„Transformieren statt abreißen“ – Tag der Architektur
Kleinode der Architektur sowie kaum bekannte Gebäude, die dank Instandsetzungen wiederbelebt wurden, werden beim bevorstehenden Festival der Architektur in zahlreichen Städten in Tschechien und der Slowakei präsentiert. Das Festival mit dem Titel „Tag der Architektur“ wird am 30. September eröffnet. Allein in Prag stehen über 100 Veranstaltungen auf dem Programm.
Das Festival der Architektur findet unter dem Motto „Nebourej, transformuj“ statt – zu Deutsch etwa „Transformieren statt abreißen“. Václav Suchan leitet die Produktion des „Tags der Architektur“. Er erklärte, die Veranstalter seien davon überzeugt, dass es in der Gegenwart notwendig ist, die Nachhaltigkeit in der Architektur und allgemein im Bauwesen zu betonen:
„Denn beispielsweise in Tschechien entstehen 48 Prozent Müll im Bauwesen. Wir möchten während des Festivals auf gelungene Umgestaltungen und Transformationen von Gebäuden aufmerksam machen.“
In Prag gibt es gleich mehrere Beispiele für derartige Umgestaltungen. Einige davon werden die Festivalveranstalter der Öffentlichkeit in den nächsten Tagen präsentieren. Václav Suchan dazu:
„Ich würde beispielsweise den Langhans-Palast in der Straße Vodičkova empfehlen. Dieser wurde von Architekt Ladislav Lábus sehr gut rekonstruiert. Die ursprüngliche Struktur des Gebäudes wurde durch einen Anbau auf dem Dach ergänzt, der an die alten Fotoateliers erinnern soll. In diesem Haus hatte das Fotografieunternehmen Langhans seinen Sitz. In der Gegenwart befindet sich dort das Geschäft FotoŠkoda. Ein weiteres Beispiel für eine gelungene Rekonstruktion stellt das Haus Na Skále in der Straße Truhlářská dar. Das Atelier Kava hat das historische Gebäude in ein Freizeitzentrum umgestaltet, das dem ersten Prager Stadtbezirk dient. Die historischen Schichten wurden dort seit der Gotik bis zum Barock freigelegt. Es wurde auch ein modernes Treppenhaus erbaut. Dieses passt wunderbar in das historische Umfeld.“
Die Besucher können die beiden Gebäude während des Festivals besichtigen. Es werden auch Führungen mit Experten durch die Häuser organisiert, die Teilnehmerzahl ist jedoch beschränkt und die Plätze müssen im Voraus reserviert werden.
Zu den Gebäuden, die in Prag in den nächsten Tagen für die Öffentlichkeit zugänglich sind, gehören auch einige Häuser auf dem Wenzelsplatz – darunter die Räumlichkeiten des Theaters Rokoko und des Hotels Juliš. Václav Suchan:
„Es gibt Führungen durch die normalerweise nicht zugänglichen Räumlichkeiten im Kino Světozor (Straße Vodičkova, Anm. d. Red.). Ich möchte noch auf die Möglichkeit aufmerksam machen, die Salons und Säle des Repräsentationshauses (Obecní dům, Anm. d. Red.) zu besuchen, die nur gelegentlich geöffnet sind. Dafür ist keine vorherige Reservierung notwendig. Von den weiteren weniger bekannten und dennoch beachtenswerten Häusern würde ich das Dům zemědělské osvěty (Haus der landwirtschaftlichen Aufklärung) empfehlen sowie einen Besuch im Atelier des Bildhauers Ladislav Šaloun, das sich an der Grenze zwischen Vinohrady und Vršovice befindet.“
Die Festivalveranstalter schenken in einer selbständigen Programmsektion der tschechischen Architektin Alena Šrámková (1929–2022) Aufmerksamkeit, die als „First Lady der tschechischen Nachkriegsarchitektur“ gilt.
„Alena Šrámková ist im Frühjahr gestorben. Wir stellen einige ihrer Werke vor. Dazu gehört das Gebäude der Fakultät der Architektur der Tschechischen Technischen Universität im Prager Stadtteil Dejvice. Die Besucher können das Haus besichtigen. Des Weiteren zeigen wir drei Familienhäuser, die Šrámková entworfen hat: das eine steht in Troja und die anderen beiden in Černošice und in Dolní Jirčany nahe von Prag. In allen drei Villen wohnen normal Menschen und dies ist eine einzigartige Gelegenheit, hinein zu schauen. Und schließlich wird das Bildhaueratelier von Věra und Vladimír Janoušek in Košíře zugänglich sein. Das ist ein völlig unbekannter Bau, der sich im Wald oberhalb von Kotlářka befindet. Das Atelier wurde von Josef Hrubý erbaut, der sich am Entwurf des tschechischen Pavillons für die Expo 58 in Brüssel beteiligte. Alena Šrámková baute das Atelier um. In diesem Jahr wird es nach einer Rekonstruktion wiedereröffnet. Die Umbauarbeiten wurden von Lukáš Ehl durchgeführt, einem Mitarbeiter von Alena Šrámková.“
Ehl wird persönlich durch das rekonstruierte Atelier führen. Ein Spaziergang auf den Spuren der renommierten Architektin findet am Freitag statt. Der Architekturhistoriker Rostislav Švácha zeigt den Teilnehmern dabei unter anderem das Haus Na Můstku sowie das Einkaufszentrum im Stadtteil Lužiny.
Im Fokus des Festivals steht nicht nur das Werk der tschechischen Architektin Alena Šrámková, es wird auch an die Arbeit des slowenischen Architekten Jože Plečnik in der tschechischen Hauptstadt erinnert. Am bekanntesten ist zweifelsohne die Prager Herz-Jesu-Kirche auf dem Platz Jiřího z Poděbrad, die nach seinen Entwürfen gestaltet wurde. Neben einer Führung durch den monumentalen Sakralbau wird in der Kirche die Jazz-Komposition „Huldigung an Jože Plečnik“ von Emil Viklický erklingen. Der renommierte tschechische Jazzmusiker ließ sich durch die Korrespondenz von Plečnik mit Alice Masaryková inspirieren. Plečnik hatte jedoch auch bedeutenden Anteil am Umbau der Prager Burg. Václav Suchan:
„Auf der Burg arbeitete Plečnik auf Einladung von Präsident Masaryk. Dort werden mehrere Führungen organisiert, einige davon auch auf Englisch. Ein Rundgang heißt ,Mit Plečnik in die Gärten‘. An der Hochschule für Kunstgewerbe wird zudem der dortige Rektor Jindřich Vybíral einen Vortrag über Plečnik halten.“
Das EU-Parlament hat das Jahr 2022 zum „Jahr für grünere Städte“ erklärt. Auch dieses Thema wird im Programm des Festivals aufgegriffen. Dazu gebe es einige Spaziergänge durch die Hauptstadt, merkt Suchan an:
„Ich möchte auf den Spaziergang durch die Landschaftsarchitektur im Stadtteil Žižkov aufmerksam machen. Zudem wird die Architekturtheoretikerin Jana Tichá die Interessenten durch moderne Gärten und Parkanlagen auf der Kleinseite führen. Des Weiteren wird die Bahnpromenade in Vršovice vorgestellt. Das Projekt wird erst noch ausgearbeitet. Anstelle eines nicht mehr genutzten Bahnabschnitts soll ein Park entstehen, der Vršovice mit Strašnice verbinden wird.“
Mehrere Veranstaltungen werden sich auf der Moldauinsel Štvanice abspielen. Laut Suchan konzentrieren sie sich auf bereits realisierte sowie noch geplante Umwandlungen der Insel…
„Es entsteht dort ein Steg, der die Insel mit Holešovice und mit Karlín verbinden wird. Geplant sind zudem weitere Änderungen, die den Aufenthalt in dieser etwas vergessenen grünen Oase inmitten der Hauptstadt angenehmer machen sollen. Im Rahmen des Festivals machen wir auch die Villa Štvanice zugänglich, wo sich eine Theaterbühne befindet. Für die Öffentlichkeit wird zudem das kleine Wasserkraftwerk geöffnet. Es ist ein sehr interessantes Industriegebäude, das im Jugendstil erbaut wurde.“
Das Festival „Tag der Architektur“ findet vom 30. September bis 6. Oktober statt. Mehr erfahren Sie unter www.denarchitektury.cz