Studie über Tschechen und Sudetendeutsche: Mehr Leute für eine Entschuldigung
Zu einem weiter entfernten Nachbarn hat man meistens ein besseres Verhältnis als zu dem Nachbarn unmittelbar neben an - so sagt man zumindest. Deshalb hat sich das Soziologische Institut der Akademie der Wissenschaften vor einigen Jahren zur Aufgabe gemacht, gerade im Grenzgebiet das Verhältnis der Tschechen zu den deutschen Nachbarn zu beobachten. Bara Prochazkova hat sich die neuesten Ergebnisse angeschaut.
Es würden weniger Tschechen den Sudetendeutschen ihr Eigentum zurückgeben und weniger Leute sind davon überzeugt, dass die Zusammenarbeit mit sudetendeutschen Organisationen die Schwierigkeiten in den bilateralen Beziehungen lösen könnte. So die Ergebnisse einer Meinungsumfrage unter der Bevölkerung auf der tschechischen Seite der gemeinsamen Grenze bezüglich der Verhältnisse zu den Sudetendeutschen, verglichen mit den Ergebnissen vor zwei Jahren. Die Ergebnisse sind positiv ausgefallen, resümiert der Leiter des Forschungsteams "Tschechisches Grenzgebiet", Vaclav Houzvicka:
"Bei den Ergebnissen ist für mich besonders ein Punkt in positivem Sinne markant, und zwar ein gewisser Rückgang in der Bewertung der konfliktreichen Vergangenheit, die regelmäßig als störendes Element in den deutsch-tschechischen Beziehungen auftaucht. Ich nenne das so: Die Vergangenheit bleibt, aber rückt immer weiter zurück. Die Untersuchungen zeigen, dass die tschechische Gesellschaft die Vergangenheit irgendwie toleranter wahrnimmt und sie nicht mehr als das Bedeutendste in den deutsch-tschechischen Beziehungen betrachtet. Darin steckt die positive Botschaft."
6,8 Prozent der 818 befragten Tschechen aus dem Grenzland ist der Meinung, dass die Rückgabe von Eigentum an die Sudetendeutschen ein Weg sei, die Probleme im gegenseitigen Verhältnis zu lösen. Vor zwei Jahren vertraten diese Meinung noch zwei Prozent mehr der Befragten, so Houzvicka:
"Die Rückgabe des Eigentums ist eine strittige Sache. Hier ist interessant, dass die Bevölkerung im Grenzgebiet in dieser Frage wesentlich toleranter war als die Leute im Binnenland. Insgesamt aber ist die Unterstützung dieses Weges nach gewissen Schwankungen nach oben bedeutend gesunken."Eine weitere Überraschung war in der Frage einer eventuellen Entschuldigung gegenüber den Sudetendeutschen zu beobachten, verrät Vaclav Houzvicka, der sich seit Jahren mit dem deutsch-tschechischen Verhältnis im Grenzgebiet befasst:
"Die größte Überraschung ist in diesem Punkt Mitte der 90er Jahre passiert. Die letzten Ergebnisse bestätigen auch diesen langfristigen Trend. Als der damalige Präsident Vaclav Havel eine Entschuldigung gegenüber den deutschen Antifaschisten ausgesprochen hat, war die Unterstützung der Öffentlichkeit nicht so groß, ungefähr ein Fünftel der Bevölkerung stellte sich hinter Havel. Danach kam es zu einer Wende und heute sprechen sich zwei Drittel der Bevölkerung für eine Entschuldigung aus. Heute sieht also die Mehrheit der tschechischen Gesellschaft in einer Entschuldigung einen Ausweg aus dem gegenseitigen Dilemma."