Tschechiens Ägyptologie weist eine lange Tradition und viele Erfolge auf
Vor 130 Jahren, am 5. April 1876, wurde der Begründer der tschechischen Ägyptologie Frantisek Lexa geboren. Die Anfänge dieser neuen Fachrichtung waren hierzulande sehr bescheiden, und kaum jemand konnte damals ahnen, dass die tschechischen Ägyptologen besonders in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wesentlich zur Erkenntnisgewinnung über die Geschichte der altägyptischen Zivilisation beitragen sollten. Über die Arbeit der tschechischen Wissenschaftler spricht Dana Martinova im heutigen "Kapitel aus der tschechischen Geschichte" mit dem Direktor des Ägyptologischen Instituts der Prager Karlsuniversität, PhDr. Ladislav Bares.
"Die Anfänge der tschechischen Ägyptologie sind mit dem Namen Frantisek Lexa verbunden, der ab dem Jahr 1922 als Professor für Ägyptologie an der Karlsuniversität in Prag lehrte. Zu seinen Schülern gehörten auch die späteren bedeutenden Ägyptologen Jaroslav Cerny und Zbynek Zaba. Letzterer trat nach dem Tod von Lexa im Jahre 1960 dessen Nachfolge als Direktor des Tschechoslowakischen Ägyptologischen Instituts an. Das Institut wurde im Jahr 1958 gegründet. Gleich von Anfang an nahm es seine Arbeit in Ägypten auf, wo es sich darauf orientierte, die Geschichte und die Kultur des Alten Reiches durch die Erlangung von ursprünglichen Quellenmaterialen zu erforschen."
Als wichtiger Meilenstein in der Entwicklung der tschechischen Ägyptologie gilt das Jahr 1960, in dem das Ägyptologische Institut der Universität Prag die Erforschung des großen Mastabas von Ptahshepses in Abusir aufgenommen hat.
"Im Jahr 1960 hat das Institut seine Forschungen in Ägypten begonnen, und zwar nach dem Erhalt der archäologischen Konzession am Grabungsplatz Abusir, der in der Nähe der weitaus bekannteren Gräberfelder von Giza und vor allem in Sakkara liegt. Von 1961 bis 1965 hat das Institut an der internationalen UNESCO-Aktion zur Rettung der Altertümer Nubiens teilgenommen, die damals durch den Bau des Assuan-Staudammes am Nil bedroht waren. Danach setzte das Institut seine Tätigkeit in Abusir bis heute fort, und seit dem Jahr 2003 untersucht es auch die Lokalität El-Hajez, die im südlichen Teil der Oase Baharija situiert ist."
Die mehr als 40 Jahre des archäologischen Engagements in Abusir haben dem Tschechischen Ägyptologischen Institut zu internationalem Ansehen verholfen."Die tschechische archäologische Konzession in Abusir gehört zu den größten Auslandskonzessionen. Die hiesigen Ausgrabungen zielen gegenwärtig in drei Richtungen ab. Erstens auf die Untersuchung der königlichen Bauten aus der Mitte der 5. Dynastie (ca. 2400 v. Chr.). Ausgegraben und dokumentiert wurden vor allem der unvollendete Pyramidenkomplex des Königs Raneferef und einige kleinere Pyramidenanlagen der Königinnen namens Chentkaus. Zweitens auf die Untersuchung der privaten Gräberfelder aus dieser Zeit, namentlich der Grüfte vom Typus einer Mastaba im mittleren und südlichen Teil der Lokalität Abusir. Diese Grüfte stammen vor allem aus der 5. und 6. Dynastie, vereinzelt aber ebenso aus dem Mittleren und dem Neuen Reich. Die dritte Richtung der Ausgrabungen konzentriert sich auf die Erforschung der großen Grüfte aus der Mitte des 1. Jahrtausends v. Chr., die am südwestlichen Rand der archäologischen Konzession liegen."
Zu den berühmtesten Funden gehört die Entdeckung des teilweise erhaltenen Papyrusarchivs von König Raneferef aus der Hälfte der 5. Dynastie, d. h. um 2400 v. Chr. Des Weiteren die Entdeckung einiger kleinerer Bruchstücke der königlichen Statuen dieses Herrschers sowie der Fund der nicht ausgeraubten großen Gruft des Würdenträgers und Priesters Iufaa aus der Mitte des 1. Jahrtausends v. Chr. Alle genannten Erfolge wären ohne die Mitarbeit der ägyptischen Partner undenkbar.
"Die tschechische Ägyptologie basiert auf der schon lange Zeit währenden Zusammenarbeit mit ägyptischen Partnern, insbesondere mit dem Höchsten Rat für Denkmäler in Ägypten. Viele Jahre arbeitet sie aber ebenso mit einer ganzen Reihe von ausländischen archäologischen und ägyptologischen Arbeitsstätten zusammen, sowohl direkt in Ägypten, wie z. B. mit den dortigen Zweigstellen des Deutschen und des Österreichischen Archäologischen Instituts, als auch mit mehreren Museen und Universitäten in Europa und in den USA. Besonders hervorzuheben ist jedoch die Zusammenarbeit mit den ägyptologischen Instituten der Universität in Hamburg und der Universität in Wien."
Die Bedingungen, unter denen die Archäologen vor Ort arbeiten, sind sehr spezifisch. Über reiche Erfahrungen damit verfügt auch Ladislav Bares."Die Ägyptologie ist eine ziemlich schwierige und komplexe Wissenschaft, die nicht nur die grundsätzliche Kenntnis über die Geschichte des alten Ägyptens, sondern auch das Wissen über die altägyptische Sprache und natürlich auch über die spezifischen archäologischen Methoden unserer Arbeit umfasst. Gegenwärtig arbeiten wir u. a. mit Anthropologen, Geophysikern, Architekten und mit Experten aus den verschiedensten Fachgebieten der Naturwissenschaft zusammen. Letztere bestimmen u. a. die alten botanischen oder zoologischen Funde, um sie dann weiter zu untersuchen."
Die Menge der Funde während der langfristigen Ausgrabungen ist riesig. Daher ist es bestimmt interessant zu wissen, wo sie eigentlich aufbewahrt werden.
Nicht vergessen werden sollte auch, dass die Grabungen im Terrain oftmals sehr entkräftend sind, dass sie von jedem große Anstrengungen und persönliche Entbehrungen verlangen. Manchmal läuft die Arbeit unter wirklich schwierigen Bedingungen ab, ohne Rücksicht auf Wind und Wetter. Gearbeitet wird vor allem im Winterhalbjahr, d. h. von Oktober bis März, da es aus klimatologischer Sicht günstiger ist. Die tschechischen Ägyptologen greifen hierbei besonders auf die guten Geländekenntnisse der Familie el-Kerétí zurück, die sie sehr schätzen. Die Mitglieder der Familie arbeiten mit dem Tschechischen Ägyptologischen Institut schon seit 1962 zusammen, und das mit Erfolg. Die gesamte Tätigkeit auf den ägyptischen Grabungsplätzen wäre aber nicht möglich, wenn ihre Finanzierung nicht sichergestellt würde.
"Unsere Arbeitstätte ist ein Teilbereich der Philosophischen Fakultät der Karlsuniversität in Prag. Ihre Tätigkeit wird vor allem aus Mitteln finanziert, die im Rahmen bedeutender Wissenschaftsprojekte ausgelobt werden. Darüber hinaus wird sie aus Budgets der Karlsuniversität finanziert. Wir wehren uns natürlich auch nicht vor Geldern privater Sponsoren oder anderen Mitteln."Zu den wichtigen Aufgaben des Tschechischen Ägyptologischen Instituts gehört es auch, seine aktuellen Entdeckungen einer möglichst breiten Öffentlichkeit zu präsentieren. Dazu erläuterte Ladislav Bares:
"Die Ergebnisse unserer Arbeit werden nicht nur in wissenschaftlichen Publikationen, Monografien, Studien und insbesondere in Artikeln ausländischer Zeitschriften veröffentlicht. Ein wichtiger Teil unserer Aufgaben besteht auch darin, diese Ergebnisse zu popularisieren. Die Mitarbeiter unseres Instituts wie die des Projekts haben zur Herausgabe einer ganzen Reihe von öffentlichen Publikationen schon mehrfach beigetragen. Sie beteiligen sich ebenso an der Vorbereitung von Fotoausstellungen oder Expositionen mit ausgegrabenen Gegenständen, die in verschiedenen Museen gezeigt werden. Eine gute Zusammenarbeit pflegen wir mit den Medien, sowohl im In- als auch im Ausland. Nicht selten werden Ausstellungen in den Tschechischen Zentren im Ausland durchgeführt, wie dieser Tage zum Beispiel in Dresden. Wir bemühen uns daher, eine breite Öffentlichkeit darüber zu informieren. Und die Resonanz, die unsere Tätigkeit verzeichnet, beweist, dass wir unsere Arbeit gut machen."