Stasi-Mitarbeiter und deren Opfer im Gespräch

Foto: Martina Schneibergová

Eine ungewöhnliche Ausstellung ist in diesen Tagen auf dem Prager Friedensplatz (Náměstí Míru) zu sehen. Es ist eine mobile Exposition, die auf einem Lkw-Schlepper installiert worden ist. Sie besteht aus einer Eisenkonstruktion und Holzkulissen, die den Laubengang eines Hauses darstellen mit zwölf stilisierten Wohnungstüren. In den Türen sind Gucklöcher, durch die die Besucher reinschauen und sich dabei die Erinnerungen von Zeitzeugen anhören können. Die Ausstellung dokumentiert sechs Lebensgeschichten von osteuropäischen Mitarbeitern der Geheimpolizei. Vorgestellt werden zudem sechs Zeitzeugen, die es abgelehnt hatten, mit der kommunistischen Geheimpolizei zusammenzuarbeiten. Martina Schneibergová hat zur Eröffnung der Ausstellung mit Marie Janoušková von der gemeinnützigen Organisation Post bellum gesprochen. Sie hat die Schau zusammengestellt.

Foto: Martina Schneibergová

Marie Janoušková  (Foto: Martina Schneibergová)
Frau Janoušková, warum wurde die Ausstellung „Ano / Ne“ (Ja / Nein) benannt?

„Die Ausstellung heißt ,Memory of Nation: Ja / Nein‘. Es ist eine Straßenausstellung, die aus zwölf Zeitzeugengeschichten zusammengestellt wurde. Die Zeitzeugen stammen aus sechs europäischen Ländern. Es ging uns darum, Zeitzeugengeschichten von Menschen zu zeigen, die während der Zeit des Kommunismus vor der Entscheidung standen, entweder mit der kommunistischen Geheimpolizei zusammenzuarbeiten oder nicht. Aus dem Grund der Titel ,Ja / Nein‘.“

Aus welchen Ländern stammen die Zeitzeugen?

„An der Ausstellung haben wir mit Partnerorganisationen aus Bulgarien, Deutschland, Polen, der Slowakei, Ungarn und Tschechien zusammengearbeitet.“

Foto: Martina Schneibergová
Welche der Zeitzeugenaussagen hat Sie am tiefsten beeindruckt? Denn es sind darunter erschütternde Geschichten: Ein ehemaliger DDR-Bürger erfuhr beispielsweise erst nach seiner Freilassung aus dem Gefängnis, dass sein eigener Vater 30 Jahre lang für die Stasi gearbeitet hatte.

„Mich persönlich hat auch gerade diese Geschichte am tiefsten getroffen. Ich kann mir das gar nicht vorstellen, dass jemand gegen seinen Sohn gehandelt und ihn denunziert hat. Dies ist ein Moment, der für die ganze Ausstellung sprechen kann. Es ist nicht schwarzweiß wie die graphische Gestaltung der Schau, aber es regt uns zum Nachdenken an. Einerseits sagen wir, wir können die Menschen nicht verurteilen, weil wir damals nicht gelebt haben und nicht die einzelnen Geschichten kennen. Aber andererseits haben die Leute, die Ja gesagt haben, das ganze System noch gestärkt.“

Foto: Martina Schneibergová
Hatten Sie eine größere Auswahl von Zeitzeugen, die bereit waren, an der Ausstellung teilzunehmen?

„Es war nicht einfach. Wir haben mit unseren Partnerorganisationen zusammengearbeitet. Erstens haben wir die Verantwortung für die Auswahl ihnen überlassen, weil sie sich in ihrem Land am besten auskennen. Es ist schwierig, Zeitzeugen zu finden, die Ja gesagt haben und bereit sind, darüber zu erzählen. Wir sind froh, dass wir sie vorstellen durften. Es ist meistens so, dass wir die Lebensgeschichte der Opfer kennen, aber weniger bekannt sind die Leute so zu sagen von der anderen Seite.“

Wie kamen Sie auf diese spezielle Gestaltung der Ausstellung, bei der man quasi in eine Wohnung rein schaut?

Foto: Martina Schneibergová
„Es ist einerseits eine praktische Sache: Wir haben nach einem Ausstellungsobjekt gesucht, mit dem wir durch Europa reisen könnten. Für die subtile Art entschieden wir uns andererseits aus dem Grund, weil man damals hinter verschlossener Tür gelebt hat. Und hier schaut man bei der Ausstellung in die Wohnung, in die Privatsphäre rein.“

In welchen Ländern wurde die Ausstellung inzwischen schon gezeigt?

„Wir haben in Stupava bei Bratislava angefangen. Danach wurde sie in Budapest, Wien, Warschau und in Roskilde in Dänemark gezeigt.“

Wie haben die Besucher reagiert?

Die Ausstellung mit dem Titel „Das Gedächtnis der Nation: Ja / Nein“ ist auf dem Prager Friedensplatz (Náměstí Míru) bis 19. Oktober zu sehen.

„In Wien waren wir am erfolgreichsten, dort wurde sie von mehr als 10.000 Menschen besucht. Insgesamt haben sie im Ausland rund 32.000 Besucher gesehen. Die Leute haben die Tatsache geschätzt, dass wir die damalige Zeit aus verschiedenen Perspektiven zeigen, dass wir zeigen, was die Menschen motiviert hat, das Regime zu unterstützen.“

Wird die Ausstellung auch in weiteren Ländern gezeigt?

Wir werden sie gern zur Verfügung stellen. Wenn jemand interessiert ist, können wir sie in einer anderen Stadt zeigen.“