Tage des europäischen Kulturerbes in Prag
Von Martina Schneibergova.
Willkommen zum heutigen Spaziergang durch Prag, der anlässlich der "Tage des europäischen Kulturerbes" gesendet wird. Zum ersten Mal wurden sie 1984 in Frankreich als Tag der offenen Türen in historischen Objekten organisiert. In den folgenden Jahren wurden diese auch in weiteren europäischen Staaten veranstaltet. Die "Tage des europäischen Kulturerbes" als eine regelmäßige Veranstaltung wurden 1991 vom Europarat gegründet. Seitdem nimmt auch die Tschechische Republik an dieser europaweiten Kulturveranstaltung teil und bietet der Öffentlichkeit in verschiedenen Städten Tschechiens die Möglichkeit, historisch beachtenswerte Orte und Objekte, die sonst für die Öffentlichkeit geschlossen sind, zu besuchen.
Das ehemalige Krankenhaus zuden Barmherzigen Brüdern, das Vrtba-Palais, das Haus Zum grünen Frosch - dies sind nur einige der Objekte, die die Prager Besucher an diesem Wochenende ausnahmsweise besichtigen können. Die einzelnen Gebäude wurden vom Rat des ersten Prager Stadtbezirks mit Rücksicht auf deren Geschichte und ihren kunsthistorischen Wert ausgesucht, auch wenn die meisten davon in keinem Stadtführer beschrieben worden sind. In den folgenden Minuten möchten wir Sie in einige dieser Häuser einladen.
In unmittelbarer Nähe des Altstädter Rathauses befindet sich das Haus Zum grünen Frosch, das Bestandteil eines malerischen Gebäudeblocks ist, der mit seiner Form an ein Hufeisen erinnert. Dieser Gebäudekomplex beginnt mit der Straße U radnice, setzt sich mit dem neu benannten Franz-Kafka-Platz fort und endet mit der Mikulasska-Strasse.
Im Zusammenhang mit der Renovierung von zwei Nachbarhäusern - des Hauses Zum grünen Frosch und des Hauses Zu drei Trommeln entdeckten die Archäologen voriges Jahr im Hof des zuerst genannten Hauses Gräber, die aus dem 9. oder 10. Jahrhundert stammten. Ähnlich alte Grabstätten wurden bereits früher in der Dlouha- und der Celetna-Strasse gefunden. Aus dieser Zeit gibt es noch keine Beweise für die Besiedlung der späteren Altstadt. Die beim grünen Frosch entdeckten Gräber könnten nach Meinung der Archäologen mit der Besiedlung des anderen Moldauufers zusammenhängen.
Der Komplex der Rathausobjekte entstand allmählich inmitten eines großen Marktplatzes - des späteren Altstädter Rings. In der Nähe gab es jedoch noch ältere Marktplätze - den Kleinen Ring, den Linhart-Platz, an den heute nur noch der Straßenname erinnert, der Marienplatz oder der Nikolausplatz bei der alten Nikolauskirche, an dessen Stelle Kilian Ignaz Dientzenhofer 1737 die heutige Barockkirche erbaute. Alle anliegenden Marktplätze waren an alte Wege angeschlossen, die aus Richtung Vysehrad, Porici sowie Ungelt führten. Die Wege überkreuzten sich an einem Ort am Moldauufer, wo an einer Furt zuerst die Fähre und später auch eine Brücke errichtet wurde, über die der Weg zur Prager Burg führte.
Das Haus Zum grünen Frosch in der Strasse U radnice in der Altstadt wurde zum erstenmal im Jahre 1403 erwähnt. Es muss jedoch viel älter sein. Es entstand auf einem unregelmäßigen Grundstück durch den Umbau von zwei Häusern. Der frühgotische Kern des Gebäudes ist in dessen Nordteil erhalten geblieben. Im 17. Jahrhundert wurde das Haus umgebaut. Mit dem Hauszeichen - dem Frosch - ist die folgende Legende verbunden, die im Buch "Alte Prager Hauszeichen" zu lesen ist:
Es geschah am Abend am Donnerstag vor dem Palmsonntag im Jahre 1436. Schneider Marcias Lokytek hat zu Hause geheim geturnt, und zwar auf die Weise, dass er die Beine hinter dem Kopf verschränkte. Er turnte so geschickt, dass er seine Beine nicht mehr hinter dem Kopf hervor bekam. Als ihn die Dienerin sah, anstelle ihm zu helfen, rannte sie zum Nachbarn, der Herr sei von einem Frosch verschluckt worden. Daher das Hauszeichen. In der Straße U radnice gibt es noch ein Haus mit einem goldenen und ein mit einem schwarzen Frosch. Es ist durchaus möglich, das mehrere Nachbarn in dieser Straße Joga geturnt haben, auch kann es sein, dass schon damals die Stadtbürger die vorbeigehenden Touristen erschrecken wollten. Da Frösche vorwiegend im Nassen leben, gab es in diesem Haus schon immer eine Kneipe oder wenigstens eine Weinstube.
Unter den Objekten, die man anlässlich der "Tage des europäischen Kulturerbes" besichtigen kann, ist auch das ehemalige Kloster und Spital der barmherzigen Brüder. Der Komplex von alten sowie neueren Gebäuden des Krankenhauses Na Frantisku, dessen Bestandteil auch das ehemalige Kloster der barmherzigen Brüder ist, befindet sich in der Altstadt am Moldaufer - dort, wo bereits im Frühmittelalter ein bedeutender Weg von der Moldauinsel Stvanice errichteten Furt bis zur Furt unterhalb der Prager Burg führte. Dieser Weg war auch ein Teil des Fernwegs, der in der Ost-West-Richtung den Prager Kessel durchquerte. Seit dem 13. Jahrhundert stand an diesem Ort das Agneskloster und das etwas jüngere Kloster mit der Kreuzkirche.
Dort gründete der Altstädter Bürger Bohuslav von Olbramovice ein Spital bei der Simon und Juda-Kirche, die nach 1344 vom ersten Prager Erzbischof Arnost von Pardubice geweiht wurde. Das Spital wurde nach seinem Begründer "Bohuslavs Spital" genannt. Beim Spital entstand mit der Zeit auch eine Apotheke. Die Apotheke, die dort heute steht, nutzt die ursprünglichen historischen Räumlichkeiten aus. Bei der ehemaligen Pforte, wo die Apotheke steht, wurde einst Brei für Arme gekocht. Ein Friedhof war an dieser Stelle wie bei den meisten Kirchen in der Innenstadt bis 1784. Vor der Schlacht am Weißen Berg war das Spital in den Händen der Utraquisten, d. h. der Hussiten, die das Abendmahl in beiderlei Gestalt forderten. Ihren Gebetsraum hatte dort auch die Böhmische Brüdergemeinde.
Nach der Schlacht am Weißen Berg haben die barmherzigen Brüder das Spital einschließlich der Kirche für ihre Verdienste bekommen. Der ursprüngliche Orden entstand aus der Spitalbruderschaft im Krankenhaus, das im 16. Jahrhundert in Granada gegründet wurde. Die Bruderschaft nahm die Prinzipien des Hl. Augustin an, ihre Aufgabe bestand in der Krankenpflege. Das Ordenswappen ist ein Granatapfel, das Symbol der Stadt Granada.
Die barmherzigen Brüder aus dem Kloster in Valtice waren bei der Schlacht am Weißen Berg beteiligt. Mit ihnen war dort auch Gabriel Ferrary, ein berühmter Feldarzt, der Kaiser Ferdinands II. verletzte Hand rettete. Die barmherzigen Brüder nahmen sich des ihnen anvertrauten konfiszierten Spitals an und begannen es umzubauen. 1632 wurde eine neue Kirche eingeweiht, die alte Spitalkirche wurde zu medizinischen Zwecken umgebaut. Aus weiteren Gebäuden entstand der Konvent. Dank Spenden von reichen Adeligen und Stadtbürgern nach 1648 wurde der ganze Gebäudekomplex noch ausgebaut.
Die Tradition der Krankenpflege wird an diesem Ort seit dem 14. Jahrhundert bis in die Gegenwart aufrechterhalten. Einer der Vorgesetzten des Klosters war Pater Vincenc Forstner, der das Amt des kaiserlichen Kommissars für alle bürgerliche Krankenhäuser innehatte. Bis 1687 gab es dort nur zwölf Krankenbetten. In der Ärztebibliothek findet man eine Kopie eines wertvollen Stichs, der einen Blick in die damalige medizinische Einrichtung bietet. Zwar mussten die Patienten nicht im Stroh am Boden schlafen, doch Zweitbettzimmer standen auch noch nicht zur Verfügung.
Nach dem Umbau des vorderen Flügels gab es dort 1739 schon neunzig Betten. 1761 wurde dort ein Hörsaal für das Anatomiestudium errichtet. Unter Professor Arnold begann man 1784 im Krankenhaus Chirurgie zu unterrichten. Unter den Patienten des Krankenhauses war 1802 auch der führende
Vertreter der Bewegung der tschechischen nationalen Wiedergeburt, Josef Dobrovsky, um den sich der namhafte Arzt Jan Theobald Held kümmerte. Held war dreißig Jahre lang Chefarzt dieses Krankenhauses und bekleidete 1827 das Amt des Rektors der Karlsuniversität.
Die alten Spitalobjekte sind inzwischen mit den neuen Gebäuden am Moldauufer verbunden worden. Die Höhenunterschiede zwischen den einzelnen Objekten werden durch Auffahrtrampen überwunden. Man kann sagen, dass es sich bei diesem Krankenhaus um eine einzigartige medizinische Einrichtung im Zentrum der Hauptstadt handelt, in der es gelang, wertvolle historische Räumlichkeiten mit moderner Wissenschaft zu verbinden.