Sotschi 2014: Tschechiens Eishockeyteam kommt mit zwei Dinos zum Turnier

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In nur 30 Tagen steht das erste große Highlight des Sportjahres 2014 an: die Olympischen Winterspiele in Sotschi. Die Tschechische Republik wird dort mit über 80 Sportlern antreten, die endgültige Nominierung wird am 16. Januar verkündet. Seit vergangenem Montag aber steht schon fest, wer die 25 Auserwählten sind, die in Sotschi für das tschechische Eishockey-Nationalteam auflaufen werden. Die Bekanntgabe des Kaders glich erneut einem Show-Event, denn das Puckspiel ist hierzulande der Nationalsport Nummer eins.

Tomáš Král  (Foto: ČTK)
Bei der öffentlichen Bekanntgabe der Nationalmannschaft für das olympische Turnier in Sotschi, die live im Fernsehen übertragen wurde, vergaß Verbandschef Tomáš Král nicht zu erwähnen, welch traditionelle Rolle das tschechische Eishockey bei Winterspielen bereits einnehme und wie erfolgreich man dabei abgeschnitten habe. Gemeinsam mit den Vereinigten Staaten haben Cracks aus Tschechien beziehungsweise der früheren Tschechoslowakei am häufigsten an den Spielen teilgenommen. In Sotschi bestreiten sie ihr 22. Olympiaturnier, lediglich 1932 in Lake Placid haben sie gefehlt. Von ihren bisherigen Teilnahmen haben sie zehn Medaillen mit nach Hause gebracht: viermal Silber (1948, 1968, 1976, 1984), fünfmal Bronze (1920, 1964, 1972, 1992, 2006) sowie die vielumjubelte Goldmedaille 1998 aus Nagano. Der große Triumph in der japanischen Olympiastadt ist hierzulande noch allgegenwärtig, zu verschiedensten Anlässen wird gern daran erinnert. Der Manager der tschechischen Nationalmannschaft, Slavomír Lener, will die heutigen Erwartungen jedoch nicht allzu hoch schrauben:

Slavomír Lener  (Foto: ČTK)
„Die Spiele von Nagano liegen schon weit zurück. Es war das erste Turnier, bei dem die wirklich Besten aus jedem Land aufeinandertrafen. Inzwischen haben weitere Turniere stattgefunden und Sotschi wird daran nahtlos anknüpfen. Dort kann es zu gewissen Überraschungen kommen.“

Slavomír Lener ist nämlich davon überzeugt, dass es die beiden Vertreter Nordamerikas, die Teams aus Kanada und den USA, diesmal weit schwerer haben werden als 2010 in Vancouver. Vor vier Jahren bestritten sie das olympische Finale, in dem sich Gastgeber Kanada durchsetzte. In Sotschi aber sieht Lener andere Nationen im Vorteil:

Foto: Kristýna Maková
„Favorisiert sind eher die europäischen Mannschaften. Allein schon deshalb, weil das Turnier diesmal wieder auf der für sie gewohnten größeren Eisfläche ausgetragen wird.“

In Europa ist die Eisfläche für das Puckspiel in der Regel 60 mal 30 Meter groß, in der nordamerikanischen National Hockey League (NHL) hingegen ist das Spielfeld um zirka vier Meter schmaler. Von daher wird in der NHL mithin auch das körperbetonte, intensivere Eishockey gespielt, während europäische Teams das auf gutes Schlittschuhlaufen orientierte Spiel bevorzugen. Das war auch einer der wesentlichen Gesichtspunkte, die Tschechiens Nationaltrainer Alois Hadamczik bei der Zusammenstellung seines Kaders zu berücksichtigen hatte. Dennoch setzt sich das Gros seiner Truppe aus Profis zusammen, die in der NHL ihr Geld verdienen – es sind 17 an der Zahl. Von den weiteren acht Akteuren spielen fünf in der russischen KHL und drei in der heimischen Extraliga.

Jaromír Jágr  (Foto: Kristýna Maková)
Eine der größten Überraschungen im tschechischen Aufgebot ist fraglos die Nominierung von Altstar Petr Nedvěd. Für Nedvěd, der bis 2007 in 15 Saisons und über 1000 Begegnungen in der NHL gespielt hat, bedeutet Sotschi nach 20 Jahren die Rückkehr aufs olympische Eis: 1994 spielte der frühere Emigrant jedoch mit kanadischem Pass im Team der Ahornblätter und gewann Olympiasilber. Zum Eröffnungstag der Spiele ist Nedvěd 42 Jahre und 60 Tage alt; damit wird er der älteste Winterolympionike aus Tschechien aller Zeiten sein. Der erfolgreichste Akteur von Hadamcziks Mannschaft bei den Olympischen Spielen ist Jaromír Jágr. Der Crack der New Jersey Devils half mit, 1998 Gold und 2006 Bronze für Tschechien zu gewinnen. Während des Turniers in Sotschi wird auch Jágr schon 42 Jahre alt. Nationaltrainer Alois Hadamczik stand nach der Pressekonferenz auch Radio Prag gegenüber zur Berufung seines Kaders Rede und Antwort:

Alois Hadamczik  (Foto: ČTK)
Herr Hadamczik, Sie haben vor wenigen Minuten das Aufgebot der tschechischen Eishockey-Nationalmannschaft für die olympischen Spiele in Sotschi bekanntgegeben. Warum sind die 25 Spieler, die Sie nominiert haben, die Spieler Ihres Vertrauens? Und was erwarten Sie von dieser Mannschaft?

„Ich habe 17 Spieler aus der NHL nominiert, der Rest spielt in Europa. Bei den Cracks, die in der NHL unter Vertrag stehen, galt es zu berücksichtigen, dass sie dort auf einer kleineren Eisfläche spielen. Das ist ein merklicher Unterschied zu den Eisflächen, die uns in Sotschi erwarten. Für das olympische Turnier haben wir eine großes Ziel: Wir wollen eine Medaille erringen. Um das zu erreichen, haben meine Assistenten und ich Tschechiens beste Spieler sehr oft im Spielbetrieb beobachtet und ihre Leistungen miteinander verglichen. Ich denke daher, dass wir eine gute Wahl getroffen haben. Die Zusammensetzung der Mannschaft ist meiner Meinung nach sehr gut.“

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Sie haben es gesagt: das Ziel Ihrer Mannschaft ist der Gewinn einer Medaille. Was muss die Mannschaft dafür tun, um dieses Ziel zu erreichen?

„Zunächst sei erwähnt, dass ich weiß, wie es sich anfühlt, wenn man eine olympische Medaille gewinnt. Ich habe vor acht Jahren die tschechische Mannschaft geführt, die in Turin den dritten Platz belegt hat. Was in Sotschi wichtig sein wird? Alle meine Spieler sind physisch sehr stark, doch in den Begegnungen mit den Kontrahenten müssen sie als Einheit auftreten, wie ein Mann kämpfen und als Team zusammenhalten. Dann ist es auch egal, wer unsere Tore schießt. Unsere Torhüter müssen überdurchschnittliche Leistungen bringen, unsere Defensivarbeit muss sehr gut funktionieren. Wenn das eintrifft, dann bin ich optimistisch, dass wir auch genügend Tore schießen.“

Jaromír Jágr  (rechts). Foto: ČTK
Zwei Namen Ihres Aufgebots möchte ich dennoch hervorheben, Jaromír Jágr und Petr Nedvěd, denn die Weltpresse wird wieder schreiben: „Tschechien kommt mit zwei Dinos zu den Spielen“. Auf der Pressekonferenz haben Sie bereits gesagt, dass wenn alle tschechischen Cracks mit der gleichen Leidenschaft spielen würden wie diese beiden 42-Jährigen, dann würde das hiesige Eishockey noch besser dastehen. Deshalb frage ich: Warum sind Jaromír Jágr und Petr Nedvěd immer noch Aushängeschilder für das tschechische Eishockey?

„Ich will es so sagen: Beide Spieler waren und sind nicht nur zwei begnadete Eishockeytalente, sie haben auch beide schon viel erreicht in ihrer Karriere. Sie lieben ihren Sport über alles. Als ich zum Beispiel mit Nedvěd gesprochen und ihm dabei signalisiert habe, dass ich ihn nach Sotschi mitnehmen werde, da sah ich sofort das freudestrahlende Funkeln in seinen Augen. Das war genauso, als wenn ich einem Kind ein Spielzeug schenken würde. Bei Nedvěd, der ´nur´ in der tschechischen Liga spielt, habe ich mir zwar mehrere Anmerkungen gemacht und mich hinterfragt, ob er international noch mithalten könne. Doch Nedvěd ist schlittschuhläuferisch immer noch stark, und er ist ein Mann für die wichtigen Tore.“

Trainer Hadamczik hat also seine Wahl getroffen. Er hat ein Team zusammengestellt, von dem er überzeugt ist, dass es in Sotschi in den Kampf um die Medaillen eingreifen wird. Der von ihm berufene Kader hat andererseits – wie nicht anders zu erwarten – hierzulande wieder für reichlich Diskussion gesorgt. Mehrere Experten vermissen den Namen des einen oder anderen Spielers in der Mannschaft, oder sie sind von den Auserwählten weit weniger überzeugt als der Auswahlcoach. Auch zur Nominierung von Petr Nedvěd gibt es kritische Stimmen. Die meisten der Kritiker lassen zwar keinen Zweifel am Können des 42-Jährigen, einige aber glauben, dass für Nedvěd im Team kein Platz sei, weil alle wichtigen Positionen schon gut besetzt seien. Nedvěd selbst aber lässt sich davon nicht beirren:

Petr Nedvěd  (Foto: ČTK)
„Ich habe absolut kein Problem damit, in der Nationalmannschaft jede beliebige Rolle auszufüllen. Ich freue mich, in Sotschi dabei zu sein und sehe es als große Ehre, dort für Tschechien spielen zu können. Mich freut, dass der Trainer mir sein Vertrauen schenkt.“

Und allen Kritikern zum Trotz spricht Nedvěd schließlich davon, dass für den Erfolg der Mannschaft ganz andere Dinge zählen als die Einstufung jedes Einzelnen:

„Wichtig ist, dass wir ein starkes Team bilden, das an einem Strang zieht. Das ist unsere einzige Chance, um in Sotschi Erfolg zu haben.“

Tomáš Plekanec  (Foto: ČTK)
Auch dank seiner beiden Dinos Nedvěd und Jágr liegt der Altersdurchschnitt der tschechischen Mannschaft bei 29,8 Jahren. Im Kader stehen jedoch auch 13 Spieler, die ihr erstes Olympiaturnier bestreiten, darunter die drei Auswahlneulinge Radko Gudas, Ondřej Palát und Vladimír Sobotka. Der Kapitän des tschechischen Teams ist Tomáš Plekanec, Angreifer der Montreal Canadiens.

Autor: Lothar Martin
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