Theresienstadt: Internationales Musikzentrum nimmt Tätigkeit auf
Der Plan ist mutig: Das nordböhmische Terezin / Theresienstadt soll ein anderes Gesicht bekommen. Besonders im Ausland wird die heute 2000 Einwohner zählende Stadt meist mit dem Holocaust verbunden: Von 1941 bis 1945 hatten die Nazis Theresienstadt zu einem Ghetto gemacht. 35.00 Juden kamen hier ums Leben. Unter ihnen waren auch viele Musiker und Komponisten. Und an diese Tatsache will das Internationale Musikzentrum Theresienstadt, kurz Timuc anknüpfen, das diese Woche offiziell seine Tätigkeit aufgenommen hat. Timuc ist der erste Baustein in einem groß angelegten Projekt, das die Stadt in Zukunft wieder beleben soll.
"Ich hoffe, dass das Projekt nicht nur ein Traum bleibt, sondern mit wirklichem Leben und Taten gefüllt wird."
Dies sagte der Minister für europäische Angelegenheiten, Alexandr Vondra, am Mittwoch bei der Präsentation von Timuc im tschechischen Senat. Neben Vondra waren zahlreiche weitere Vertreter aus der Politik, aber auch aus der Kultur gekommen sowie Diplomaten aus Israel, Deutschland oder Frankreich. Denn die Erneuerung von Theresienstadt ist international ausgerichtet und nennt sich Europrojekt. Wie und was geschehen soll, erläutert der Bürgermeister der Stadt, Jan Hornicek:
"Es gab zwei Möglichkeiten: Entweder wird alles auf einmal realisiert. Das war unsere schönste Vision, die leider aber kaum zu realisieren ist. Die zweite Möglichkeit sind mehrere aufeinander folgende Schritte. Zu unserem Europrojekt sollen Bildung, Kultur, aber auch Sport gehören. Und wir haben bereits 2004 gesagt: Ja wir wollen auch ein Musikzentrum. Das ist ein Thema, das nach Theresienstadt gehört. Um Timuc zu gründen, haben wir uns in Deutschland in drei ähnlichen Einrichtungen umgesehen."
Das Musikzentrum macht den Anfang aller Projekte. In der ersten Phase werden hier vor allem Gastseminare sechs konkreter Universitäten von Tel Aviv bis Madrid angeboten. Erst später soll auch selbst eine Hochschule in Theresienstadt entstehen. Welches die Inhalte der Seminare sind, dazu Tomas Kvetak, der Leiter des Musikzentrums:
"Wir wollen an die Musikkultur erinnern, die es zur Zeit des Holocausts in Theresienstadt gab. Wir wollen aber auch die zeitgenössische Musik aus Europa und dem Rest der Welt präsentieren. Zur Musik kommen des Weiteren die bildenden Künste, Theater und Architektur hinzu, also wirklich künstlerische Tätigkeiten im weitesten Sinn des Wortes."
Kunst und Bildung, das bedeutet auch junge Menschen, die in die Stadt kommen. Und die braucht es dringend. Denn in Theresienstadt herrscht weiterhin lähmender Stillstand, der mehrere Gründe hat: die traurige Geschichte der Judenvernichtung, die immer noch auf der Stadt lastet, aber auch der Abzug des ehemals größten Arbeitgebers vor Ort, der tschechischen Armee, im Jahr 1996. Jan Hornicek beschreibt die Lage:
"Es leben dort viel zu wenig Menschen. Unternehmer können sich nicht über Wasser halten. Eigentlich müssen wir mehr Bewohner in die Stadt bekommen. Weil die Armee weggegangen ist, steht ein Drittel der Stadt leer. Gebäude, die ein Teil der Stadt sind, stehen leer. Wir brauchen neue Nutzungsmöglichkeiten für sie. Nur zu rekonstruieren und nachher nicht zu wissen, was man mit ihnen machen kann, ist Unsinn. Das ist also unsere Vision: Wir wollen die Stadt beleben, die Zahl der Einwohner erhöhen. Das wird den Effekt haben, dass die weiteren Schritte von selbst kommen."