Tschechien in Europa
Herzlich willkommen zu einer weiteren Ausgabe von Eurodomino. Das Thema der heutigen Sendung liegt auf der Hand: In der vergangenen Woche wurde der letzte Fortschrittsbericht der Europäischen Kommission veröffentlicht, der Tschechien quasi grünes Licht zum EU-Beitritt gibt. Das ist heute unser Hauptthema, wir lassen allerdings auch die jüngste Expertise zu den Benes Dekreten nicht unbeachtet, in der der deutsche Rechtsexperte Jochen Frowein feststellt, dass diese nicht im Widerspruch zu europäischem Recht stehen. Durch die Sendung führen Sie Gerald Schubert und Dagmar Keberlova.
Der diesjährige und gleichzeitig letzte Jahresbericht der Europäischen Kommission über die Vorbereitung der Kandidatenländer auf den EU-Beitritt fällt für Tschechien äußerst positiv aus. Die tschechische Politszene nimmt diese Tatsache denn auch als die Eintrittskarte Tschechiens in die Europäische Union wahr.
In dem am vergangenen Mittwoch feierlich veröffentlichten letzten Fortschrittsbericht stellten die EU-Kommissare fest, dass Tschechien auf den EU-Beitritt vorbereitet ist. Gleichzeitig wird jedoch auch auf anhaltende Problembereiche hingewiesen. Nichtsdestotrotz hat der EU-Botschafter in Prag, Ramiro Cibrian, der Tschechischen Republik am Mittwoch seine Anerkennung geäußert:
"Ich möchte die Tschechische Republik zur zweifellos gut geleisteten Arbeit beglückwünschen. Ich glaube, dass die tschechischen Institutionen, die Prager Regierung und das Parlament diese gute Arbeit unter oft sehr schwierigen Bedingungen geleistet haben. Selbstverständlich gibt es aber viele Bereiche, in denen die Arbeit noch nicht abgeschlossen ist."
Diese Bereiche werde die Kommission auch weiterhin im Auge behalten, ergänzte Ramiro Cibrian. Zu den nach wie vor kritisierten Problemfeldern gehören der noch nicht ausreichende Kampf gegen die Korruption, zu lange dauernde Gerichtsverfahren, der Zustand der öffentlichen Finanzen, die gesellschaftliche Stellung der Roma-Minderheit oder die Effizienz der Staatsverwaltung. Die tschechischen Minister halten die meisten Vorwürfe für berechtigt und erklärten sich bereit, diese so bald wie möglich zu beseitigen. Der tschechische Außenminister Cyril Svoboda hält dieses Dokument für eine objektive Studie, die den aktuellen Stand der Vorbereitungen Tschechiens auf den EU-Beitritt realistisch widerspiegelt. "Die Tschechische Republik hat einen regelmäßigen Bericht erhalten, der als Eintrittskarte in die Europäische Union angesehen werden kann," erklärte Svoboda. Bis Ende dieses Jahres soll die Tschechische Republik die Verhandlungen über den EU-Beitritt abschließen und bis zum Frühjahr 2003 den Beitrittsvertrag ratifizieren. Bis Mitte 2003 sollten sich die tschechischen Bürger zum EU-Beitritt ihres Landes in einem Referendum äußern.
Themenwechsel. Noch ein wichtiges Ereignis ist in den letzten 14 Tagen über die Bühne gegangen, und zwar wurde die langerwartete Studie über die Benes-Dekrete veröffentlicht. Die so genannten Benes-Dekrete zur Vertreibung und Enteignung von Sudetendeutschen nach dem Zweiten Weltkrieg behindern den für 2004 erwarteten Beitritt der Tschechischen Republik in die EU nicht.
Zu diesem Schluss kommt das in Brüssel bekannt gewordene Rechtsgutachten für das Europaparlament. Die Dekrete müssten deshalb auch nicht aufgehoben werden. Die Beschlagnahmung des Eigentums von Deutschen und Ungarn in den Jahren 1945 und 1946 sei im Zusammenhang mit dem Beitritt kein Thema, da die Beitrittsbedingungen die Vergangenheit nicht umfassen, schrieb der frühere Direktor des Heidelberger Max-Planck-Instituts für Öffentliches Recht, Jochen Frowein. In der tschechischen politischen Szene wurde dieser Beschluss mit Zufriedenheit wahrgenommen. So äußerte sich auch der Vorsitzende des außenpolitischen Parlamentsausschusses Vladimir Lastuvka in einem Gespräch für Radio Prag:
"Selbstverständlich begrüße ich die Entscheidung, die für mich auch keine Überraschung ist. Jede seriöse Studie hat zu diesem Schluss kommen müssen. Zu einem ähnlichen Schluss sind wir schon im vergangenen Jahr im Rahmen eines Seminars zum Thema der Vorbereitung Tschechiens auf den EU Beitritt hinsichtlich seiner Vergangenheit und hier vor allem der Dekrete gekommen. An diesem Seminar haben unter anderem Politiker, Rechtswissenschaftler und Historiker teilgenommen. Der Hauptberichterstatter für Deutschland, Professor Christian Tomuschat, äußerte in Prag so ungefähr das selbe wie das, was jetzt in der Analyse herausgekommen ist. Allerdings weiß ich, dass damit die Diskussion nicht beendet ist."
Österreich verkündete bereits, dass es weiter über dieses Thema verhandeln will. Man erwarte eine politische Geste seitens der tschechischen Politiker, diese wollen sich so einen Schritt jedoch erst überlegen. Wie sieht dies Abgeordnete Lastuvka?
"Ich verstehe es so, dass in Österreich die Wahlen anstehen und daher bedeutet dieser Bericht auch kein definitives Ende dieser Diskussion. Das Thema wird da sein, in bilateralen Beziehungen mit Österreich sowie teilweise auch mit Deutschland. Sprechen über die Vergangenheit ist notwendig, auf eine Debatte sind wir vorbereitet, zu verhandeln haben wir allerdings nichts."
Laut der Analyse sein ein Gesetz von 1946 weiterhin in Kraft, wonach Vergeltungsmaßnahmen für erlittenes Unrecht während der deutschen Besetzung nicht strafrechtlich verfolgt werden, schrieb der Gutachter. Eine Rücknahme dieses Gesetzes sei aber nicht zwingend notwendig, da auch Deutschland als am meisten betroffenes Land nicht darauf bestanden habe, als 1997 die Deutsch-Tschechische Erklärung verhandelt wurde. Es sei aber angebracht, dass Tschechien bestimmte Folgen dieses Gesetzes öffentlich bedauere. Laut dem Vorsitzenden des außenpolitischen Ausschusses des Europäischen Parlaments, Elmar Brok, hätte die Tschechische Republik ihr Bedauern nur gegenüber Deutschland geäußert, es wäre notwendig, dies auch gegenüber Österreich und Ungarn zu tun.
Folgende Hinweise bringen Ihnen noch mehr Informationen über den Integrationsprozess Tschechiens in die Europäische Union:
www.integrace.cz - Integrace - Zeitschrift für europäische Studien und den Osterweiterungsprozess der Europäischen Union
www.euroskop.cz
www.evropska-unie.cz/eng/
www.euractiv.com - EU News, Policy Positions and EU Actors online
www.auswaertiges-amt.de - Auswärtiges Amt