Theoretische Koalitionsvarianten

Foto: CTK
0:00
/
0:00

Seit 14h haben die Wahllokale geschlossen und mit Spannung werden die ersten Hochrechnungen erwartet. Sicher zu sein scheint nach allen Umfragen der letzten Wochen bereits vor Bekannt werden des amtlichen Endergebnisses Eines: keine der angetretenen Parteien kann voraussichtlich mit einer absoluten Stimmenmehrheit rechnen. Die entscheidende Frage, über die in den letzten Tagen und Wochen in Tschechien spekuliert wurde, lautete daher: Wer wird mit wem eine Koalition eingehen?

Foto: CTK
Radio Prag hat den Politologen Robert Schuster vom Prager Institut für internationale Beziehungen gefragt, welche Koalitions-Varianten am Wahrscheinlichsten sind. Egal welche der beiden größten Parteien - die regierenden Sozialdemokraten oder die oppositionellen Bürgerdemokraten - die meisten Stimmen erhalten: eine sehr wahrscheinliche Variante sei in jedem Fall eine große Koalition zwischen den beiden, meint Robert Schuster:

"Diese Koalition scheint jetzt momentan ausgeschlossen zu sein, weil die beiden großen Parteien sich gerade in den letzten Tagen vor der Wahl nichts geschenkt, sondern sich zum Teil heftig persönlich attackiert haben. Aber natürlich ist nach der Wahl immer alles anders, und da können dann gerade die Parteien zusammen gehen, die sich vorher massiv bekriegt haben. Zudem gibt es eine wichtige Parallele: Bei den Wahlen 1998 gab es ebenfalls einen sehr polarisierenden Wahlkampf zwischen Sozialdemokraten und Bürgerdemokraten und dennoch haben sich die beiden Parteien nach der Wahl geeinigt. Zwar nicht auf eine große Koalition, aber die Bürgerdemokraten haben eine sozialdemokratische Minderheitsregierung die ganze Legislaturperiode über toleriert. Das heißt, die beiden Parteien, die sich vorher unerbittlich gegenüber standen, haben dann nach der Wahl gemeinsame Sache gemacht."

Für den Fall, dass am Ende die Sozialdemokraten erneut als Sieger aus den Wahlen hervorgehen, wäre eine sozialdemokratische Minderheitsregierung unter Tolerierung der Kommunisten eine äußerst wahrscheinliche Variante, meint Robert Schuster:

Milos Zeman im Wahllokal  (Foto: CTK)
"Das ist ein Szenario, das von den führenden Sozialdemokraten schon seit langem favorisiert wird - beginnend mit Premierminister Jiri Paroubek, aber natürlich auch schon mit Milos Zeman, dem früheren Vorsitzenden, der nach wie vor einen sehr großen Einfluss auf das Innenleben der Partei hat. Und ich kann mir gut vorstellen, dass wenn sich die Sozialdemokraten letztendlich anders entscheiden würden und eventuell eine große Koalition eingehen würden oder sogar ein Bündnis mit den beiden kleineren Parteien, den Christdemokraten und den Grünen, schmieden würden, die zwar eine Mehrheit, aber nur eine knappe Mehrheit hätte, dass sich die Sozialdemokraten dann in einer ähnlichen Situation befänden wie bereits in den vergangenen vier Jahren: Sie könnten sich der Unterstützung ihrer eigenen, sozialdemokratischen Mitglieder nicht mehr sicher sein. Denn da war es ja immer so, dass die Sozialdemokraten das Gefühl hatten, sie können mit den beiden kleineren bürgerlichen Parteien keine akzentuiert linke Politik machen, das können sie nur mit den Kommunisten. Und deshalb ist dieser Ruf nach einer wenn auch indirekten Zusammenarbeit mit den Kommunisten sehr stark."