Tschechen aus dem Grenzgebiet fahren zu Einkäufen nach Österreich

zavareniny1.jpg
0:00
/
0:00

Die Europäische Union und die Globalisierung - dies sind zwei Begriffe, mit denen sich die tschechischen Bürger in den zurückliegenden Wochen und Monaten immer häufiger auseinandersetzen mussten und müssen und die am Beginn dieser Auseinandersetzung eher Argwohn und Verdruss als Hoffnung und Jubel ausgelöst haben. Aber die meisten Tschechen denken inzwischen von Tag zu Tag europäischer. Sehr deutlich wird die gelebte europäische Kooperation im tschechisch-österreichischen Grenzgebiet und dabei ganz besonders in den Grenzstädten Ceske Velenice und Gmünd. Weshalb das so ist, dazu Näheres von Lothar Martin.

Zwei Städte, die in ihrer älteren Geschichte schon einmal zusammengehörten, kommen sich seit dem Wegfall des Eisernen Vorhangs und erst recht seit dem EU-Beitritt der Tschechischen Republik vor gut zehn Monaten immer näher: das kleinere Ceske Velenice auf der südböhmischen und das größere Gmünd auf der niederösterreichischen Seite. Unter dem enormen Konkurrenzdruck der Globalisierung hat man besonders diesseits und jenseits der Grenze begriffen, dass man sich näher ist als man denkt, dass man sich braucht und dass man voneinander Nutzen haben kann. Und so ist es mittlerweile schon keine Sensation mehr, dass die Tschechen, die im grenznahen Raum wohnen, vermehrt in Österreich einkaufen, weil es dort preiswerter ist als zu Hause und weil das Angebot stimmt. Erwin Kreuzwieser, der Geschäftsführer der Arge Grenznutzen, nannte uns weitere Gründe für diesen Einkaufsboom:

"Ich glaube, die tschechischen Kunden in Österreich sind sich sehr bewusst, dass Einkauf ein schönes Erlebnis sein kann. Sie kaufen in erster Linie, weil sie sehr gute Qualität zu günstigen Preisen kriegen, die oft niedriger als in Tschechien sind. Der zweite Grund ist das Einkaufserlebnis selbst. Die Stärken der österreichischen Betriebe liegen da in etwa beim Service, bei den Garantien, beim Entgegenkommen, der Kundenfreundlichkeit und dergleichen."

Dass man als tschechischer Bürger in Gmünd gut und preiswert einkaufen kann, bestätigte Radio Prag gegenüber auch die Managerin des Grenzüberschreitenden Impulszentrums, Marketa Popelova:

"Ja, ich kann das bestätigen. Dies trifft vor allem für die unmittelbaren Grenzgemeinden und in ganz besonderem Maße für die Städte Ceske Velenice und Gmünd zu. Ich persönlich kaufe wie viele andere Einwohner von Ceske Velenice fast alles in Gmünd. Und dies nicht nur deswegen, weil das dortige Angebot einfach größer ist, sondern weil dort auch Vieles billiger ist. Das erste größere Einkaufszentrum in Tschechien liegt 60 Kilometer von unserer Stadt entfernt in Ceske Budejovice/Budweis. Daher ist es für die Einwohner von Ceske Velenice bequemer nach Gmünd zu fahren, denn das sind nur zehn Minuten. Ich weiß mit Sicherheit, dass wir Tschechen in Gmünd insbesondere Lebensmittel kaufen, da sie hier billiger und in größerer Auswahl vorhanden sind."

Erwin Kreuzwieser nennt jedoch noch ein weiteres Phänomen, weshalb inzwischen Tschechen verstärkt in Österreich und Österreicher auch immer öfter in Tschechien einkaufen:

"Ich glaube durch die Globalisierung sind die Preise so international, dass man heute eigentlich nicht mehr sagen kann, in Tschechien müssten die Preise niedriger sein, weil das Lohnniveau niedriger ist. Das ist ein Phänomen, dass in Tschechien die Preise im Prinzip gleich sind. Nur einige Artikel sind in Tschechien noch günstiger. Aber es gibt da noch ein zweites Phänomen, nämlich das Phänomen des Fremden, des woanders Kaufens: Die Österreicher fahren nach Tschechien einkaufen im Bewusstsein, man kauft besser, und die Tschechen fahren nach Österreich einkaufen im gleichen Bewusstsein."