Tschechien diskutiert über Corona-Maßnahmen in Mährisch-Schlesien
Im Kreis Mährisch-Schlesien müssen die Menschen erneut Atemmasken tragen, bei Veranstaltungen wurde die Teilnehmerzahl auf 100 beschränkt, und Restaurants und Bars müssen um 23 Uhr schließen. Das sind einige Maßnahmen, die das Kreis-Gesundheitsamt am Freitag angeordnet hat. Der Grund sind die steigenden Corona-Zahlen in der Region. Doch Bewohner sowie Politiker bis hoch zum Kreishauptmann halten die Anordnungen für überhastet und übertrieben.
Es ist eine Situation, die etwas der im Kreis Gütersloh von Ende Juni ähnelt. Zunächst gab es viele Corona-Fälle in einem Unternehmen. Im Kreis Mährisch-Schlesien ist dies der Kohleförderer OKD. Doch die Ansteckungen haben sich verbreitet. Laut der Leiterin des Kreis-Gesundheitsamtes, Pavla Svrčinová, konnten zuletzt bestimmte Corona-Fälle nicht mehr zugeordnet werden. So sagte sie am Sonntag in den Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks
„Gestern haben wir 34 Menschen epidemiologisch untersucht. Aber nur sechs der Fälle standen im Zusammenhang mit den Kohlegruben von OKD. Bei den restlichen 28 konnten wir hingegen den Ansteckungsweg nicht zurückverfolgen. Deswegen haben wir am Freitag unsere Maßnahmen angeordnet.“
Erneut wurde nun angeordnet, dass im ÖPNV und im Innern von Gebäuden Atemmasken getragen werden müssen. Zudem sind bei Veranstaltungen nicht mehr als 100 Besucher erlaubt. Zuvor waren 1000 Besucher möglich gewesen. Deswegen wurden Festivals und Sportveranstaltungen gecancelt. Der Bürgermeister von Krnov / Jägerndorf, Tomáš Hradil (unabhängig), beklagte sich beispielsweise am Montag im Tschechischen Fernsehen. So sollte bei ihnen im Städtchen am Wochenende ein großes Floorball-Turnier stattfinden. Insgesamt 300 Spieler aus ganz Tschechien waren erwartet worden.
„Die Organisatoren haben sofort beim Gesundheitsamt angerufen. Aber die dortigen Mitarbeiter wussten nicht einmal, ob sich die Beschränkung nur auf die Zuschauerzahl oder auch auf die Teilnehmerzahl bezieht. Deswegen haben sie das Turnier lieber abgeblasen“, sagte Hradil.
Nicht nur der Bürgermeister von Krnov beklagt sich über ein chaotisches Vorgehen des Gesundheitsamtes. Tatsächlich wurden die Corona-Maßnahmen am Freitag mit sofortiger Wirkung erlassen. Auch Gesundheitsminister Adam Vojtěch zeigte sich befremdet davon:
„Ich muss mich dafür entschuldigen, dass die Maßnahmen auf diese Weise angeordnet wurden. Die Leiter aller Gesundheitsämter haben eigentlich Handlungsanleitungen bekommen. Dort steht, dass Maßnahmen nur ab Beginn einer bestimmten Uhrzeit herausgegeben werden können, zum Beispiel ab Mitternacht. Und dass mit den lokalen Verwaltungsbehörden kommuniziert wird.“
Weil die Maßnahmen mit sofortiger Wirkung galten, musste beispielsweise ein Musik-Festival in der Industriestadt Ostrava / Ostrau praktisch sofort beendet werden. Die Veranstalter sprachen danach von einem brutalen Eingriff. Gesundheitsminister Vojtěch wunderte sich jedoch, warum ausgerechnet in der am stärksten vom Coronavirus betroffenen tschechischen Region überhaupt ein Festival angesetzt wurde – während anderswo im Land solche Veranstaltungen reihenweise abgesagt wurden.
Doch es geht nicht nur um die Hast bei den Maßnahmen. Der Hauptmann des Kreises Mährisch-Schlesien, Ivo Vondrák, kritisierte auch, dass nun die ganze Region erneut lahmgelegt sei. Zuvor hatten die Maßnahmen nur in den Bezirken Karviná / Karwin und Frýdek-Místek gegolten. Vondrák behauptet, im gesamten Kreis sei die Lage gar nicht schlimmer als anderswo. Deswegen berief der Politiker von der Partei Ano am Montag den Sicherheitsrat für die Region ein. Auch Gesundheitsminister Vojtěch kam zu der Sitzung. Er warnte davor, die Corona-Fälle auf die leichte Schulter zu nehmen:
„Wir haben seit März bereits einige Erfahrungen mit dem Virus gesammelt. Daher wissen wir, dass die Krankheit hochinfektiös ist. Wir sehen, dass sich die Ansteckungen vom bisherigen Infektionsherd Karviná aus weiterverbreitet haben. Natürlich ließe sich darüber sprechen, in welchem Bezirk die Zahlen wie hoch sind. Deswegen sind wir auch übereingekommen, dass das Gesundheitsamt im weiteren Verlauf jeweils auswerten wird, wie sehr welche Bezirke betroffen sind.“
Das hieße, dass die Corona-Maßnahmen unter Umständen nach einiger Zeit nicht mehr für den ganzen Kreis, sondern nur für einzelne Bezirke gelten würden.
Allgemein aber sind die Infektionszahlen in den letzten Tagen in Tschechien wieder nach oben gegangen. Es wurden Tageszuwachsraten wie zuletzt im April erreicht. Und am Sonntagabend lag die Zahl der Corona-positiven Menschen in Tschechien so hoch wie noch nie zuvor. Insgesamt zählten die Behörden 4826 aktuelle Fälle. Aber nicht nur das: In unterschiedlichen Teilen des Landes kommen seit einiger Zeit weitere Infektionsherde hinzu. Anfang Juli hatte die tschechische Regierung landesweit die Mundschutzpflicht aufgehoben, mit zwei Ausnahmen: dem Bezirk Karviná und der Prager Metro. Angesichts der Entwicklung fragt man sich: War das vielleicht zu früh?