Tschechien hinkt bei Gleichstellung von Mann und Frau hinterher

Foto: Europäische Kommission

Das Europäische Parlament kritisiert Tschechien und weitere EU-Staaten wegen der Diskriminierung von Frauen. Die bisherigen Bemühungen zur Gleichstellung von Mann und Frau wurden in Strasbourg als unzureichend eingestuft. Die Europa-Abgeordneten schlagen nun auch konkrete Maßnahmen vor, eine davon ist ein befristeter Vaterschaftsurlaub unmittelbar nach der Geburt des Kindes. Die Tschechische Republik ist eines von sechs Ländern, in der es noch keine solche Regelung gibt.

Foto: Europäische Kommission
Eine Erhebung des Europäischen Statistikamtes (Eurostat) brachte es an den Tag: Die Tschechische Republik liegt bei der Gleichstellung von Mann und Frau im hinteren Feld. Beim Lohngefälle zwischen den Geschlechtern geht die Lohnschere hierzulande um 22,1 Prozent auseinander, Tschechien liegt damit auf dem drittletzten Platz in Europa. In Zahlen ausgedrückt heißt das: der tschechische Mann erhält im Monat durchschnittlich 157 Euro mehr Lohn als die Frau, und auch bei der Altersrente gibt es einen Unterschied von 80 Euro. Beim Elterngeld sind die Rollen indes ganz klar verteilt: 98 Prozent der Transferzahlung für Familien werden von Frauen bezogen, nur knapp zwei Prozent der Antragsteller sind Männer. Das heißt, nach der Geburt eines Babys kümmern sich hierzulande in der Regel weiterhin die Mütter um den Nachwuchs. Zu den wenigen Ausnahmen gehört Karel Větrovský, der sich im Elternurlaub um den kleinen Jonáš kümmert. Gern hätte er seiner Frau auch direkt nach Jonáš´ Geburt beigestanden:

Illustrationsfoto: Barbora Kmentová
„Ich hätte den Vaterschaftsurlaub in erster Linie dafür genutzt, um meiner Frau zu helfen und nicht nur, um mich an das Kind zu gewöhnen“, sagt Větrovský.

Einen gesetzlich geregelten Vaterschaftsurlaub wie in Frankreich, Großbritannien oder Polen aber gibt es in Tschechien nicht. In den genannten Ländern können Väter diesen bezahlten Urlaub in den ersten zwei Wochen nach der Geburt beanspruchen. In Tschechien müssen die Väter dafür einen Teil ihres Jahresurlaubs oder unbezahlten Urlaub nehmen. Das Europa-Parlament will nun durchsetzen, dass in allen Mitgliedsländern nach der Geburt eines Kindes mindestens zehn Tage an staatlich bezahltem Vaterschaftsurlaub gewährt werden. Dieser Vorschlag stößt in Tschechien auf geteilte Meinungen. Der konservative Europa-Abgeordnete der ODS, Jan Zahradil:

„Einige Länder sind liberal, andere wiederum sind konservativ. Daher sollte jedes Land selbst über diese Regelung entscheiden.“

Michaela Marksová  (Foto: ČT24)
Die sozialdemokratische Ministerin für Arbeit und Soziales, Michaela Marksová:

„Ich denke, dass dieser Vaterschaftsurlaub eine sehr nützliche Sache ist, die zum Zusammenhalt der Familie beiträgt.“

Die Vizechefin der konservativen Partei Top 09, Helena Langšádlová:

„Die Möglichkeit des Vaterschaftsurlaubs nach der Geburt eines Kindes sollte nur eine Alternative sein, die auf freiwilliger Basis angeboten wird.“

Foto: Archiv Radio Prag
Diese Aussagen lassen vermuten, dass sich in der tschechischen Sozialpolitik wohl eher weiter die konservative Linie denn die liberale durchsetzen wird. Deswegen wird es Arbeitsministerin Marksová sicher auch schwer haben, mit einem anderen Vorstoß erfolgreich zu sein: Die Ministerin plant, dass der Staat im Voraus die Auszahlung von Unterhalt an Alleinerziehende übernimmt, sollte der zuständige Elternteil seine Alimente nicht bezahlen. In den Reihen der Koalition aber stößt der Vorschlag der Ministerin auf Widerstand:

„Unsere Partei steht einer solchen Neuerung auf flächendeckender Basis ablehnend gegenüber“, ließ der Fraktionschef der Ano-Partei, Jaroslav Faltýnek, bereits wissen.

Jaroslav Faltýnek | Foto: Alžběta Švarcová,  Archiv des Tschechischen Rundfunks
Arbeitsministerin Marksová aber lässt sich davon nicht beirren. Den Kritikern dieser Regelung hält sie vor, dass in nicht weniger als 300.000 tschechischen Familien nur ein Elternteil die Kinder erzieht. Und weil die Unterhaltszahlung des anderen Elternteiles nicht selten ausbleibt, würden viele Kinder mit großen Entbehrungen aufwachsen oder teilweise sogar Hunger leiden, sagt Marksová. Ihr Vorschlag beinhalte schließlich, dass sich der Staat die Zahlung des Unterhaltsgeldes von den eigentlich dazu verpflichteten Eltern zurückhole. Dafür müssen die rechtlichen Grundlagen jedoch erst geschaffen werden. Das Justizressort aber wird von der Ano-Partei geleitet…