Tschechien will Debatte über Reisebann für Russen in EU initiieren
Die EU-Staaten sollen Ende August über ein generelles Verbot von Touristenvisa für Russen beraten. Die Regierungen von Estland und Finnland haben in dieser Woche andere europäische Länder zu dieser Maßnahme aufgefordert. Tschechien unterstützt das Vorgehen.
Der Chef der tschechischen Diplomatie, Jan Lipavský (Piratenpartei), will bei einem informellen Treffen der EU-Außenminister Ende August in Prag vorschlagen, die Vergabe von Schengen-Kurzzeitvisa für russische Staatsbürger auszusetzen. Seiner Ansicht nach wären Visabeschränkungen eine weitere wirksame Sanktion gegen Russland. Jaroslav Kurfürst ist Staatssekretär im Außenministerium in Prag. Bei einem Interview in den Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks sagte er:
„Dies ist eine wirksame Sanktion im politischen Sinn und hinsichtlich der Sicherheit. Es ist ein klares politisches Signal, dass die illegale, von niemandem provozierte Aggression gegen einen demokratischen Nachbarstaat völlig inakzeptabel ist. Zudem sind auch die Drohungen gegen andere Staaten inakzeptabel, etwa gegen jene EU-Länder, in die die Russen gerne zum Urlaub fahren.“
Zum Sicherheitsaspekt ergänzte Kurfürst:
„Die Vergabe der Visa hat zur Folge, dass viele Menschen mit einem Touristenvisum in Europa unterwegs sind, die eventuell politische Ziele verfolgen.“
Konkreter wollte der Staatssekretär in dem Interview jedoch nicht werden.
Tschechien war das erste EU-Land, das den Visumsstopp kurz nach dem russischen Angriff auf die Ukraine im Februar einführte. Hierzulande werden somit seit fast sechs Monaten keine Touristenvisa mehr für Bürger aus Russland und auch aus Weißrussland ausgestellt. Nur einige Dutzend Bürger beider Länder haben seither in Einzelfällen ein Visum erhalten. Denn ausschließlich Familienangehörige von EU-Bürgern können um ein Schengen-Kurzzeitvisum in Tschechien bitten. Seit Anfang Juli gibt es allerdings wieder die Möglichkeit, eine langfristige Aufenthaltserlaubnis zum Zweck der Familienzusammenführung zu beantragen. Und schon Mitte Mai hat die Regierung in Prag auch ein Programm für verfolgte Bürger Russlands und Weißrusslands aufgelegt. Dazu der stellvertretende Außenminister Martin Smolek:
„In das Programm mit dem Namen ‚Zivilgesellschaft‘ können Bewerber aufgenommen werden, die nachweisen, dass sie unter anderem Menschenrechtsverteidiger, Vertreter von unabhängigen Medien oder Akademiker sind. Es ist zudem für jene bestimmt, die gezwungen sind, ihr Herkunftsland aus Sicherheitsgründen zu verlassen.“
Russen und Weißrussen, die bereits in Tschechien leben, sind durch den Visumsstopp nicht sehr beeinträchtigt.
Die meisten EU-Länder haben bisher keine vergleichbaren Visumseinschränkungen eingeführt. In Deutschland wurden etwa allein im Juli fast 5500 Schengen-Visa an Russen ausgestellt. Estland und Finnland haben nun einen Stopp vorgeschlagen, der in der ganzen Union gelten soll. Diese Länder grenzen an Russland, und da die Flüge zwischen europäischen Ländern und Russland ausgesetzt wurden, reisen die Russen eben über diese Staaten in die EU ein. Schon zuvor hatte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj einen Reisebann für Russen gefordert.