Tod und Paradies - der unbekannte Max Brod

Max Brod

Max Brod, das ist der Freund von Franz Kafka, der Schriftsteller, Publizist und unermüdliche Förderer des Kultur- und Musiklebens. Es gibt aber auch einen unbekannten Max Brod: den feinfühligen Komponisten, der ein zwar nicht umfangreiches, aber ausdrucksvolles musikalisches Werk hinterlassen hat. Um diese Seite des Vielfachtalentes Max Brod ging es in der vergangenen Woche in einer Veranstaltung des Prager Literaturhauses deutschsprachiger Autoren. Der aus Deutschland stammende israelische Komponist und Hochschullehrer Tzvi Avni, geboren 1927 in Saarbrücken, stellte das musikalische Schaffen Max Brods vor.

"Max Brod ist ein Lyriker. Seine Musik ist lyrisch im tiefsten Sinn, und er strebt auch danach, etwas Jüdisches auszudrücken.

In seinem Quintett für Streicher und Klavier kommt das gut zum Ausdruck. Obwohl das Quintett ´Elegie dramatique´ heißt, ist doch das Elegische, das mehr Lyrische der Hauptklang des Stückes."

38 Opusnummern umfasst das musikalische Oevre von Max Brod - Rhapsodien, Stücke für Klavier, vor allem aber Lieder und Liederzyklen. Seine Werke hat Brod noch gegen Ende seines Lebens selbst geordnet. Tzvi Avni, selbst Komponist, befasst sich seit langem mit dem musikalischen Schaffen von Max Brod.

"Für ihn war es, glaube ich, sehr wichtig, auch als Musiker zu schaffen. Als Sechsjähriger hat er angefangen, Klavier zu spielen, und später war die Musik ein wichtiger Teil von seinem Leben - als Komponist, als Kritiker und auch als Librettist. Er hat ja auch das Libretto zu Janaceks Jenufa auf Deutsch übersetzt! Ich glaube, für ihn waren seine Kompositionen sehr wichtig!"

"Max Brod war ein Musik-Profi, auch wenn die Literatur für ihn das Wichtigste war. Zumeist hat er Lieder geschrieben, und er war sehr beeinflusst von den Texten. Weil er ja selbst Schriftsteller und Poet war, war es klar, dass der Text für ihn sehr wichtig ist. ´Tod und Paradies´ sind zwei Lieder nach Texten von Kafka. Franz Kafka stand Brod nicht nur als Freund und Schriftsteller nah, sondern auch als Quelle für Inspiration. Das Lied fängt mit sehr kafkaischen Worten an:"

Im trüben Sinn schlägt eine Uhr.

Höre auf Sie, wenn Du eintrittst ins Haus.

"Die Klänge, der langsame Gang, eine gespannte Atmosphäre, ein wenig wie nach Mahler - das ist typisch für Brod."

Träume und weine, armes Geschlecht.

Findest den Weg nicht,

hast ihn verloren.

"Im Laufe seines Lebens hat Brod immer komponiert. Hier in Prag hat er angefangen, in Israel hat er weiter komponiert, und er hat dort sogar ein jemenitisches Lied für das Klavier bearbeitet. Und dabei ist er ein ganz anderer Max Brod! Er nimmt diese Melodien und probiert etwas ganz anderes; sucht nach einer viel weniger harmonische Atmosphäre des Klaviers, und wird stattdessen mehr rhythmisch und orientalisch!"

Die Musik des Orients und der jüdischen Diaspora verschmelzen hier zu einer israelischen Musik. Die Schaffung einer israelischen Nationalmusik - das war ein Gedanke, der Brod stark bewegt hat. Und wohl auch ein spätes Erbe seiner böhmischen Heimat, wo noch zur Zeit seiner Geburt in den 1880er Jahren Dvorak und Smetana um eine tschechische Nationalmusik gerungen haben.

"Max Brod hat 1951 ein Buch geschrieben über die Musik Israels, und dort schreibt er im Vorwort, dass er noch 1916 noch nicht an nationale Musik geglaubt hat. Das hat sich bei ihm erst allmählich entwickelt. Und er sagt noch etwas besonderes, nämlich dass nationale Elemente nicht gegen die Internationalität der Musik stehen - das ist kein Gegensatz! Die nationalen Elemente können Teil der universalen Musik sein. Und er bringt dort auch die Beispiele Dvorak und Smetana und sagt, dass dasselbe auch in der israelischen Musik passieren kann."

"Brod schreibt in seinem Buch, dass der Aufbau einer typischen israelischen Musik auch viel von der Folklore übernehmen kann - nicht als Zitat, aber indem der Sinn der Folkore abgeschaut wird. In seinen Klaviersuiten gibt es dazu einen Tanz, ´Galil´, das heißt Galiläa."

"Brod sagt es selbst: Die Musik hat für ihn einen tiefern Sinn als die Worte. Die Klänge sind für ihn wichtiger als die Worte, denn die Worte versagen manchmal."

Beruf und Berufung bleibt für Max Brod die Literatur. Die Musik aber ist der Ausdruck seines Herzens - ein Instrument, auf dem er Bewundernswertes leistet, auch wenn es sich ihm nicht vollständig öffnet.

"In der Literatur waren seine Ambitionen wohl größer. In der Musik waren seine Fähigkeiten letztlich beschränkt. Aber er wusste das, und er wusste, dass er keine großen Symphonien schreiben kann wie etwa die Mahler-Symphonien, die sein großes Ideal waren. Er wusste um seine Beschränkungen, aber ich glaube, seine Musik ist sehr echt und tiefsinnig, und ich glaube, er war sehr ernst in seinen Intentionen."