Tod dem Winter – die Tradition der „Smrtholka“ in Hradec Králové

Foto: Autor

Draußen ist es bereits angenehm warm geworden. Vielleicht hängt es ja damit zusammen, dass vor kurzem nach slawischer Mythologie in vielen Orten Tschechiens die so genannte Morena ins Wasser geworfen oder verbrannt wurde. Morena ist eine in alte Kleider gehüllte Strohpuppe und symbolisiert Winter, Nacht und Tod. Dieses Brauchtum halten heute noch vor allem Folkloregruppen aufrecht.

Foto: Autor
Morena-Prozessionen sind ein alter slawischer Brauch, der noch aus heidnischen Zeiten stammt. Früher wurde er vor allem auf dem Land gepflegt. Heute wird das Ende des Winters auch in den Städten gefeiert - zum Beispiel im ostböhmischen Hradec Králové / Köngigrätz. Die Morena heißt hier allerdings Smrtholka – also das „Todesmädchen“. Iva Ondráčková ist Leiterin der Folkloregruppe Červánek und bestätigt die unterschiedlichen Namensgebungen in Tschechien:

Foto: Autor
„Der Name ist von der Region abhängig. In jedem Kreis benutzt man für die Figur, die den Winter darstellt, eine andere Bezeichnung. In Mähren ist es Morana oder Mařena, in Böhmen Smrtka, Smrtholka und auch Mořena oder Mařena.“

Im Tal der Elbe wird meistens die Bezeichnung Smrtholka verwendet. Dieses Jahr wurde die Morena-Prozession in Hradec Králové am Sonntag, dem 29. März, ausgerichtet. Warum aber gerade am 29. März und am Sonntag?

„Wie beim Karneval ist der Termin des Festes abhängig von Ostern. Der letzte Sonntag vor Ostern ist der Ostersonntag, eine Woche vorher ist der Palmsonntag und noch eine Woche vorher ist der Todessonntag. Und an diesem Todessonntag sollte man den Tod hinaustragen“, erläutert Ondráčková

Foto: Autor
Doch nicht überall wird der Termin streng eingehalten. In Náchod, kaum 30 Kilometer nördlich von Hradec Králové, wurde die Morena-Prozession später veranstaltet. Unterschiedlich sind aber nicht nur die Termine zum Hinaustragen der Strohpuppen - auch das Schicksal der Figuren unterscheidet sich von Ort zu Ort. In Ostböhmen landet die „Smrtholka“ im Fluss und wird unmittelbar ertränkt, in manchen anderen Gebieten wird sie erst verbrannt und dann ins Wasser geworfen. Wo es weder Fluss noch Bach gab, dort warf man sie von einem Felsen. Das Ritual hatte früher strenge Regeln. Die werden aber heute nicht mehr in gleicher Weise eingehalten, sagt Ondráčková.

Foto: Autor
„Früher achtete man darauf, dass nur Mädchen die Morena hinausgetragen haben. Heute nehmen auch Jungs daran teil. Bei uns beteiligen sich die Folkloregruppen daran und den Umzug begleiten viele Leute. Die Vorbereitung, das Skelett aus Stroh, das machen die Jungs. Das Anziehen ist eher Frauensache. Zuerst bekommt die Morena weiße Wäsche, dann ein Unterkleid, einen Rock und zuletzt einen Kittel. Wichtig ist der Kranz aus ausgeblasenen Eierschalen, die Vejdunek genannt werden. Mit diesem Kranz auf dem Kopf wird die Morena ins Wasser geworfen. Wir ziehen sie aber davor auch wieder aus. Denn die Kleidung kostet schließlich etwas. Es ist ein Ritual, die Puppe zu entkleiden, es soll ihr kalt sein. Und danach muss sie dann wegschwimmen.“

Foto: Autor
In Hradec Králové werden sogar zwei der Todesmädchen ins Wasser geworfen. Denn zwei Folkloregruppen pflegen den Brauch, zudem gibt es auch zwei Flüsse - die Elbe und die Adler. Die Puppen werden dann im Stadtpark Jiráskovy sady gemeinsam ins Wasser geworfen, denn hier befindet sich der Zusammenfluss der Elbe und der Adler. Der Trachtenumzug und die Zuschauer gehen also bis an die Stelle, von der aus man beide Flüsse erreichen kann.

Foto: Autor
Wenn die Smrtholka im Fluss gelandet ist, geht aber die Feier noch nicht zu Ende. Des Winters hat man sich zwar entledigt, nun muss aber auch der Frühling einziehen und auf den Sommer vorbereiten.

„Man wirft also die Morena ins Wasser. Danach sollten die Mädchen das so genannte Létéčko oder Lítíčko – auf Deutsch also Sommerchen - verzieren. Lítíčko ist eine kleine Birke. Das Bäumchen erhält Bändel und damit kehren dann die Mädchen in das Dorf zurück. Es stellt die Ankunft des neuen Lebens, des Frühlings dar. Die Mädchen tragen den Tod weg und bringen den Sommer“, sagt die Leiterin der Folklorekindergruppe Červánek.

Seit zehn Jahren pflegt Červánek bereits diesen alten Brauch. Noch bevor sich der Umzug auf den Weg zu den Flussufern macht, wird viel getanzt und gesungen. Daran beteiligen sich auch die Erwachsenen aus der Gruppe Dupák. Die meisten von ihnen waren früher einmal Červánek-Kindern.


Foto: Autor
Die Gruppen Červánek und Dupák aus Hradec Králové veranstalten in der Stadt auch andere volkstümliche Feiern. Zum Beispiel richten sie einen Karneval aus oder verschiedene Veranstaltungen vor Weihnachten. Im Herbst dieses Jahres feiert die Gruppe Červánek ihr 30-jähriges Bestehen, dazu gibt es ein spezielles Konzert und auch eigene DVD. Doch die nächste Veranstaltung ist im Mai:

„Es ist das Aufstellen des Maibaumes, das am 2. Mai im Areal Šrámkův statek stattfindet. Am Vormittag werden wir in der Fußgängerzone von Hradec Králové auftreten, damit wir die Leute darauf aufmerksam machen und am Nachmittag stellen wir den Maibaum auf. Das ist ein schöner Brauch. Da helfen uns die starken Männer aus der Gruppe Dupák. Denn die Kinder würden den Baum nicht aufrichten können. Dazu haben wir Besuch von einem slowakischen Ensemble, von der Gruppe Ďumbiér aus Liptovský Mikuláš. Sie ist schon seit zehn Jahren unser Partner. Wir veranstalten vieles gemeinsam. Die Zuschauer werden sich auf ihre Kosten kommen, denn die Slowaken sind temperamentvoller. Eine etwas andere Folklore also. Es wird sicher schön.“

Im Übrigen wird der Maibaum aus rein organisatorischen Gründen erst am 2. Mai aufgestellt. Normalerweise werden die Maibäume in Tschechien – genauso wie in Baden oder Schwaben - bereits am Abend des 30. April aufgestellt. Wie auch immer: Auch beim Aufstellen des Maibaumes im Areal Šrámkův statek in Hradec Králové kann man sich auf tschechische Volkslieder und Volkstänze freuen.