Tschechien auf der Leipziger Buchmesse
In einigen Tagen beginnt in Leipzig die Buchmesse. Vom 12. bis zum 15. März werden Bücher vorgestellt und vor allem wird gelesen, was das Zeug hält. Frühling, erwachen: Alles neu macht der März. Das ist das Motto der diesjährigen Ausstellung. Tschechien ist mit einem eigenen Stand vertreten. Dort wollen auch tschechische Autoren den Frühling nutzen, um ihre neuen Werke vorzustellen. Zudem will dort das „Prager Literaturhaus deutschsprachiger Autoren“ mehr Menschen auf sich und geplante Projekte aufmerksam machen.
„Für uns ist die Leipziger Buchmesse 2009 die größte Präsentation des Literaturhauses ins Deutschland. Wir wollen über unsere Arbeit erzählen und informieren. Wer sind wir und was macht das Prager Literaturhaus deutschsprachiger Autoren genau? Zum einen wollen wir deutsche Autoren aus Prag nicht in Vergessenheit geraten lassen. Und zum anderen wollen wir das Publikum für deutschsprachige Autoren aus böhmischen Ländern interessieren. Hier in Prag haben schon immer verschiedene Kulturen nebeneinander und miteinander gelebt. Sie haben sich gegenseitig beeinflusst, hatten aber auch Meinungsverschiedenheiten. Diese Tradition und den Gedankenaustausch wollen wir mit dem Literaturhaus aufrechterhalten.“
Das „Prager Literaturhaus deutschsprachiger Autoren“ ist einer der Teilnehmer, die hoffen von der Messe zu profitieren. Denn obwohl deutsche Autoren verlegt und unterstützt werden, ist das Literaturhaus in Deutschland noch nicht sehr bekannt. Lucie Černohousová erhofft sich mehr Aufmerksamkeit und Unterstützung für ihre Arbeit.
„Wir haben zwei Auftritte bei der Leipziger Buchmesse. Wir wollen einfach über das Literaturhaus informieren. Denn leider sind wir noch nicht sehr bekannt in der deutschen Szene. Es wird Diskussionen und kurze Lesungen zum Thema ´Kein Traumcafe, ein Literaturhaus. Das Vermächtnis der Prager deutschsprachigen Autorin Lenka Reinerová´, geben. Dass es hier in Tschechien ein Literaturhaus, einen Anlaufpunkt, für deutsche Autoren gibt, ist etwas besonderes. Dafür danken wir der Schriftstellerin Lenka Reinerová, die leider letztes Jahr verstorben ist.“Lenka Reinerová war die letzte Prager Autorin, die auf Deutsch schrieb. Sie setzte sich immer wieder für den gedanklichen und literarischen Austausch zwischen Tschechen und Deutschen ein. Sie war Zeitgenössin und enge Freundin von Franz Kafka und Max Brod. 2004 gründete sie mit Kollegen das „Prager Literaturhaus für deutschsprachige Autoren“ in Prag. Ihr Ziel war es, die deutschsprachige Literatur in Tschechien nicht vergessen zu lassen. Um das möglich zu machen, vergibt das Literaturhaus mit deutscher Kooperation Stipendien an Autoren aus beiden Ländern. Die Autoren sollen das Fremde auf sich wirken, sich inspirieren lassen und die Eindrücke verarbeiten. Frau Černohousová erzählt von den ersten beiden Stipendiaten.
„Radka Denemarková und Peter Härtling waren die Ersten, die ein Stipendium vom Prager Literaturhaus erhalten haben. Sie konnten einen Monat im jeweils anderen Land verbringen und schreiben – Radka Denemarkova in Wiesbaden und Peter Härtling hier in Prag.“
Die beiden Autoren sind mit dem Stipendium eine Verpflichtung eingegangen. Sie sollten über ihre Zeit in der fremden Stadt Tagebuch führen. Diese Aufzeichnungen und sonstige Schriftstücke, die in diesem einen Monat entstanden sind, werden jetzt in Leipzig zum ersten Mal vorgestellt. Bei der Vorstellung in Leipzig soll aber vorallem deutlich werden, dass das Prager Literaturhaus kein angestaubter Verein ist. Hier werden nicht nur verstorbene Autoren verlegt. Es geht um immer neuen Austausch und immer neuen intellektuellen Austausch.
„Was die deutsche oder deutschsprachige Kultur aus den böhmischen Ländern betrifft, habe ich das Gefühl, dass das Interesse daran wächst. Diese Literatur wird gerade neu entdeckt. Sie entwickelt sich zu einem regelrechten 'In-Produkt'.“
Also kann auch scheinbar Altes und fast Vergessenes wieder interessant werden. Das Prager Literaturhaus deutschsprachiger Autoren hat keinen eigenen Stand. Aber es ist in Halle 4 am tschechischen Stand vertreten. Am Samstag und Sonntag kommender Woche finden die Diskussionen mit Radka Denemarková und Peter Härtling statt.
Auch der bekannte tschechische Autor Jaroslav Rudiš ist in Leipzig mit dabei. Er liest im Rahmen der Veranstaltungsreihe „European Borderlands. Revolution und Literatur 1989 – 2009“ aus seinem Roman „Grand Hotel“. Das Buch handelt von einem jungen Mann, der versucht, sich in seinem Leben zurechtzufinden. Er ist das Mädchen für alles in einem Hotel in Liberec. Im Verlauf der Geschichte findet er heraus, dass Tschechen und Deutsche sich ähnlicher sind, als sie meinen.Herr Rudiš, in wenigen Tagen beginnt die Leipziger Buchmesse. Sie werden dort einige Lesungen abhalten und ihr neues Buch „Grand Hotel“ vorstellen. Was erwarten sie denn von ihrem deutschen Publikum?
„Das ist eine gute Frage. (lacht) Eigentlich bin ich immer froh und überrascht, dass zu meinen Lesungen in Deutschland überhaupt jemand kommt und sich für tschechische Literatur interessiert. Dass man meine Bücher in Deutschland kennt und mag, kann ich immer noch nicht richtig glauben. Was mich vorallem freut ist, dass meine Bücher in Deutschland und Tschechien sehr ähnlich funktionieren. Die Leute lachen an den gleichen Stellen! Vielleicht heißt das ja, dass mein Humor oder unser Humor Staatsgrenzen überqueren kann. Ich lese sehr oft in Deutschland. Für mich als Autor sind Lesungen wichtig. Wenn man ein Buch schreibt, sitzt man einfach ganz allein zu Hause. Und dann ist es wirklich schön, Kontakt zum Publikum zu haben. Feedback von den Lesern tut natürlich auch immer gut. Es freut mich wenn sich die Leute mit meinen Büchern beschäftigen! Für mich sind Lesungen wirklich Teil meiner Arbeit. Ich mag Literatur live! Ich gehe auch selber gern zu Lesungen.“
Wie ist es denn zur Zeit um den tschechischen Literaturnachwuchs bestellt?
„Einmal pro Monat veranstalte ich zusammen mit Igor Malijevský hier in Prag im Divadlo Archa (Archa-Theater) eine Lesebühne. EKG, also Elektrokardiogramm, heißt die Veranstaltung. Ich habe hier einen guten Überblick über die Szene gewonnen. Wir laden immer wieder, neue, junge unbekannte Autoren ein. Einige, die bei uns gelesen haben, sind mittlerweile sehr bekannt. Wie zum Beispiel David Zábranský, der auch nach Leipzig kommt. Oder Petra Hůlová. Aber leider kann man als Schriftsteller hier in Tschechien nicht gut leben. Man verdient zu wenig. Man braucht immer noch einen anderen Job. Denn vom Staat gibt es leider kein Hilfe.“
Wie schaffen Sie es denn, mit dem dürftigen Gehalt auszukommen?
„Ich hab jetzt fast vier Jahre mein Geld nur mit Schreiben verdient. Und das hätte ich auch noch länger machen können. Aber mittlerweile habe ich Familie und da ist ein sicherer Job einfach besser. Deswegen bin ich jetzt beim Tschechischen Rundfunk in der Kulturredaktion. Für mich ist das eine gute Abwechslung. Während des Schreibens hab ich mich immer nur mit mir selbst beschäftigt. Das war irgendwann zu viel. Es macht Spaß wieder mit anderen Leuten zusammenzuarbeiten.“
Gibt es unter den tschechischen Autoren auch bestimmte Gemeinsamkeiten?
„Es gibt viele Romane oder Geschichten, die im Ausland spielen. Ich war mit meinem ersten Roman ´Der Himmel unter Berlin´ keine Ausnahme. Petra Hůlová hat einen ihrer Romane in der Mongolei spielen lassen. Und es gibt immer mehr Autoren, die sich ganz frei in der Welt bewegen - von Spanien bis nach Russland.“
Sie haben vorhin schon angesprochen, dass noch weitere tschechische Autoren auf der Buchmesse in Leipzig vertreten sind. Wer ist denn noch alles dabei?„Zum Beispiel Miloš Urban. Er zählt zu den bekanntesten und besten tschechischen Autoren. Auch Tereza Boučková ist dabei. Sie war letztes Jahr in Tschechien unheimlich erfolgreich mit ihrem Roman ´Rok Kohouta´ (Das Jahr des Hahns). Und dann kommt noch David Zábranský, er zählt zu den wirklich erfolgreichsten Talenten der tschechischen Literatur von heute. Martin Šmaus und Sylva Fischerová kommen auch. Tschechien wird ziemlich stark vertreten sein, und das freut mich.“
Was macht für sie denn den Reiz einer Buchmesse aus?
„Für mich ist die Leipziger Buchmesse DIE Buchmesse! Ich war zwar auch schon in Frankfurt, aber da hatte ich das Gefühl, es geht nur ums Geschäft. Es werden Verträge geschlossen, Händler und Verlagshäuser stehen im Vordergrund. Was mir dort gefehlt hat, waren die Leser. In Leipzig trifft sich alles und jeder. Die Schriftsteller und Leser haben viele Möglichkeiten sich zu begegnen und sich auszutauschen. Es gibt eine Menge Lesungen im Rahmen von „Leipzig liest“. Das ist eine tolle Aktion, denn es wird nicht nur auf dem Messegelände gelesen, sondern auch in der Stadt, im Bahnhof oder in Klubs. Das ist einfach eine tolle Atmosphäre!“