Sprachanimation: motivieren, animieren, mitmachen

Vorbei sind die Zeiten, als man eine Fremdsprache mühsam mit einem Wörterbuch in der Hand oder mit knisternden Tonbandkassetten gelernt hat. Aus Erfahrungen von deutsch-tschechischen Jugendbegegnungen entstand eine neue Methode nicht nur zum wechselseitigen Sprachenlernen, sondern auch zur Verbesserung der interkulturellen Kontakte. Die Rede ist von der Sprachanimation. Bara Prochazkova wird ihnen diese Methode vorstellen.

Sprachanimateurin Lenka Hubackova  (Foto: Autorin)
Eine Gruppe von tschechischen Jugendlichen sitzt in der Ecke und unterhält sich auf Tschechisch, eine zweite Gruppe von Deutschen ist in der anderen Ecke und albert in ihrer Muttersprache. Zu gemeinsamen Kontakten kommt es nur mühsam. Dieses Bild kennt jeder, der einmal an einer deutsch-tschechischen Jugendbegegnung teilgenommen hat. Die Sprachanimation ist eine neue Methode, mit der man unauffällig und ungezwungen die beiden Lager zusammen bringen kann. Und das mit den einfachsten Mitteln, sagt die Sprachanimateurin Lenka Hubackova:

"Viele von uns haben schon vergessen, was sie als Kinder gemacht haben - nämlich einfach Spiele gespielt. Und wenn man sich damit beschäftigt, dann stellt man fest, dass das Kommunikation auf einem sehr einfachen Niveau ist. Und das ist genau das, was wir bei der Sprachanimation machen/wollen. Deshalb assoziiert man die Kinderzeit damit. Viele Spiele geeignet, die mit Sprache zu tun haben. Ich allein erinnere mich an fünf Spiele aus meiner Kinderzeit, jemand anderes kennt weitere und so erweitert sich die Spielsammlung."

Flexibel, mit perfekten Sprachkenntnissen im Tschechischen und im Deutschen, offen für neue Methoden und erfahren in der Kinder- und Jugendarbeit, so muss ein Sprachanimateur sein. Diese Methode nutzt Spiele, schließt Eigeninitiative der Teilnehmer ein, weckt Phantasie und reaktiviert früher erworbene Kenntnisse. Mit Hilfe von Spielen, Liedern oder einfachen Übungen kommen sich Tschechen und Deutsche langsam näher. Am Anfang steht oft nur ein Stuhlkreis. Die ehemalige Hotelfachfrau Lenka Hubackova erklärt ein konkretes Spiel:

"Die Stühle sind im Kreis geordnet und ein Stuhl fehlt, alle sitzen also auf einem Stuhl und einer hat keinen Platz. Jetzt werden Wörter verteilt und immer wenn ein Wort ausgerufen wird, müssen sich diejenigen bewegen, die dieses Wort haben. Und derjenige, der in der Mitte steht, versucht den freigewordenen Platz zu ergattern. Das ist ein ganz normales Spiel, aber zugleich lernen die Teilnehmer ganz nebenbei eine Sprache, sie steht also nicht im Mittelpunkt."

Kommunikation in einer binationalen Gruppe kann manchmal wirklich schwierig sein. Nicht nur die Sprachbarriere sondern auch Vorurteile oder die Angst vor der fremden Umgebung stellen eine Hürde dar. Die Sprachanimation wird an dieser Stelle auch eingesetzt, um ein fremdes Land näher zu bringen. Oft kann aber Sprachanimation auch Erfolgserlebnisse herbeiführen, so auch im Bayrischen Wald, wo im Lahmen Winkel Lenka Hubackova mit Kollegen den deutschen Grundschülern Tschechisch näher bringen sollte:

"Die Kinder fanden es sehr spannend zu lernen, wie man auf Tschechisch `Hallo`, `Guten Tag` und `Wie geht es Dir` sagt. Denn damit fühlten sie sich stolz, dass es etwas wissen, was ihre Eltern nicht kennen und dass sie es den Eltern beim nächsten Tschechien-Besuch zeigen können. So fühlten sie sich den Eltern ein bisschen überlegen."

Die Sprachanimation ist für alle Altersklassen anwendbar und auch tschechische Germanistik-Studenten können etwas Neues lernen. Die muss man jedoch anders fordern, so Lenka Hubackova, die eine Gruppe von 30 Sprachanimateuren des Deutsch-tschechischen Koordinierungszentrums für Jugendaustausch Tandem koordiniert:

"Es gibt im Deutschen Adjektive, die man sehr gut in der Gastronomie anwenden kann. Zum Beispiel die mit der Endung `-bar`. Eine Bar kann wunderbar oder sonderbar sein. In Deutschland gibt es Städte, die genau mit diesem Phänomen gespielt haben. In einer kleinen Stadt gab es eine Bar, die UnverzichtBar hieß. Man lässt also die Bar suchen. Erstens kennen sich die Teilnehmer dann besser vor Ort aus und zweitens müssen die Teilnehmer mit den Einheimischen in Kontakt treten und mit Hilfe von ihnen diese Bar finden. Die Übersetzung des Wortes muss man dann selbstverständlich auch verstehen."

Die Sprachanimateure haben sich ein Ziel gesetzt, ihre Methode soll zum festen Bestandteil jeder deutsch-tschechischen Begegnung werden:

"Bei einer frei ausgewählten Tätigkeit wie zum Beispiel Kochen, Spielen, Wandern gehen oder Basteln gibt man der gemischten deutsch-tschechischen Gruppe eine Aufgabe. Und zwar dass sie dabei nicht sprechen dürfen, nur gestikulieren und unverständliche Laute von sich geben. Es dürfen keine Wörter gesagt werden. Damit lässt man sie spüren, dass die Kommunikation auch so funktionieren kann, man muss nur andere Wege suchen."

Kleine Spielchen mit einer großen Auswirkung - die Sprachanimation soll durch die aktive Einbeziehung der Teilnehmer die Kommunikationsbarrieren niederreißen. Entstanden ist sie im deutsch-französischen Jugendaustausch, auch dort musste zwischen zwei Kulturen vermittelt werden. Und die Jugendlichen finden immer wieder eigene Gründe, warum es wichtig ist, einen Zugang zu der Sprache des Nachbarn zu finden. Lenka Hubackova, die in Prag lebt, erzählt aus Erfahrung:

"Einmal ist ein deutsches Mädchen interviewt worden. Sie wurde gefragt, warum sie Tschechisch lernen möchte. Sie hat begeistert in die Kamera geschaut und geantwortet: Das ist eine tolle Geheimsprache."

Sprachanimationen wecken das Interesse für die jeweils andere Kultur, bauten Vorurteile und Ängste sowie Lampenfieber ab und bereichern die Teilnehmer durch neue Kenntnisse. Fast also ein Allheilmittel gegen interkulturelle Konflikte. Denn manchmal entstehen diese ungewollt. Dazu eine Geschichte von Lenka Hubackova:

"Da meistens die Deutschen überhaupt kein Tschechisch sprechen, versuchen sie sich auf eine einfache Art und Weise auf Deutsch auszudrücken. Also fährt zum Beispiel ein deutscher Autofahrer zu einer tschechischen Tankstelle und möchte drei Sachen machen: Tanken, das Rad aufpumpen lassen und er möchte dem Tankwart zeigen, wo das Auto steht. Wie reduziert dieser Autofahrer diese drei Informationen? Er sagt Tank, Rad und dort, das soll heißen, er möchte gerne tanken, das Rad aufpumpen und das Auto steht dort. Er betritt also die Tankstelle und geht zum Tankwart. Der Deutsche lächelt freundlich und sagt: `Tank, Rad, dort`. Der Tscheche schaut ihn verstört und an und denkt, dass der Autofahrer aus einem Irrhaus geflohen ist. Warum eigentlich? Der Deutsche benutzt drei Worte, die es auch im Tschechischen gibt, diese haben aber eine vollkommen andere Bedeutung. Tank bedeutet im Tschechischen ein Panzer, dort ist eine Torte, also eine Sacher- oder eine Sahnetorte und Rad heißt gern haben. Also was hat der Deutsche eigentlich gesagt? `Panzer haben gern Torten`. In dem Moment kann man nur lachen, denn es bleibt völlig unklar, was der Autofahrer von dem Tankwart nun wollte."