Solschenizyns „Archipel Gulag“ erst nach´89 tschechisch erschienen

Alexander Solschenizyn (Foto: ČTK)

Weltweit wurde darüber in den Medien berichtet: Am Sonntag ist der russische Schriftsteller Alexander Solschenizyn verstorben. In den letzten Jahren seines Lebens war Solschenizyn ein eingefleischter Kritiker der westlichen Gesellschaft und warf den russischen Politikern das Nachäffen des Westens vor. Keiner wird jedoch seine herausragende Stellung in der Weltliteratur bestreiten. Er war der erste, der das wahre Gesicht der totalitären Sowjetunion entblößte. Seine eigenen Erlebnisse in sowjetischen Lagern verarbeitete Solschenizyn in seinem Roman „Der Archipel Gulag“. In der Tschechoslowakei durfte das Buch offiziell erst 1990 erscheinen.

Alexander Solschenizyn  (Foto: ČTK)
Über den verstorbenen russischen Schriftsteller und Nobelpreisträger, Alexander Solschenizyn, sagte einst Václav Havel, bevor er nach dem Wendejahr zum tschechoslowakischen Präsidenten gewählt wurde, er sei eine ´ungeheure Quelle der Wahrheit´. So haben ihn seinerzeit viele hierzulande wahrgenommen. 1963 erschien Solschenizyns Novelle „Ein Tag des Iwan Denissowitsch“ in tschechischer Übersetzung. Das Buch, in dem der Autor packend den Tagesablauf in einem sibirischen Lager aus der Sicht des Häftlings Iwan Denissowitsch Schuchow schilderte, öffnete vielen die Augen. Daran kann sich die Übersetzerin aus dem Russischen Ludmila Kozáková gut erinnern:

„Das Buch wurde mit großer Begeisterung aufgenommen. Für uns war es absolut neu, von der Problematik haben wir nichts gewusst. Es war ein Schock.“

Im Jahr 1973 wurde in Frankreich Solschenizyns Roman „Archipel Gulag“ herausgegeben. Das Buch führte bei vielen Menschen, die sich bis dahin Illusionen über die als ideales Land präsentierte Sowjetunion gemacht hatten, dazu, dass sie die Augenklappen verloren. Libuše Kozáková gehörte aber nicht zu der Mehrheit, die bis 1990 auf die erste offizielle Übersetzung ins Tschechische wartete, denn sie war selbst als Übersetzerin für den Samisdat daran beteiligt:

„Wir haben streng geheim an der Übersetzung des Romans gearbeitet. Ich kann mich noch erinnern, wie groß meine Angst dabei war. Als ich mit meinen 100 Seiten fertig war, habe ich die Schreibmaschine verschenkt, damit man mich nicht identifizieren konnte. Es galt als Straftat, für die man hinter Gitter kommen konnte.“ Libuše Kozáková hat damals nur einen Teil des 608 Seiten umfassenden Romans „Archipel Gulag“ übersetzt. Auf die Frage, warum sie sich darauf eingelassen habe, sagte sie gegenüber Radio Prag:

Alexander Solschenizyn  (Foto: ČTK)
„Weil ich das als meine moralische Pflicht empfunden habe. In der zwanzigjährigen Periode der so genannten Normalisierung durfte ich unter meinem Namen fast gar nicht übersetzen. Mit dem Auftrag, 100 Seiten Solschenizyn zu übersetzen, hat sich an mich Frau Duskova gewandt, die mir ab und zu ihren Namen für genehmigte Übersetzungen ´geliehen ´ hat. Man hat die Übersetzung von Solschenizyns Archipel Gulag an mehrere Übersetzer verteilt, da es damals sehr eilte.“

Solschenizyns Buch hatte auch für die Übersetzerin selbst persönliche Konsequenzen:

„Meine persönliche Wahrnehmung hat es stark beeinflusst. Bis dahin war ich ein großer, ja sogar begeisterter Fan der Sowjetunion und des Sozialismus überhaupt. Und dann las ich das Buch, das auf das Ganze ein anderes Licht warf. Für die Mehrheit der links orientierten Intellektuellen war es ganz bestimmt wie ein Blitz aus heiterem Himmel.“