Tschechien im EU-Konvent

In Brüssel kamen kürzlich zum ersten Mal Vertreter der 15 EU-Mitgliedsstaaten und der 13 Kandidatenländer an einem Tisch zusammen, um über die Zukunft der Europäischen Union zu diskutieren. Die Tschechische Republik wird im EU-Konvent vertreten von Außenminister Jan Kavan, dem Vorsitzenden des außenpolitischen Ausschusses, Jan Zahradil, und dem Senator Josef Zieleniec. Über die tschechische Teilnahme am Konvent informieren wir Sie in den folgenden Minuten, durch die Sendung führt Sie Dagmar Keberlova.

Sinn des EU-Konvents ist die, in der Geschichte der Europäischen Union in diesem Ausmaß nie da gewesene Debatte über die zukünftige Richtung der Europäischen Union sowie ihrer Institutionen. Auf die Ergebnisse des Konvents wird sich dann die kommende Regierungskonferenz stützen, bei der sich die EU-Staaten auf konkreten Reformen einigen werden. Daher ist es gut, dass sich Tschechien schon jetzt an der Debatte beteiligen kann. Lassen wir zuerst die drei Politiker zu Wort kommen, die die Tschechische Republik im Konvent vertreten. Der tschechische Außenminister Jan Kavan zeigte sich bereits vor dem Beginn zufrieden, dass an der Debatte in Brüssel Politiker, und keine Theoretiker teilnehmen werden, darin stimmt er mit dem ehemaligen französischen Präsidenten und dem Vorsitzenden des Konvents Valery Giscard d´Estaign überein:

"Er persönlich würde es vorziehen, wenn es Politiker wären, aber Politiker mit tiefgehenden Kenntnissen der europäischen Integration."

Der Vertreter des tschechischen Abgeordnetenhauses und der Schattenaußenminister der Bürgerdemokraten, Jan Zahradil, gab zu, dass er einer weiteren europäischen Integration eher vorsichtig gegenüber steht:

"Ganz offen muss ich sagen, dass ich eine allzu tiefe Föderalisierung, die in Mitteleuropa vor allem Deutschland durchsetzt, nicht vertreten werde."

Der Vertreter des tschechischen Senats, Josef Zieleniec, ist der Meinung, dass sich die drei Repräsentanten Tschechiens trotz mancher unterschiedlichen Ansichten in vielem einigen werden:

"Wir repräsentieren ein Land, das seine Interessen sehr gut definiert. Tschechien ist ein kleineres Land, ein neues Land. Diese Gesichtspunkte werden uns verbinden, auch wenn es um zukünftige Lösungen geht. Selbstverständlich haben wir unterschiedliche Meinungen über weitere Angelegenheiten, und gerade deshalb ist die Delegation so zusammengesetzt."

Das sind die Fakten. Auch wenn der Konvent seine Tätigkeit erst aufgenommen hat, rief Radio Prag den Historiker Rudolf Kucera an, um ihm diesbezüglich ein paar Fragen zu stellen. Wie bewertet er die Tatsache, dass Tschechien überhaupt dabei ist?

"Ich glaube, dass es für uns sehr wichtig ist, dass wir im Rahmen des Konvents unsere Meinungen bezüglich der Zukunft der Europäischen Union präsentieren können, auch wenn wir keine Entscheidungskraft haben. Wenn wir zum geplanten Termin aufgenommen werden, werden wir der EU bereits in einer neuen Gestalt beitreten."

Die Meinung der tschechischen Vertreter über die Zukunft der EU ist zwar sehr unterschiedlich, sie könnten sich aber mit der Zeit einigen.

"Sonst fürchte ich ein bisschen, dass die drei Repräsentanten, die vom Parlament, vom Senat und der Regierung gewählt wurden, nicht derselben Meinung sind. Unter ihnen gibt es sehr große Unterschiede, vor allem was den Abgeordneten der Bürgerdemokraten, Jan Zahradil, betrifft. Aber schon die erste Tagung des Konvents hat gezeigt, dass Vertreter, die ähnliche Meinungen haben wie heute die ODS , in der Minderheit sind. Es handelt sich um 6 oder 8 Personen, die ähnliche Ansichten teilen, den Europessimismus oder Euroskeptizismus, den der ODS-Abgeordnete Zahradil präsentiert, und dieser Standpunkt wird dadurch meiner Meinung nach ohne Bedeutung bleiben. Andererseits halte ich es für möglich, dass die drei Repräsentanten ihre Meinungen in Einklang bringen und Tschechien dort geeint auftreten wird. Sonst würde unsere Mitgliedschaft sehr schwach ausfallen."

Welche Wichtigkeit hat der Konvent für die Kandidatenländer?

"Es ist vor allem für die Europäische Union selbst wichtig, weil sie vor der Aufnahme eines größeren Teils der Länder steht, die meistens aus dem ehemaligen Ostblock kommen. Auf den Beitritt dieser Länder muss sich die EU gründlich vorbereiten, damit es für sie nicht zu einem Schock wird. Aus diesem Grund sind die Themen und Aufgaben, die der Konvent hat, eine abschließende Vorbereitung auf die EU-Erweiterung. Aus der Sicht der Kandidatenländer ist es daher wichtig, weil sie schon in eine sehr stabile und feste Gemeinschaft eintreten werden, also ihre Integration wird dann für sie durchsichtiger. Es wird eine EU-Verfassung geben, die für alle verpflichtend sein wird, Institutionen werden eine transparentere Gestalt haben und sie werden ebenfalls wissen, was sie in der Union erwartet."

Abschließend fragte ich Herr Kucera, wie er das Beitrittsdatum 2004 sieht?

"Na ja, ehrlich gesagt, beginne ich meine Zweifel zu haben. Das Datum ist vor allem eine politische Entscheidung. Falls in der EU in den wenigen Jahren, die bis zur Erweiterung bleiben, wirtschaftliche Aspekte, finanzielle Kosten der Erweiterung und der Integration dieser Länder überwiegen würden, dann fürchte ich, dass es zu einer Verschiebung des Beitritts kommen könnte. Vor allem bin ich aber, um es ganz offen zu sagen, überzeugt, dass sich die EU nicht um so viele Länder auf einmal erweitern wird, dass es wahrscheinlich noch zu einer Differenzierung kommt. Also dass zu diesem Zeitpunkt nur gewisse Länder aufgenommen werden und andere erst später beitreten werden."





Folgende Hinweise bringen Ihnen noch mehr Informationen über den Integrationsprozess Tschechiens in die Europäische Union:



www.integrace.cz - Integrace - Zeitschrift für europäische Studien und den Osterweiterungsprozess der Europäischen Union

www.euroskop.cz

www.evropska-unie.cz/eng/

www.euractiv.com - EU News, Policy Positions and EU Actors online

www.auswaertiges-amt.de - Auswärtiges Amt