Tschechien startet mit zwei glanzvollen Siegen in die Eishockey-WM

Foto: ČTK / Vít Šimánek

Seit vier Tagen grassiert es wieder, das Eishockeyfieber in Tschechien. Denn immer wenn die Nationalmannschaft bei einem großen Turnier antritt, dann sind bei ihren Spielen die Straßen hierzulande wie leergefegt. Stattdessen sind die Plätze vor den TV-Bildschirmen in Kneipen und Wohnzimmern umso voller. Bei der aktuellen Weltmeisterschaft in der Slowakei hat die tschechische Mannschaft einen tollen Start hingelegt, doch nicht nur deswegen sind die Fans begeistert und optimistisch.

WM-Spiel der tschechischen Mannschaft gegen Schweden  (Foto: ČTK / Vít Šimánek)
Die Durststrecke ist lang. Seit 2012 hat Tschechien bei einer Eishockey-WM keine Medaille mehr gewonnen. Doch nun – im siebten Anlauf – soll es endlich klappen. Ein wesentlicher Grund dafür sind die enthusiastischen Fans. Denn seit Freitag, als das Championat begonnen hat, reisen sie in Scharen in das befreundete Nachbarland, um ihr Team anzufeuern. Einer von ihnen ist Jakub aus dem kleinen Dorf Morašice nahe der ostböhmischen Stadt Chrudim.

„Das wird ein Hexenkessel, ein echtes Heimspiel, deshalb fahre ich dorthin“, sagte Jakub gegenüber Radio Prag auf der Zugfahrt nach Bratislava zum WM-Spiel der tschechischen Mannschaft gegen Titelverteidiger Schweden. Und im Kreise seiner mitreisenden Eishockeyfreunde fügte er hinzu:

„Uns geht es gar nicht so sehr um das Ergebnis, aber um das Live-Erlebnis eines Eishockey-WM-Spiels. Wir wollen zusammen mit den anderen Fans eine tolle Atmosphäre schaffen und dazu etwas Bier trinken“, so Jakub.

Jan Kovář  (Foto: ČTK / Vít Šimánek)
Die Gruppe aus Chrudim und Umgebung trug dann auch bei zu dem Meer rot-blau-weißer Trikots in der Ondřej-Nepela-Arena von Bratislava. Rund 90 Prozent der Zuschauer waren in den tschechischen Nationalfarben gekleidet. Und der zahlreiche Anhang begrüßte die Mannschaft bereits beim Einlaufen lautstark. Von der brodelnden Stimmung in der Arena waren auch die tschechischen Spieler sehr angetan. Center Jan Kovář sagte nach der Partie in die Mikrofone:

„Man kommt voller Erwartung in diese Halle, sieht zunächst die vollbesetzten Ränge, und gleich darauf setzen die ersten Sprechchöre ein. Auch die schwedischen Zuschauer wollten sich bemerkbar machen, doch sie wurden sofort von unseren Fans übertönt. Ich hatte eine Gänsehaut. Diese Stimmung hat uns gleich auf Touren gebracht.“

Jan Kovář: „Man kommt voller Erwartung in diese Halle, sieht zunächst die vollbesetzten Ränge, und gleich darauf setzen die ersten Sprechchöre ein. Die schwedischen Zuschauer wurden sofort von unseren Fans übertönt. Ich hatte eine Gänsehaut.“

Und wie: Der Sekundenzeiger hatte noch nicht einmal seine zweite Umdrehung beendet, da fiel auch schon das 1:0 für Tschechien. Als Torschütze wurde Jakub Vrána von den Washington Capitals gefeiert.

Der 23-jährige Vrána bestritt in der Tat sein allererstes Länderspiel, und das noch dazu bei einer Weltmeisterschaft. Er krönte sein überragendes Debüt mit zwei Toren, denn im Schlussdrittel markierte er auch den vorentscheidenden Treffer zum 4:2 nach einem Alleingang. Vránas glänzende Vorstellung wurde von allen Seiten gelobt. Sein Sturmpartner Jan Kovář sagte:

„Bei seinem zweiten Tor hat er den schwedischen Goalie echt genarrt. Er täuschte einen Schuss in die kurze Ecke an, schmetterte den Puck dann aber in die lange Ecke. Da war selbst Lundqvist ohne Chance. Vrána spielte hervorragend. Wir sind froh, ihn in unserem Team zu haben, weil er uns helfen wird.“

Michael Frolík  (Foto: ČTK / Vít Šimánek)
Am Ende gewann die tschechische Mannschaft ihr sehenswertes Auftaktspiel gegen die Tre Kronors mit 5:2, was die Fans sehr freute. Siegtorschütze Michael Frolík gab das Kompliment indes postwendend an die Anhänger zurück:

„Natürlich haben uns die Zuschauer förmlich angepeitscht. Das hat uns geholfen, wir haben uns gut bewegt, und das ist wichtig.“

Der 31-jährige Stürmer von den Calgary Flames war bereits vor acht Jahren dabei, als die Weltmeisterschaft erstmals in der Slowakei ausgetragen wurde und die tschechische Mannschaft die Bronzemedaille gewann. Aus eigener Erfahrung aber weiß der Routinier, dass eine Schwalbe noch keinen Sommer macht:

Miloš Říha  (Foto: ČTK / Vít Šimánek)
„Natürlich kann uns dieser Sieg noch etwas mehr an Selbstvertrauen geben, doch wir haben noch viele Begegnungen vor uns, und das Turnier ist noch lang. Wir müssen versuchen, uns von Match zu Match zu verbessern, denn trotz des heutigen Sieges hatten wir auch einige Schwächephasen in unserem Spiel. Wir müssen unsere Form so aufbauen, dass sie zum Turnierende am besten ist.“

Mit diesem Fokus, besonnen und konzentriert, gingen die Schützlinge von Chefcoach Miloš Říha dann auch einen Tag später in ihre zweite WM-Partie. Der Gegner hieß Norwegen. Auch diesmal war die Stimmung toll, und die tschechischen Fans waren am Schluss erneut begeistert.

Das Spiel endete 7:2 für Tschechien. Mit dem Ergebnis, aber auch der abgeklärten Spielweise seinen Mannen war Trainer Říha sehr zufrieden:

Michael Frolík: „Natürlich kann uns der Sieg über Schweden noch etwas mehr an Selbstvertrauen geben, doch wir haben noch viele Begegnungen vor uns, und das Turnier ist noch lang. Wir müssen unsere Form so aufbauen, dass sie zum Turnierende am besten ist.“

„Das Team ist in Ordnung, es arbeitet gut und ist innerlich stark. In der Mannschaft sind zudem Spieler, die Einfluss nehmen. Und das ist wichtig.“

Miloš Říha meinte damit seine Führungsspieler wie Kapitän Jakub Voráček, den bisher dreifachen Torschützen Michael Frolík oder den eisenharten Verteidiger Radko Gudas, der bei den Fans besonders beliebt ist. Daher hat Říha auch keine Befürchtung, dass seine Mannschaft nach ihren zwei Auftaktsiegen nun vom Boden abheben könnte:

„Ich denke, das wird nicht passieren. Dafür haben wir die Führungsspieler im Team, die alle wieder erden und auf die nächste Aufgabe einschwören. Und auch wir im Trainerstab werden an die Jungs appellieren, dass noch nichts gewonnen ist, sondern das Turnier gerade erst angefangen hat.“

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Dennoch ist Říha schon jetzt sehr froh, für diese WM ein solch starkes Team beisammen zu haben. Nicht weniger als ein Dutzend Spieler sind in der stärksten Liga der Welt unter Vertrag – in der nordamerikanischen NHL. Und diese Profis wüssten einfach, was zu tun sei, sagt der Trainer:

„Wenn wir solch gute Spieler schon beisammen haben, dann sollen sie auch das zeigen, was sie drauf haben. Wenn sie die taktischen Vorgaben gewissenhaft einhalten und auch bei einer Führung im Spiel nicht beginnen, auf einmal ganz verrückte Sachen zu machen, dann lassen wir ihnen die Freiheit, so zu spielen, wie sie es können.“

Miloš Říha: „Wenn wir solch gute Spieler schon beisammen haben, dann sollen sie auch das zeigen, was sie drauf haben. Wenn sie die taktischen Vorgaben gewissenhaft einhalten, dann lassen wir ihnen die Freiheit, so zu spielen, wie sie es können.“

Über die Tatsache, dass die Hälfte der Nationalmannschaft von Cracks aus der National Hockey League gebildet wird, ist auch die tschechische Ikone Jaromír Jágr sehr erfreut. Unmittelbar nach dem 5:2-Sieg über Schweden twitterte er nämlich auf Facebook: „Es gab keine Absagen. Der Stolz, für unser Land zu spielen, ist offenbar zurückgekehrt.“

Und auch die Fans sind so optimistisch, wie schon lange nicht mehr. Jakub aus Morašice ist jedenfalls überzeugt:

„Wenn Radko Gudas sagt, dass er zur WM fährt, um eine Medaille zu holen, dann glaube ich ihm. Uns Tschechen unterschätzen doch alle, doch diesmal werden wir es ihnen zeigen: Wir gewinnen eine Medaille.“

Und egal, ob diese schließlich golden, silbern oder bronzen glänzen wird, eines dürfte bei einer Beendigung der medaillenlosen WM-Zeit gewiss sein – die Tschechen werden feiern und auf den Traversen der Arena in Bratislava auf und ab hüpfen, wenn sie dazu wieder anstimmen:

„Wer nicht hüpft, der ist kein Tscheche.“

Autor: Lothar Martin
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