Trotz Schneemangels: Weltcup in Liberec und Biathlon-EM finden statt

Der fehlende Schnee wurde von den Gipfeln des Isergebirges nach Liberec transportiert

Der Weltcup der Skilangläufer und Nordisch Kombinierten im nordböhmischen Liberec, die Europameisterschaften der Biathleten im mährischen Nové Město na Moravě – in Tschechien stehen große internationale Wintersport-Veranstaltungen ins Haus. Aber sind sie überhaupt durchführbar bei dem derzeit eher frühlingshaften Wetter?

Ještěd  (Foto: Barbora Kmentová)
„Wir benötigen zirka 10.000 Kubikmeter Schnee für eine 2,5 Kilometer lange Loipe. Wir wissen auch schon, von wo wir uns diesen Schnee holen werden. Wir haben aber noch weitere Probleme zu lösen. An einigen Stellen der Strecke müssen wir zum Beispiel Stroh auslegen, weil dort die Erde besonders lehmig ist.“

Diese Sorgen plagten Kateřina Neumannová, die ehemalige Weltklasse-Skilangläuferin und heutige Organisationschefin der Nordischen Ski-WM 2009, noch vor einer Woche, als es galt, die anstehenden Weltcup-Konkurrenzen im WM-Ort Liberec / Reichenberg bestmöglich vorzubereiten. Das Problem: Wegen des milden Winters mit Tagestemperaturen, die ständig über dem Gefrierpunkt liegen, fehlt es in Lagen unter 900 Meter Seehöhe weitgehend an Schnee. Und die Langlaufstrecke in Vesec bei Liberec liegt nicht einmal 500 Meter über dem Meeresspiegel…

Kateřina Neumannová  (Foto: ČTK)
Als Ausrichter der WM-Titelkämpfe im nächsten Jahr hat das nordböhmische Liberec auch die Verpflichtung, den Skilangläufern, Skispringern und Nordisch Kombinierten die WM-Anlagen ein Jahr vorher zum wettkampfmäßigen Test anzubieten. Also in diesem Winter. Trotz personeller Querelen im Sommer 2007 und trotz häufiger Komplikationen bei Bau und Finanzierung der Anlagen konnten die WM-Organisatoren Mitte Januar gemeinsam mit den Stadtvätern von Liberec verkünden, dass die Wettkampfstätten rechtzeitig fertig wurden. Kateřina Neumannová erklärte:

„Ich bin sehr zufrieden mit dem Langlaufareal in Vesec. Es ist nagelneu und für den Weltcup vorbereitet. Weitaus mehr Sorgen bereitet mir das Skisprungareal am Jeschken, denn in das ist ein drittes Objekt involviert, was zu Komplikationen führt. Es ist der Betreiber der dortigen Skipisten, die Firma Snowhill, die versucht, uns das Leben eher schwer zu machen als uns zu helfen. Doch was die sportlichen Belange betrifft, so kann ich sagen: Beide Anlagen sind für die Wettkämpfe vorbereitet. Im Skisprungareal allerdings werden ab Frühjahr noch die Zuschauerränge ausgebaut und verbessert.“

Ondřej Červinka, der stellvertretende Bürgermeister von Liberec für Bildung, Sport, Kultur und Reiseverkehr, bestätigte:

„Wir hatten wirklich jede Menge Arbeit. Im Jahr 2004, als wir den WM-Zuschlag erhielten, standen wir vor der großen Aufgabe, zwei WM-taugliche Anlagen errichten zu müssen. Das Skisprungareal am Jeschken gab es zwar bereits, und eine gewisse Infrastruktur war auch vorhanden, doch beides musste grundlegend modernisiert und ausgebaut werden. Das Langlaufareal in Vesec hingegen haben wir de facto auf der grünen Wiese errichtet. Uns ist es aber gelungen, alle 34 Bauten, die zur Durchführung der Wettkämpfe in Vesec und am Jeschken erforderlich sind, rechtzeitig fertig zu stellen. Gut, einige Details müssen wir noch nach dieser Saison zu Ende bringen, doch für den Kontinental-Cup im Januar und den Weltcup im Februar sind die Anlagen aus unserer Sicht präpariert.“

Der fehlende Schnee wurde von den Gipfeln des Isergebirges nach Liberec transportiert  (Foto: ČTK)
Das waren sie in der Tat im Januar, als der für Zuschauer und Medien wenig attraktive Kontinental-Cup über die Bühne ging. Für die beiden Weltcup-Konkurrenzen im Skispringen wurden die Sorgenfalten schon etwas größer, denn Schneemangel und Windböen waren zwei unliebsame Begleiter bei den am vergangenen Wochenende absolvierten Sprungläufen. Trotzdem: Die Schanzenanlage am Jeschken hat ihre WM-Generalprobe bestanden. Zum Kardinalproblem der letzten Tage aber entwickelte sich die Langlaufloipe, denn: es gab keine. Die für die Jahreszeit viel zu warmen Temperaturen hatten dafür gesorgt, dass die Anlage rund um Vesec nur von braunem Lehm und erstem Grün umgeben war anstatt von weißem Schnee. Deshalb empfahl Vladimír Vršovský von der Verwaltung des Naturschutzgebietes Isergebirge unmissverständlich:

Der fehlende Schnee wurde von den Gipfeln des Isergebirges nach Liberec transportiert  (Foto: ČTK)
„Meiner Meinung nach sollte die Strecke nicht präpariert und der Wettbewerb abgesagt werden, denn in Vesec herrscht Frühling. Aber das ist nur meine Meinung als Bürger.“

Allerdings. Denn der Meinung von Vršovský und weiteren Naturschützern steht das Ultimatum der Internationalen Skisport-Föderation (FIS) an die Veranstalter in Liberec gegenüber, die WM-Generalprobe unbedingt gewährleisten zu müssen. Andernfalls, so die FIS, könne der Jeschkenstadt das WM-Austragungsrecht noch entzogen werden. Vor dem Hintergrund dieses Drucks, aber auch aus eigenem Willen, sich als fähige Gastgeber zu zeigen, hatten die Verantwortlichen um Kateřina Neumannová beschlossen, den zur Durchführung eines Mindestmaßes an Wettkämpfen erforderlichen Schnee von den Gipfeln des Isergebirges anzukarren. Seitdem wurden in den vergangenen Nächten rund 4000 Kubikmeter Schnee per Lkw in Vesec antransportiert. Nicht alle der 150 Lkw-Fuhren aber seien vorschriftsmäßig abgetragen worden. Einige der Laster hätten die festen Wege verlassen und Teile des Naturschutzgebiets zerstört, monierten die Umweltschützer und forderten Regress. Zdeněk Soudný, der Sprecher des Weltcup-Organisationsstabs, hielt dem entgegen:

„Wie handeln nach den Vereinbarungen, die wir zum Beispiel mit dem Direktor des Naturschutzgebietes Isergebirge getroffen haben. Wir sind daher nicht der Auffassung, dass wir ein Gesetz verletzt haben. Uns droht also keine Geldstrafe.“

In dieser Angelegenheit ist das letzte Wort aber noch nicht gesprochen. Bleibt daher zu konstatieren: Egal, wie gut die Veranstalter in Liberec die Weltcup-Wettbewerbe der Nordischen Kombinierten und der Skilangläufer an diesem Wochenende austragen werden, ein bitterer Beigeschmack bleibt zurück. Und ein nicht minder schlechter Vorgeschmack auf das, was den WM-Gastgebern im nächsten Winter blühen kann, sollte auch dieser so warm und schneearm werden.


Nur eine Woche nach den Weltcup-Wettbewerben in Liberec will bereits der nächste tschechische Wintersport-Veranstalter ins Rampenlicht treten – das Skilaufareal in Nové Město na Moravě. Bekannt geworden sind die Mähren durch die jährliche Ausrichtung der Langlaufkonkurrenz „Goldener Ski“, die seit längeren auch ein Bestandteil des Weltcup-Kalenders ist. Jetzt aber wollen die Veranstalter des kleinen Ortes auf der Böhmisch-Mährischen Höhe so richtig angreifen, denn vom 20. bis 24. Februar werden sie die Europameisterschaft im Biathlon ausrichten. Dem Schneemangel, der auch ihre Region nicht verschont hat, werden sie mit Kunstschnee begegnen, den sie in jeder frostigen Nacht, die sie noch haben, erzeugen werden. Die Europameisterschaft wollen sie um jeden Preis durchführen, koste es was es wolle, erklärte der Chef des Organisationsausschusses, Jiří Hamza:

„Das Geld dafür müssen wir auftreiben, selbst wenn wir dadurch ein finanzielles Minus machen sollten. Die Europameisterschaft aber muss stattfinden. Wenn uns der Schnee auf einigen Teilstücken abschmelzen sollte, müssen wir notfalls die Struktur der Strecken ändern. Nach unserer Begehung am Sonntag sind wir jedoch der Meinung, dass die Loipen halten werden, auch wenn einige Abschnitte feucht oder schmutzig sein werden. Aber ich vergleiche das mit unserer Situation beim ´Goldenen Ski´ vor drei Jahren, als sich alle vor der Entscheidung gedrückt haben. In der Verantwortung blieben die Jüngsten, und wir haben damals entschieden: Die Veranstaltung findet statt. Die Rennen sind dann auch ausgetragen worden. Letztlich fiel zwei Tage vorher noch 20 Zentimeter Neuschnee, und es sah für alle so aus, als ob es nie Probleme gegeben hätte.“

Vor eigenem Publikum wollen dann auch die tschechischen Biathleten möglichst an ihre guten Leistungen aus dem Vorjahr anknüpfen. Allen voran Michal Šlesingr, der Silber- und Bronzemedaillengewinner der WM in Antholz. Bei der diesjährigen WM im schwedischen Östersund verfehlte er das Podest nur knapp – er wurde Sechster im Sprint und Fünfter in der Verfolgung, bei der er aus seiner Sicht vor allem am Schießstand überzeugte:

„Ich habe mich heute nicht allzu gut gefühlt, so dass ich in der Loipe nicht sonderlich gut war. Gott sei Dank habe ich mich am Schießstand gut im Griff gehabt und alles getroffen. Aber so ist das halt im Biathlon: Wenn man in der Loipe nicht schnell vorankommt, dann muss man wenigstens gut schießen!“

Autor: Lothar Martin
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