Tschechien und Liechtenstein ebnen diplomatischen Beziehungen und gemeinsamer Historiker-Kommission den Weg

Aurelia Frick and Jan Kohout, photo: CTK

Die Tschechische Republik und das Fürstentum Liechtenstein nehmen diplomatische Beziehungen auf. Ein entsprechendes Abkommen haben der tschechische Außenminister Jan Kohout und seine liechtensteinische Amtskollegin Aurelia Frick am Dienstag in Prag unterzeichnet. Liechtenstein ist das letzte Land in Europa, in dem Tschechien bislang noch keine Botschaft hatte.

Aurelia Frick und Jan Kohout  (Foto: ČTK)
Er sei sehr froh, dass nun endlich auch der letzte weiße Fleck in Europa auf der diplomatischen Landkarte Tschechiens beseitigt worden sei, sagte der tschechische Außenminister Jan Kohout am Dienstag unmittelbar nach der Unterzeichnung des beiderseitigen Abkommens. Es habe immerhin 70 Jahre lang gedauert, bis es soweit war, so Kohout. Genau jene 70 Jahre also, die seit dem Beginn des Zweiten Weltkriegs im Jahr 1939 vergangen sind. Ein Weltkrieg, der Millionen von Opfern forderte und der bis heute seine Narben hinterlassen hat.

Ein Bestandteil der Nachkriegsordnung in der damaligen Tschechoslowakei sind zum Beispiel die so genannten Beneš-Dekrete. Auf der Grundlage dieser Dekrete wurden hierzulande sehr viele Enteignungen vorgenommen, die vor allem die ehemals deutschen Mitbürger betrafen. Besonders in Mähren sind jedoch ebenso Güter des Fürstengeschlechts der Liechtensteiner konfisziert worden – ein Vorgehen, das die Liechtensteiner bis heute als Unrecht ansehen. Weil auch Tschechien als einer der Nachfolgestaaten der ehemaligen Tschechoslowakei an den Beneš-Dekreten festhält, erteilte Liechtenstein der Aufnahme diplomatischer Beziehungen weiter eine Absage. Bis Dienstag. Trotz des bilateralen Abkommens bleibe die Eigentumsfrage jedoch weiter offen, erklärte Außenministerin Aurelia Frick auf der Pressekonferenz:

„Nein, es ist nicht so, dass die Fürstenfamilie auf ihre Ansprüche verzichtet. Wichtig ist, dass wir heute die diplomatischen Beziehungen zwischen unseren beiden Ländern aufnehmen und eine Road Map für die zukünftige Zusammenarbeit gelegt haben. Bei den Ansprüchen geht es um Rechtspositionen, und diese werden durch die Erklärung und das Memorandum, das wir heute hier unterzeichnet haben, nicht tangiert.“

Aurelia Frick  (Foto: ČTK)
Sowohl Jan Kohout als auch Aurelia Frick betonten, dass dieses Kapitel nur ein gewisser Bruchteil der gemeinsamen Geschichte sei, die Böhmen, Mähren, Schlesien und Liechtenstein seit rund 1000 Jahren verbindet. Aus diesem Grund haben beide Seiten auch die Einrichtung einer Historiker-Kommission beschlossen, die schon im nächsten Jahr ihre Arbeit aufnehmen soll. Was sind jedoch Ziel und Aufgaben der Historiker-Kommission? Dazu Jan Kohout:

„Der Sinn der Kommission besteht nicht darin, auf gewisse Erklärungen oder Zielsetzungen hinzuarbeiten. Es geht vielmehr darum, die interessanten Zeiträume in unserer gemeinsamen Geschichte zu beleuchten, und zwar Zeiträume, die aus den bekannten und unterschiedlichen Gründen noch nicht erforscht worden sind. Die Anknüpfung der diplomatischen Beziehungen ermöglicht es nun, uns den offenen Fragen in der gemeinsamen Geschichte in Ruhe und aller Sachlichkeit zu stellen.“

Foto: ČTK
Seine liechtensteinische Amtskollegin ergänzte: „Es wird sich weisen, was der Output der Historiker-Kommission sein wird. Ich persönlich bin aber davon überzeugt, dass wir sehr erstaunt und erfreut sein werden, wie reich und vielfältig die gemeinsame Geschichte ist, die man in dieser Historiker-Kommission bearbeiten und auch aufdecken wird.“

Auf der Grundlage des bilateralen Abkommens wollen Tschechien und Liechtenstein ihre Zusammenarbeit auf allen Feldern wie Politik, Wirtschaft, Bildung und Tourismus ausbauen und vertiefen. Ein wichtiger Bestandteil des Vertragswerks ist auch das Doppelbesteuerungsabkommen zwischen beiden Ländern. Durch dieses Abkommen wird es dem Finanzministerium in Prag in Zukunft auch möglich sein, Informationen über verdächtige Konten von tschechischen Bürgern in Liechtenstein zu erhalten. Durch Korruption und Betrug entgingen dem tschechischen Fiskus jährlich Milliarden von Kronen an Steuergeldern, da man bisher nicht an die erwähnten Konten in der Steueroase Liechtenstein herankam, schrieb dazu die Wochenzeitung „Respekt“.