Statue aus der Brünner Villa Tugendhat bei Sotheby´s versteigert
Stichwort "Villa Tugendhat". Vor einer Woche haben wir über dieses Kleinod der modernen Architektur, das auch in die Liste des UNESCO-Kulturerbes eingetragen wurde, berichtet: Der Stadtrat von Brno / Brünn habe überraschend entschieden, die vom Architekt Mies van der Rohe errichtete Villa solle an die Erben zurückgegeben werden. Zunächst aber an den Staat, der dann weiter in diesem Sinne handeln soll. Damit, dass die Rückgabe auf einem Umweg geschehen soll, sind aber nicht alle zufrieden. Seit Montag wird das Stichwort Tugendhat schon wieder in tschechischen Medien thematisiert, obwohl in einem anderen Zusammenhang.
Die Schwestern Tugendhat Danielle und Ruth haben nämlich ein Kunststück, das ihnen mittlerweile aus der ursprünglichen Inneneinrichtung der Villa zurückerstattet wurde, zur Versteigerung beim Londoner Auktionshaus Sotheby´s frei angeboten. Dort wurde der Torso einer Schreitenden, so der Name des Prachtstücks des deutschen Expressionismus, geschaffen 1914 von Wilhelm Lehmbrück, am Montagabend verkauft.
Laut Prognosen sollte sich der Preis zwischen 250,000 und 350,000 Pfund, also zwischen 371,000 und 520,000 Euro bewegen. Der unbekannte Kunstsammler hat aber alle Erwartungen übertroffen. Der Preis der Statue kletterte letzten Endes auf eine Million Pfund. Für die Mährische Galerie Brno, zu deren Depositar die Statue noch unlängst gehörte und an deren Ankauf sie auch interessiert war, war dieser Preis unerschwinglich.
Da die beiden Erbinnen die Rückerstattung der Statue im Herbst vergangenen Jahres unter anderem damit begründeten, sie möchten das Familienandenken zu Hause haben, hat ihre Versteigerung hierzulande Zweifel einiger Kunsthistoriker am künftigen Schicksal der Villa Tugendhat ausgelöst. Radek Horacek, Mitglied der gleichnamigen Stiftung, sieht in dem Verkauf von Lehmbrucks Statue den Höhepunkt der schlechten Kommunikation zwischen der Stadt und den Familienangehörigen:"Schuld daran ist die ganze Kommunität der Stadtvertreter und Experten, die nicht in der Lage waren, eine gemeinsame Sprache zu finden. Seit 1989 schafften sie es nicht, alle Kräfte zu mobilisieren, um die ganze architektonische Kostbarkeit zu retten."
Horacek schließt nicht aus, dass auch vier Stücke aus dem ursprünglichen Mobiliar der Villa, die sich noch im Besitz der Mährischen Galerie befinden, künftig von den Erben verkauft werden. Die Galerie beruft sich jedoch auf das Vorkaufsrecht.