Tor in die Zukunft - der Heilige Abend im böhmischen Volksglauben

Фото: Архив Радио Прага

Rund um das Weihnachtsfest spinnen sich in Böhmen und Mähren viele alte Bräuche und Traditionen. Einige davon stellen wir Ihnen auch in Internet-Adventskalender von Radio Prag vor. Besonders zahlreich und geheimnisvoll sind die alten Schicksalsorakel, mit denen die Menschen einstmals einen Blick in die Zukunft zu erhaschen hofften. Noch heute werden sie gepflegt, wenn auch meist nur zu Unterhaltung. Thomas Kirschner hat dazu den Volkskundler Bohuslav Salanda befragt.

"Der Heilige Abend hat im Volksglauben eine enorme Kraft, da er einen Wendepunkt bildet. Die Weihnachtsnacht ist in der christlichen Tradition voller Mysterien und Geheimnisse, und noch dazu liegt sie an der Wintersonnenwende. Gerade solche Punkte des Umbruchs erlauben im Volksglauben einen Blick in die Zukunft."

Bohuslav Salanda, der Leiter des Lehrstuhls für Folkloristik an der Prager Karlsuniversität, zählt gleich eine ganze Reihe von weihnachtlichen Zukunftsorakeln auf, die in den böhmischen und mährischen Volksbräuchen zu finden sind. Die magischen Elemente Feuer und Wasser verbinden sich in dem Brauch, dass jedes Familienmitglied eine Nussschale mit einer Kerze in einer großen Wasserschüssel aussetzt.

"Hier geht es um eine Vorhersage darüber, was aus der Familie wird. Wenn die Schiffchen beieinander bleiben, dann bleibt auch die Familie zusammen. Wenn sie sich aber trennen und zum Rand der Schüssel schwimmen, dann ist das ein unheilvolles Vorzeichen, dass es zu Änderungen kommen wird."

Auch heute noch eine beliebte Weihnachtsunterhaltung ist das althergebrachte Apfelorakel. Dabei wird ein Apfel quer aufgeschnitten. Bilden die Kerne im Gehäuse einen Stern, dann darf man im kommenden Jahr auf Glück hoffen, erklärt der Ethnologe Salanda:

"Diese Sache ist allerdings mitunter nicht ganz ohne, denn wenn man im Kerngehäuse keinen Stern findet, sondern ein Kreuz, dann kann das schon zu psychischen Belastungen führen. Aber meistens ist es zum Glück doch ein Stern."

Wem solche Versuchungen des Schicksals doch zu heikel sind, der findet vielleicht mehr Freude an einem anderen Brauch, an den sich eine junge Pragerin noch aus ihrer Kinderzeit erinnert:

"Als wir klein waren, sind wir mit den Eltern am Tag der Heiligen Barbara nach draußen gegangen und haben Kirschzweige gesucht. Die haben wir dann zu Hause ins Wasser gestellt. Am Heiligen Abend haben wir dann nachgeschaut, ob die Zweige aufgeblüht sind. Wenn das so war, dann sollten unsere Wünsche in Erfüllung gehen."