Spiele in London: Tschechien tritt mit den drei Olympiasiegern von Peking an
Das sportliche Topereignis des Jahres steht unmittelbar ins Haus: Am Freitag beginnen die Olympischen Sommerspiele in London. Unter den rund 10.500 Sportlern aus zirka 200 Ländern, die in 302 Disziplinen um die begehrten Medaillen kämpfen werden, ist auch das Team aus Tschechien nicht zu übersehen. Es besteht aus 133 Athletinnen und Athleten, die in 20 der insgesamt 26 Sportarten an den Start gehen werden.
„Ich sage es doch immer wieder: Jeder hat seine Medaille sicher, und zwar die Teilnehmermedaille. Es brennt also nichts an, eine Plakette bringt jeder mit nach Hause.“
Die 28-jährige Kateřina hat gut lachen, schließlich weiß sie ja, wie man olympisches Edelmetall schürft. 2004 in Athen eroberte sie Bronze im Luftgewehrschießen, vier Jahre später war sie in dieser Disziplin von niemandem zu bezwingen. Zudem gewann sie in Peking noch die Silbermedaille mit dem Kleinkaliber-Sportgewehr. Trotz dieser Erfolge aber gibt es auch etwas bei Olympia, dass sie verdrießlich stimmt – der Terminplan der Sportwettkämpfe. Der sieht nämlich seit Jahren vor, dass die Luftgewehrschützen am Morgen nach der Eröffnung gleich als erste ran müssen. Deshalb kann die Ehefrau des amerikanischen Sportschützen Matthew Emmons die jeweilige Eröffnungsfeier stets nur vor dem TV-Gerät verfolgen. Doch auch darüber kommt die zumeist gut gelaunte Kateřina mit einem Lächeln hinweg:
„Wir, die wir daran nicht teilnehmen können, ziehen uns stets die Ausgehuniform an, nehmen uns eine tschechische Fahne und ziehen damit durch das olympische Dorf. Außerdem winken wir den Athleten im Stadion vor dem Fernseher zu.“Wird Kateřina Emmons der Eröffnungsfeier der Spiele also zum dritten Mal in Folge fernbleiben müssen, so fiebert ein anderer Tscheche dieser Veranstaltung schon mit Herzklopfen entgegen: der Badminton-Spieler Petr Koukal. Der 26-Jährige macht dann auch kein Hehl daraus, wie sehr er sich darauf freut, als Fahnenträger an der Spitze des tschechischen Teams in das Londoner Olympiastadion einzulaufen:
„Ich bin schon ziemlich aufgeregt vor meinem Auftritt. Aber es ist ein angenehmes Gefühl und ich freue mich darauf. Ich habe mich bereits gedanklich auf diese Aufgabe vorbereitet. Ich sehe das im historischen Kontext, immer wenn es irgendwo eine Schlacht gab, zogen die Truppen mit Fahnen oder Banner in den Kampf. Ich glaube daran, dass ich die tschechischen Kämpfer zu erfolgreichen Spielen anführen werde.“
Petr Koukal hat in seiner relativ kurzen Karriere zwar schon einige internationale Turniere gewonnen, bei Olympia, Welt- und Europameisterschaften aber wartet er noch auf den großen Durchbruch. Dafür hat er den bisher wichtigsten Kampf seines Lebens gewonnen – er hat den Krebs besiegt. Das war sicher ein wesentliches Kriterium für seine Wahl, doch gerade das hat Koukal auch erfreut:„Meine Ernennung zum Fahnenträger hat ein riesiges Interesse der Medien entfacht, was natürlich für unsere kleine Sportart gut ist. Letztendlich ist es aber ebenso gut für den Kampf, den ich durchgemacht habe. Es hat dazu beigetragen, den Fokus wieder auf den Krebs zu richten, über den nicht so oft gesprochen wird. Es hat bestimmt geholfen, dass aufgrund der Veröffentlichung von Einzelschicksalen wieder mehr über die Krankheit berichtet wurde und sich andere Krebspatienten daran aufrichten können.“
Was aber seine Chancen in London betrifft, so weiß Koukal, dass es für ihn nicht leicht wird:
„Alle Vorrundengruppen sind schwer. Es gibt keine Gruppe, in der nicht wenigstens ein Spieler aus den Top 16 der Badminton-Elite vertreten ist. Es wird also schwer, dennoch ist die Aufgabe lösbar.“Ihre Aufgabe nicht nur gut lösen will 400-Meter-Hürdenläuferin Zuzana Hejnová. In ihrer Disziplin will sie vielmehr weit vorn landen. Seit Jahren gilt sie als großes Talent der tschechischen Leichtathletik, bei wichtigen Wettkämpfen aber ist sie allzu oft an ihren labilen Nerven gescheitert. Mit dem jüngsten Sieg über die komplette Weltelite bei einem bedeutenden Leichtathletik-Meeting in Monaco ist ihr Selbstbewusstsein aber spürbar gestiegen. Vor dem Abflug nach London war sie daher recht zuversichtlich:
„Gewiss hat mir der Sieg im Wettbewerb der Diamant-Liga Auftrieb gegeben, aber auch meine letzten Trainingsleistungen waren recht gut. Es gibt also keinen Grund, nicht gutgelaunt nach London abzureisen.“
Die Leichtathletik gilt als die Königssportart der Olympischen Sommerspiele. Die Austragung der Leichtathletik-Wettbewerbe wird daher im Veranstaltungsprogramm stets für die zweite Woche aufgespart. Für Zuzana Hejnová und ihre Mitstreiterinnen bedeutet dies, sie können in der ersten Woche je nach Möglichkeit die Wettkämpfe in anderen Sportarten live verfolgen. Bei der 25-jährigen Hejnová stehen dabei die Spiele der tschechischen Basketball-Nationalmannschaft der Frauen sowie das olympische Tennisturnier ganz oben auf der Wunschliste. Wenn Sie Karten für das Tennisturnier in Wimbledon erhalten sollte, dann würde sie gern auch einem Superstar begegnen:„In dem Fall würde ich mich gern mit Roger Federer fotografieren lassen, denn ich bin ein großer Fan von Roger.“In den Einzelkonkurrenzen des Tennisturniers aber hat auch Tschechien zwei heiße Medailleneisen im Feuer: die Weltranglisten-Sechste Petra Kvitová und den Weltranglisten-Siebten Tomáš Berdych. Das Turnier wird auf dem berühmten Rasen von Wimbledon ausgetragen, und dort hat Kvitová das jährliche Grand-Slam-Turnier im vorigen Jahr gewonnen. Berdych stieß 2010 bis ins Halbfinale vor. In diesem Jahr aber laufen beide Tennisasse ihrer besten Form hinterher. Deshalb schätzt die zweifache olympische Silbermedaillengewinnerin im Tennis, Helena Suková, die Chancen von Kvitová und Berdych eher zurückhaltend ein.
„Natürlich haben beide alle Voraussetzungen, doch im heutigen Tennis ist die Leistungsstärke unter den Tennisspielern so ausgeglichen, dass man vor nichts sicher ist. Schauen Sie nur auf Berdych, in diesem Jahr schied er bereits in der ersten Runde von Wimbledon aus.“Es gibt aber auch Sportarten, in denen sich die tschechischen Vertreter nicht unbedingt in Zurückhaltung üben müssen, weil sie zu den Top-Favoriten gehören. Dazu gehören die Skiff-Wettbewerbe im Rudern, in denen Tschechien mit Ex-Weltmeister Ondřej Synek (2010) und der amtierenden Weltmeisterin Miroslava Knapková (2011) sehr gut aufgestellt ist. Die größeren Chancen auf den Olympiasieg werden dabei Synek zugesprochen, obwohl der 29-Jährige im fünffachen Weltmeister Mahé Drysdale aus Neuseeland einen ganz harten Konkurrenten hat. Diesem Zweikampf aber sieht Synek optimistisch entgegen:
„Ich fahre nach London mit dem Ziel, das bestmögliche Ergebnis zu erzielen. Wie ich dem Tschechischen Fernsehen zuvor schon gesagt habe, Zweiter bei Olympia war ich bereits, also will ich diesmal gern gewinnen.“Wie der Zweikampf Synek gegen Drysdale ausgegangen ist, wird man spätestens am 3. August wissen.