Tschechiens Fußballer enttäuschen erneut: Heimpleite gegen Litauen

Daniel Pudil (Foto: ČTK)

Seit ihrer Gründung im Januar 1993 konnte sich die Tschechische Republik jedes Mal für die Endrunde einer Fußball-Europameisterschaft qualifizieren. 1996 in England und 2004 in Portugal kehrten die Kicker um Nedvěd, Poborský und Co. sogar mit einer Medaille nach Hause. Den Grundstein dafür legten sie stets mit einem siegreichen Eröffnungsspiel in der Qualifikation. Seit Dienstagabend aber ist diese Positivserie passé: die Mannschaft von Nationaltrainer Michal Bílek verlor ihr Auftaktspiel zur EM 2012 zu Hause gegen Litauen mit 0:1!

Tomáš Rosický  (Foto: ČTK)
Wie immer sollte jetzt alles besser werden. Nach der blamablen EM-Endrunde 2008 in der Schweiz und der desaströsen Vorstellung in der WM-Qualifikation 2010 wollten die Kicker um Kapitän Tomáš Rosický nun endlich wieder positive Schlagzeilen schreiben. Die Voraussetzungen dafür schienen äußerst günstig: ein eher leichter Gegner, Führungsspieler wie Čech, Rosický und Baroš waren nach Verletzungen wieder im Kader und das Auftaktspiel fand vor heimischer Kulisse im beliebten Stadion von Olomouc / Olmütz statt. Auch Torwart Petr Čech freute sich auf die neue Chance:

„Die tschechische Nationalmannschaft hat schon eine zeitlang nicht in Olmütz gespielt. Für uns beginnt eine neue Qualifikation und ich finde es gut, dass das Spiel gegen Litauen ausverkauft sein wird und wir so auch eine starke Unterstützung von den Rängen haben werden.“

Milan Baroš  (Foto: ČTK)
Mit gut 12.000 Zuschauern war das Ander-Stadion in der mährischen Blumenstadt dann auch vollbesetzt, doch so rechte Stimmung wollte von Anfang an nicht aufkommen. Trotz schwungvollen Beginns offerierten die tschechischen Fußballer nämlich schon bald, woran ihr Spiel zurzeit am meisten krankt: an mangelhaftem Zusammenspiel und fehlender Spritzigkeit im Vorwärtsgang sowie an der schlechten Chancenverwertung. Und so waren es die Litauer, die den Zuschauern als erste zeigten, wie man eine gelungene Offensivaktion auch erfolgreich abschließt. Auf Flanke von Stankevicius köpfte Sernas nach einer halben Stunde zur Führung für die Gäste ein. Ein Schock, von dem sich die tschechische Mannschaft zunächst aber nicht beeindrucken ließ. Nach einem Abseitstor von Pudil hatte sie dann auch fünf Minuten vor der Halbzeit die große Ausgleichchance, doch Stürmer Milan Baroš konnte den vom israelischen Schiedsrichter Jefet großzügig gepfiffenen Foulstrafstoß nicht verwandeln. Nach der Partie wusste der Fehlschütze nur allzu gut, dass er eine Spiel entscheidende Situation nicht gemeistert hatte:

Stürmer Milan Baroš konnte den vom israelischen Schiedsrichter Jefet großzügig gepfiffenen Foulstrafstoß nicht verwandeln  (Foto: ČTK)
„Die Litauer haben gut verteidigt, wir konnten ihren Abwehrwall kaum überwinden. Dennoch haben wir uns mehrere Chancen erarbeitet, doch leider keine davon genutzt. Ich selbst hatte mit dem Elfmeter die große Chance zum Ausgleich und wenn ich sie genutzt hätte, dann hätte das Spiel bestimmt ganz anders ausgesehen. Leider habe ich den Strafstoß nicht verwandelt, von daher nehme ich auch die volle Verantwortung der Niederlage auf mich.“

Die Floskel, die Verantwortung für die nicht erbrachte Leistung eines ganzen Teams auf sich zu nehmen, wird im tschechischen Fußball leider schon fast zu einer neuen Gewohnheit. Die enttäuschten Fans aber haben längst schon einen Anderen für die pomadige Spielweise der Nationalmannschaft und ihren missglückten EM-Auftakt ausgemacht: Trainer Michal Bílek. Beim Schlusspfiff ertönten bereits die ersten „Bílek raus“-Rufe, und auch im TV-Interview gab sich der 45-jährige Fußball-Lehrer eher kleinlaut:

Michal Bílek  (Foto: ČTK)
„Natürlich sind wir jetzt in einer schlechten Situation. Wir haben die Öffentlichkeit enttäuscht, denn wohl jeder hier in Tschechien ging davon aus, das wir dieses Spiel gewinnen werden. Die Realität aber ist leider eine andere.“

Und diese Realität besagt: Sollte Tschechien seine beiden in diesem Herbst noch ausstehenden Qualifikationsspiele, am 8. Oktober in Prag gegen Schottland und am 12. Oktober in Vaduz gegen Liechtenstein, nicht gewinnen, dann dürfte der Zug zur EM-Endrunde wohl erstmals ohne ein tschechisches Team abfahren.

Autor: Lothar Martin
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