„Sobotka wirkt stabilisierend“ – Politologe Schuster über den neuen ČSSD-Vorsitzenden
Am Ende war es ein ziemliches Kopf-an-Kopf-Rennen, das die beiden Kandidaten auf den Chefposten bei den Sozialdemokraten absolvieren mussten. Weder der kommissarische Vorsitzende Bohuslav Sobotka, noch der südmährische Kreishauptmann Michal Hašek erhielten denn auch im ersten Wahlgang auf dem Brünner Parteitag die absolute Mehrheit der Delegierten. Erst in der zweiten Runde machte Sobotka knapp das Rennen, sprach anschließend aber von einem starken Mandat. Im Studio ist nun unser Politik-Experte Robert Schuster.
„Ja, das lässt sich durchaus sagen. Obwohl Bohuslav Sobotka noch nicht einmal 40 Jahre alt ist, hat er schon Einiges in der tschechischen Politik miterlebt. Er ist seit Längerem Abgeordneter im Parlament, er war Chef des Haushaltsausschusses, aber er war vor allem auch vier Jahre lang Finanzminister, also immerhin er hat einen der wichtigsten Regierungsposten innegehabt. Aber letzten Endes muss man schon sagen, dass Bohuslav Sobotka jemand ist, der sich in den vergangenen Wochen und Monaten seine Sporen verdient hat. Denn er hat als geschäftsführender Vorsitzende der Sozialdemokraten die Partei in einer schweren Situation übernommen nach der verlorengegangenen Parlamentswahl vom Juni vergangenen Jahres. Und ihm ist es gelungen die Partei zu stabilisieren, auch die einzelnen Flügel, auch die Diadochenkämpfe, die es da durchaus gegeben hat, entweder unter der Decke zu halten oder zumindest in einer Weise auszutarieren, dass die Partei nach außen nicht beschädigt wurde. Also insofern kann man sagen, dass vielleicht jetzt die Wahl Bohuslav Sobotkas, auch wenn sie mit 19 Stimmen Vorsprung knapp ausgefallen ist, doch eine Art Danke schön zu werten ist.“
Wie wird sich nun in den kommenden Monaten und Jahren die tschechische Sozialdemokratie unter einem Vorsitzenden Bohuslav Sobotka entwickeln?„Das ist natürlich eine Frage. Aber praktisch gesehen, da die kommenden Wahlen erst in vier oder drei Jahren stattfinden, muss natürlich die Partei jetzt versuchen, um jeden Preis auf sich aufmerksam zu machen. Sie muss der Regierung, die ja tiefgreifende Einschnitte, tiefgreifende Reformen im Gesundheitswesen und im Rentensystem, ihre vermeintlichen Fehler aufzuzeigen. Es gilt für die Sozialdemokraten, jetzt die Oppositionskarte pur zu spielen. Das wird wahrscheinlich die wichtigste Aufgabe Sobotkas sein. Auf der anderen Seite hat er doch in den letzten Monaten gezeigt, dass er etwas andere Akzente setzt als zum Beispiel sein Vorgänger Jiří Paroubek. So ist bei Sobotka wieder stärker eine Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften auf die Tagesordnung gekommen. Das gab es vorher nie. Die Gewerkschaften waren eine zeitlang relativ autonom. Nachdem es ihnen aber in den vergangenen Monaten gelungen ist einige große Streitbewegungen zu organisieren, hat das auch den Sozialdemokraten auch sich zu stabilisieren. Und ich denke diese Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften wird jetzt Bohuslav Sobotka vielleicht noch etwas ausbauen.“
Die Reaktion der stärksten Regierungspartei, der rechtsliberalen Demokratischen Bürgerpartei (ODS), fiel harsch aus. Da wurde ziemlich dramatisch von drohendem Populismus und einer angeblich schlechten Nachricht für das Land gesprochen. Ist das berechtigt, oder fällt das in die Kategorie „verbales Säbelrasseln“?„Eher Zweites entspricht der Tatsache. Denn die Bürgerdemokraten sind eigentlich aus rein taktischen Gründen daran interessiert, dass die künftige Führung oder die neue Führung der Soziademokraten so links wie möglich agiert. Das erlaubt den Bürgerdemokraten zu sagen: ´Seht her, wir sind diejenigen, die die Partei des Bürgertums sind, und die Sozialdemokraten sind die Linken, die wollen alles verstaatlichen, das sind Populisten, sie sind verantwortungslos usw.´. Das gab es schon mehrfach in der Vergangenheit. Natürlich erlaubt es dann eben den Bürgerdemokraten sich zu positionieren und sich an den Sozialdemokraten abzuarbeiten. Das heißt, ein gemäßigter Kandidat an der Spitze der Sozialdemokraten wäre für die Bürgerdemokraten sicherlich ein großes Problem.“
Ein Thema, wenn auch nicht offiziell auf der Parteitagsagenda, war der Versuch der Sozialdemokraten, mit der Ära ihres vorherigen Vorsitzenden Jiří Paroubek zu brechen. Warum eigentlich? Die tschechischen Sozialdemokraten scheinen überhaupt mit ihren früheren Vorsitzenden ein Problem zu haben…„Paroubek war natürlich ein Politiker oder ist immer noch ein Politiker, der sehr stark auf seine Autorität pocht. Er hat sich selber immer am liebsten als Bulldozer gesehen, also jemand, der Probleme aus dem Weg schafft, der nicht nach rechts oder links schaut, sondern nur nach vorne, der nur das Interesse seiner Partei oder sein eigenes Interesse im Kopf hat. Das heißt jemand, der natürlich in einer gewissen Phase für die Partei sehr wichtig war, denn er hat sie vor dem Abgrund gerettet. Aber er war natürlich auch jemand, der sich viele Feinde geschaffen hat. Dieser Politikstil, der durchaus autoritär war, ist mit den Prinzipien der Sozialdemokraten nur schwer vereinbar. Insofern wird es jetzt sicherlich zu einer Auseinandersetzung mit Jiří Paroubek kommen. Aber die Frage nach den Vorsitzenden ist interessant. Tatsächlich haben von vier noch lebenden Vorsitzenden alle bis auf einen mit ihrer früheren Partei gebrochen. Miloš Zeman – ist ausgetreten. Er hat sogar eine Gegenpartei gegründet. Stanislav Gross, der auch einmal Parteichef war, hat seine Mitgliedschaft ruhen lassen, aus welchen Gründen auch immer. Und Jiří Paroubek – bei dem weiß man nicht, ob er schon am Absprung ist, ob er die Partei verlassen wird oder nicht. Nur Vladimír Špidla, der vormalige Premierminister und spätere EU-Kommissar, ist eigentlich der Partei treu geblieben und wird von ihr auch anerkannt. Aber bei den anderen tschechischen Parteien ist es nicht anders. Auch die Bürgerdemokraten haben ein Problem mit Mirek Topolánek, der natürlich viele Fehler hatte, aber durchaus ein erfolgreicher Parteichef war. Unter ihm hat die Partei viele Wahlen gewonnen, aber es gab keine einvernehmliche Trennung. Das heißt, das scheint mir etwas Systemimmanentes zu sein.“