Tschechiens Biathlon-Verband will keine Kompromisse für Dopingsünder
An diesem Donnerstag beginnt im österreichischen Hochfilzen die Weltmeisterschaft im Biathlon. Vor diesen mit Spannung erwarteten Titelkämpfen gab es jedoch schon viel Wirbel – wegen des McLaren-Reports zum Staatsdoping in Russland. Die große Mehrheit der Sportler aus den anderen Ländern will, dass der internationale Biathlon-Verband daraus Konsequenzen zieht.
Jiří Hamza: „Ich denke, es ist an der Zeit, dass man in dieser Sache energisch vorgeht. Ich plädiere dafür, dass diejenigen, die der Einnahme unerlaubter Präparate laut dem Report verdächtig sind, zumindest vorübergehend gesperrt werden.“
Die zwei genannten Russinnen wurden vom internationalen Biathlon-Verband (IBU) im Dezember vorübergehend suspendiert. Dies ist eine sinnlose Entscheidung, denn sowohl Romanowa als auch Wiluchina haben ihre Karriere bereits beendet. Nur gegen sieben der übrigen 29 Dopingsünder laufen Ermittlungen. Das ist für die Kontrahentinnen und Kontrahenten der anderen Nationen eine Farce. Deshalb haben sie Druck gemacht auf den Biathlon-Weltverband und dessen Präsidenten Anders Besseberg. In einer Petition forderten sie ein konsequentes Vorgehen gegen die Dopingsünder. Initiiert wurde das Papier von einem Trio – dem Franzosen und Weltcup-Führenden Martin Fourcade, dem US-Amerikaner Lowell Bailey und dem Tschechen Michal Šlesingr. Unterzeichnet wurde die Petition Mitte Januar beim Weltcup in Ruhpolding von 157 Sportlern und 56 Trainern aus 26 Ländern. Die Forderung der Aktiven unterstützt auch der Chef des tschechischen Biathlon-Verbandes, Jiří Hamza:
„Ich denke, es ist an der Zeit, dass man in dieser Sache energisch vorgeht. Ich plädiere dafür, dass diejenigen, die der Einnahme unerlaubter Präparate laut dem Report verdächtig sind, zumindest vorübergehend gesperrt werden.“Auf die Petition wollte der internationale Biathlon-Verband dann eine Woche später beim Weltcup in Antholz reagieren. Doch die Tagung der Verbandsoberen brachte nichts als heiße Luft. Man könne in dieser Sache nichts unternehmen. Weitreichende Entscheidungen wie den möglichen Ausschluss der vermeintlichen russischen Dopingsünder könne nur die Mitgliederhauptversammlung des Verbandes, der IBU-Kongress, treffen, hieß es. Die Unterzeichner der Petition wähnten sich nicht ernstgenommen. Daher planten sie für den Abschlusstag des Weltcups in Antholz eine konzertierte Aktion. Sie sollte beim Massenstart-Rennen der Männer über die Bühne gehen. Michal Šlesingr:
„Wir wollten gleich nach dem Startsignal für eine gewisse Zeit im Startbereich stehenbleiben. Damit wollten wir deutlich machen, dass wir hinter unseren Forderungen stehen.“Der öffentlichkeitswirksame Protest der Biathleten wurde jedoch in letzter Minute abgeblasen. IBU-Chef Besseberg hatte Wind von der Aktion bekommen – und zugleich kalte Füße. Er versprach den Aktiven zu handeln: Für den 8. Februar berief er einen IBU-Sonderkongress ein, der in einem Nachbarort von Hochfilzen, in Fieberbrunn, stattfinden soll. Eine Reaktion des Weltverbandes auf die Forderung der weltbesten Biathleten steht also weiter aus. Tschechiens Verbandschef Hamza ist aber optimistisch, dass die Sache nun endlich ins Rollen kommt:
„Wir sind froh darüber, dass wenigstens der IBU-Sonderkongress einberufen wurde. Denn die Exekutive des Weltverbandes hat sich in gewisser Weise immer hinter dem Kongress versteckt. Sie behauptete ständig, in dieser Angelegenheit nicht befugt zu sein, nach den Regeln zu entscheiden.“
Dabei sei es wichtig, dass der Weltverband ein klares Zeichen setze in einer Sportart, die einen sehr guten internationalen Ruf genieße, betont Hamza:„Ich denke, Biathlon gehört zu den saubersten Sportarten überhaupt. Doch um dies zu wahren, sollten wir unter uns für Ordnung sorgen.“
Die 31 Verdachtsfälle bei Biathleten stellen nur zirka drei Prozent aller Dopingfälle dar, die im McLaren-Report erwähnt werden. Das sei einerseits kein Grund zu großer Besorgnis, etwas anderes aber stimme ihn nachdenklich, sagt Hamza:
„Leider geht alles nur in eine Richtung. Über 90 Prozent der des Dopings überführten Sportler kommt aus Russland und aus anderen postsowjetischen Staaten. Wir sind der Meinung, dass man dem die Stirn bieten muss.“
Und dies tun der tschechische Biathlon-Verband, seine Trainer und Athleten schon seit Mitte Dezember, kurz nachdem der zweite Untersuchungsbericht der Wada veröffentlicht wurde. Tschechien gehört also zu den Wegbereitern der Anti-Doping-Initiative und zu deren hartnäckigsten Verfechtern. Das aber hat den Leuten um Martin Hamza nicht nur Lob eingebracht. Kritik kam selbst aus dem eigenen Lager, sagt Hamza:
Hamza: Leider geht alles nur in eine Richtung. Über 90 Prozent der des Dopings überführten Sportler kommt aus Russland und aus anderen postsowjetischen Staaten. Wir sind der Meinung, dass man dem die Stirn bieten muss.“
„Ich spüre den Druck einiger tschechischer Funktionäre. Sie rufen mich an und fragen, weshalb wir das tun, wir würden dem tschechischen Sport damit Schaden zufügen. Ich sehe das aber anders. Wir können doch nicht zusehen, wie in einigen Ländern heimlich, still und leise gedopt wird. Damit sind unsere Sportler im Nachteil. Als Präsident des tschechischen Verbandes ist es unter anderem meine Aufgabe, dass ich für unsere Sportler reguläre Bedingungen schaffe. Denn eines ist klar: Ein sauberer Sportler hat im Wettkampf niemals die gleichen Voraussetzungen wie ein gedopter.“
Von seinem Kampf gegen Doping lässt sich Hamza auch nicht durch die Anfeindungen abbringen:
„Natürlich haben wir uns viele Leute zu Feinden gemacht. Auch mir persönlich ist damit geschadet. Doch im Leben gibt es Momente, da muss man sich einfach äußern.“
Wesentlich schlimmer sei es, dass nun auch die Biathleten selbst den Anfeindungen der Gegenseite ausgeliefert seien. Martin Fourcade, Lowell Bailey und andere Aktive würden in den russischen Medien verunglimpft, denn die dortige Propaganda funktioniere sehr gut, bemerkt Hamza. Aber nicht nur das: Im Netz schüren russische Biathlon-Anhänger offen ihren Hass gegen die Unterzeichner der Petition. Auch Morddrohungen sind darunter.Zu den Unterstützern des Anti-Doping-Kampfes gehört auch die tschechische Top-Athletin Gabriela Koukalová. Für ihre Haltung wird sie jetzt attackiert. Zu ihren klaren Aussagen gehören starke Sätze, die sie beim Weltcup in Oberhof gegenüber deutschen Journalisten äußerte. Zum Beispiel:
„Ich glaube, die einzige Möglichkeit zur Selbstachtung besteht darin, absolut fair zu sein in allen Dingen, die man macht“.
Deshalb hätte sie absolut kein Problem damit, wenn noch mehr als die 25 bis 30 Doping-Kontrollen pro Jahr bei den Athleten durchgeführt würden. Und auf die Frage eines russischen Journalisten, ob sie dessen im Weltcup vorn mitmischenden Landsmann Anton Schipulin für „sauber“ halte, antwortete die 27-Jährige: „Wenn all diese Athleten in einem Team sind, glaube ich keinem mehr von ihnen.“
Nun soll also der IBU-Kongress am Mittwoch für Klarheit sorgen, wie mit den des Dopings verdächtigten Biathleten aus Russland verfahren wird. Zumal sie bisher niemandem vom Gegenteil der Anschuldigungen gegen sie überzeugt haben. Jiří Hamza hofft auf einen kompromisslosen Beschluss:„Wenn eine Petition von 157 Biathleten unterschrieben wird, dann ist das schon ein starkes Mandat, das verhindert, dass die Sache unter den Tisch gekehrt wird. Ich glaube daran, dass die IBU mit Präsident Besseberg an der Spitze richtig entscheiden und den Stall ausmisten wird. Auch wenn es wehtun wird.“