Star-Regisseur Miloš Forman wird 80 Jahre
Einer flog übers Kuckucksnest, Hair, Amadeus oder Larry Flint. Wer kennt sie nicht, die Filme von Miloš Forman. Am Samstag feiert der tschechischstämmige Regisseur seinen 80. Geburtstag. Zu diesem Anlass sendet das Tschechische Fernsehen Sondersendungen und die Tschechischen Zentren überall auf der Welt ehren den berühmten Filmemacher. Dem wollen wir uns anschließen und stellen ihnen sein Leben und sein Werk vor.
Seinen ersten Oscar erhält Miloš Forman für „Einer flog übers Kuckucksnest“. Der Film ist ein Porträt eines Menschen, der in eine Nervenheilanstalt eingeliefert wird und dort unter dem Regime einer sadistischen Oberschwester leidet. Die berühmte Auszeichnung bedeutet für Forman den Durchbruch in Amerika.
Zu dieser Zeit war Forman bereits amerikanischer Staatsbürger. Geboren wurde er aber am 18. Februar 1932 in Čáslav in der damaligen Tschechoslowakei. Seine Eltern wurden während der deutschen Besatzung verhaftet, weil sie Mitglieder einer Widerstandsgruppe waren. Sein Vater starb im KZ Buchenwald, seine Mutter in Auschwitz. Forman wächst als Waise bei Verwandten auf und besucht nach dem Krieg ein Internat in Poděbrady / Podiebrad. Dort lernt er den drei Jahre jüngeren Václav Havel kennen. In einem Interview zum Tod Havels erinnert sich Forman an die gemeinsame Schulzeit:
„Wir waren Jungen, ich weiß nicht mehr genau, wie viele wir dort waren. Es war eine besondere Schule in Poděbrady. Der Staat hatte eine Menge Geld investiert, weil es eine Schule für Kriegswaisen war. Mit dem vielen Geld konnte der Direktor die besten Lehrer anwerben und unsere Werkstatt war im Schloss von Poděbrady. Also wollten plötzlich alle ihre Kinder dorthin geben. Ein Drittel der Kinder waren Kriegswaisen, ein Drittel waren Söhne mächtiger Kapitalisten und ein weiteres Drittel waren die Söhne noch mächtigerer Kommunisten. Dort kam es mehrmals zu sehr interessanten Kämpfchen. Und dort habe ich auch Václav Havel kennengelernt, den genauen Tag weiß ich aber nicht mehr, wir waren immerhin 70 Schüler.“ Nach der Schule beginnt Forman ein Studium an der Prager FAMU, der Fakultät für Film- und Fernsehen der Akademie der Musischen Künste. Anfang der 1960er Jahre hatte er seinen ersten Erfolg mit dem Film „Černý Petr“. „Der schwarze Peter“ beschreibt die Jugend eines unangepassten Teenagers und brachte Forman den Preis des internationalen Filmfestivals von Locarno ein. Zwar wird der Film von den kommunistischen Machthabern kritisiert, aber in der relativen kulturellen Freiheit der 1960er Jahre lässt man ihn gewähren.Miloslav Šmídmajer ist ebenfalls Regisseur und hat seit den 1990er Jahren drei Dokumentarfilme über Miloš Forman gedreht. Er erklärt, was das Besondere an Formans Stil war:
„Die 1960er Jahre waren für den Film unglaublich. Bis zu dieser Zeit gab es nur sehr klassische Filme, wie zum Beispiel der italienische Neoklassizismus. Und auf einmal kamen Filme, die viel lebendiger waren, viel gegenwärtiger, wie aus dem Leben gegriffen. Es war die Zeit des Cinéma vérité und die Zeit der tschechischen neuen Welle und Miloš Forman war da am weitesten. Er arbeitete mit Nicht-Schauspielern und die Situationen in seinen Filmen waren wie in einer Kneipe oder einem Tanzsaal, der vor den eigenen Augen ablief.“Sein nächster bekannter Film ist Hoří, má panenko, der Feuerwehrball, aus dem Jahr 1967. Eine Gesellschaftssatire, die zeigt, wie ein Fest zu Ehren der Feuerwehr aus dem Ruder läuft. Eine Szene ist besonders umstritten: Nach einem Stromausfall fehlen einige Tombola-Geschenke. Ein Feuerwehr-Funktionär hat folgende Idee:
„Freunde, ich bitte um eure Aufmerksamkeit. Ich will das nicht aufbauschen oder eine Affäre daraus machen. Jemand hat mehrere der Tombolapreise entfernt. Wir können nicht weitermachen. Wir werden jetzt das Licht ausmachen und es wird dunkel. In dieser Dunkelheit kann dann derjenige die Preise wieder zurücklegen.“Nachdem es wieder hell war, waren auch noch die restlichen Preise verschwunden. Das ist den Parteifunktionären dann doch zu viel und sie verbieten den Film. Forman war geschockt, jedoch schöpft er, wie viele Tschechen, aus dem heraufziehenden Prager Frühling Hoffnung. Er darf sogar nach Frankreich und Amerika fliegen, um Dreharbeiten für sein neuestes Projekt vorzubereiten. Während er aber auf Reisen ist, kommt das Ende des Frühlings:
„Flughafen Ruzyně. Genauso wie von der nördlichen Grenze der Tschechoslowakei rollen aus den fünf so genannten Bruderländern Panzer auf Panzer nach Prag.“Forman entschließt sich, von seiner Arbeitsreise nicht mehr zurückzukehren und geht in Amerika ins Exil. In seinem ersten Film in den Vereinigten Staaten bleibt er der Satire treu und nimmt den gehobenen amerikanischen Mittelstand in die Kritik. „Takin off“ gewinnt auf dem Filmfestival in Cannes den großen Preis der Jury. Die Kritik liebt den Film, an den Kinokassen ist er jedoch wenig erfolgreich. Forman weiß heute, warum:
„Ich war gewöhnt daran, Filme zu drehen, so wie ich es gelernt hatte, wie bei uns in der Tschechoslowakei. Nur das es eine andere Mentalität war. Sicher, damals war der tschechische Film in Mode: Ein bisschen freie Struktur und man improvisierte ein bisschen, der Film hatte kein Ende, er stoppt einfach. Das war aber etwas viel für den amerikanischen Zuschauer, der wollte wissen: was ist mit dem Guten und was mit dem Schlechten?“Den erhofften Erfolg bei den Zuschauern bringt dann erst „Einer flog übers Kuckucksnest“. Auch hier ist wieder Formans kritisch-satirischer Blick vorherrschend. Diesmal nimmt er die Behandlung in Nervenheilanstalten unter die Lupe. Gleichzeitig fügt er einen unangepassten Charakter ein, verkörpert vom genialen Jack Nicholson, der versucht, diesem System zu entkommen. Doch warum wählt Forman immer diese verstörenden Themen? Šmídmajer versucht sich an einer Antwort:
„Solchen Themen hat er schon immer den Vorzug gegeben. Dazu hat Krieg oder Faschismus gehört. Generell die Totalität, der sich der Einzelne auf irgendeine Art unterordnen muss, die ihn dadurch deprimiert, dass sie ihn beherrscht. Er konnte das so gut drehen dank der Erfahrungen, die er hier aus der Tschechoslowakei hatte.“Als amerikanischer Staatsbürger kehrt Forman zwar zu Dreharbeiten in die Tschechoslowakei zurück, leben wird er dort aber nicht mehr. Seine Antwort auf die Frage nach Heimat ist dann auch für ihn nicht einfach zu beantworten:
„Mein wirkliches Zuhause ist in Conneticut. Da lebe ich nun schon über 20 Jahre, ich habe dort meine Kinder und meine Ehefrau Martina. Zuhause ist dort, wo ich mich am besten fühle – das ist aber auch bei der Arbeit. Am Ende muss man sich auf das konzentrieren können, was man schafft. Und das wird dann der Mittelpunkt des Lebens und alles Emotionale oder Nicht-Emotionale muss beiseite treten.“
Miloš Forman bleibt seinem Stil treu. Auch wenn er nun beginnt, sich mehr darauf zu konzentrieren, Lebensläufe nachzuzeichnen, sind es immer die Unangepassten, die er ins Rampenlicht holt. Es folgen Sternstunden der Filmgeschichte wie zum Beispiel „Amadeus“ und „Larry Flint“. Die Kritiker belohnen ihn für seine Werke mit unzähligen Preisen. Er erhält zwei Oscars für die beste Regie und mehrere Golden Globes. Sein letzter Film, „Goyas Geister“, ist 2006 erschienen und thematisiert die spanische Inquisition rund um den Hofmaler Francisco de Goya.Einen weiteren Film hat er nicht geplant, er sei nun in Rente und es gefalle ihm. Sein Dokumentarfilmer Šmídmajer glaubt aber, dass er bei einem guten Stoff und einer ausreichenden Finanzierung noch einmal im Regiestuhl Platz nehmen würde.