf Englisch unterhalte, weil es für ihn leichter sei. Dasselbe habe ich auch von einer jungen Studentin in Brünn gehört. Die Schüler lernen ab der zweiten Klasse Englisch und hätten bessere Englisch-Kenntnisse als passive Slowakisch-Kenntnisse. Sie nutzen schon Englisch, wenn sie etwa in die Tatra gehen und dort junge Slowaken treffen.“

Slowakisch-Kurs im Internet
Aus diesem Grund wird seit dem Sommer vergangenen Jahres ein Slowakisch-Kurs im Internet angeboten, der auch eine Sprachversion für Tschechen hat. Daran hat sich eben auch die Masaryk-Universität beteiligt. Der Kurs ist auf der Webseite Slovake.eu kostenlos abrufbar, und zwar in mehreren Sprachversionen. Die Seite wird vom slowakischen Verein Edukace@Internet betrieben. Der Leiter Peter Baláž beschreibt den Kurs:

„Wir bieten eine Einführung, in der man verschiedene Informationen über die Sprache und über die Slowakei findet. Es gibt einen Mini-Kurs, der zum Beispiel für Touristen geeignet ist, die sich in der Slowakei verständigen wollen. Dann gibt es die Kurse A1 und A2 für Anfänger ohne Vorkenntnisse und für leicht Fortgeschrittene. Diese Kurse bestehen aus jeweils 15 thematischen Lektionen, denen die häufigsten Kommunikationssituationen zugrunde liegen und die alle Sprachfertigkeiten fördern: Hören, Sprechen, Lesen und Schreiben. Es gibt auch Video-Dialoge, Übungen, Tests sowie Spiele. Eine ganz interessante Sache ist der Teil Kommunikation. Dort lassen sich Freunde finden oder man kann im Rahmen eines Forums Texte verfassen.“

Und wie groß ist nun das Interesse von Tschechen an dem Kurs?

„Tschechien liegt bei den Besuchen der Website auf dem dritten Platz. Von 7000 Besuchern öffnen etwa 300 die tschechische Version. Es gibt aber viel mehr Nutzer in Tschechien, manche besuchen direkt die slowakische Version. An erster Stelle liegt die slowakische Version, an zweiter die englische. Auf Platz vier und fünf folgen Deutsch und Polnisch.“

Die Unterschiede zwischen Tschechisch und Slowakisch werden in Zukunft wohl immer größer. Es drohe, dass sich die Tschechen und die Slowaken in zwanzig Jahren nur noch auf Englisch verständigen, so Blahuš. Peter Baláž fügt hinzu:

Peter Baláž  (Foto: Ziko van Dijk,  Wikimedia Creative Commons 3.0)
„Ich hoffe, dass es nicht so weit kommt. Aber das hängt nicht von mir ab. Jetzt ist es wahrscheinlich eine Sache des tschechischen Bildungsministeriums oder der ganzen Regierung, weil es um Sprachpolitik geht. Die Behörden könnten in diesem Bereich viel mehr unternehmen.“