Tschechiens Leichtathleten für WM in Doha gerüstet

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Ab Freitag werden in der katarischen Hauptstadt Doha die 17. Leichtathletik-Weltmeisterschaften ausgetragen. Die tschechischen Farben werden von 23 Sportlerinnen und Sportlern vertreten. Sie wollen die bisherige Gesamtbilanz von 25 Medaillen weiter ausbauen – doch dies wird wohl so schwer wie lange nicht.

Jakub Vadlejch  (Foto: Tschechisches Fernsehen)
Die vorherige Leichtathletik-WM fand vor zwei Jahren in London statt. Aus der britischen Hauptstadt brachten die tschechischen Teilnehmer drei Medaillen mit nach Hause: Je einmal Gold, Silber und Bronze. Zwei der Edelmetall-Gewinner von 2017 sind auch in Doha wieder im Aufgebot: der Speerwerfer Jakub Vadlejch, der in London Zweiter wurde, und die Titelverteidigerin im Speerwerfen der Frauen, die zweifache Olympiasiegerin Barbora Špotáková.

Viel hat allerdings nicht gefehlt, und die 38-jährige Špotáková hätte ihre überaus erfolgreiche Karriere bereits beendet. Im vergangenen Jahr hatte sie nämlich ihre zweite Babypause eingelegt und im Juli 2018 ihren zweiten Sohn namens Darek zur Welt gebracht. Als zweifache Mutter habe sie eine gewisse Verantwortung zu tragen, und darüber habe sie sich auch viele Gedanken gemacht, verriet Špotáková zu Saisonbeginn:

Barbora Špotáková  (Foto: David Sedlecký,  Wikimedia Commons,  CC BY-SA 3.0)
„Es hat mehrere Nächte gegeben, in denen ich in meinem Bett darüber nachgedacht habe, ob es noch Sinn hat, die Karriere fortzusetzen.“

Das Feuer für die Leichtathletik aber brenne noch in ihr, versicherte die Athletin aus Jablonec nad Nisou / Gablonz. Deshalb trainiert sie erneut sechsmal die Woche, wegen ihrer Kinder aber vorwiegend in heimischen Gefilden. Aufgrund ihrer ersten Babypause im Jahr 2013 hat sie zudem Erfahrungen, wie man den Anschluss an die Weltelite wieder herstellt. Im April schätzte sie ihr Potenzial so ein:

„Die Anzeichen sind ähnlich wie vor sechs Jahren. Von der Kraft her fühle ich mich genauso stark, aber vielleicht muss ich noch etwas an meiner Schnelligkeit arbeiten. Doch gerade im letzten Monat habe ich gespürt: die Form kommt zurück. Von daher kann ich auch sagen: Ich bin wieder da!“

Bei ihren Wettkämpfen in dieser Saison hatte die amtierende Weltrekordhalterin allerdings weniger Glück und Geschick. Sie knackte die 60-Meter-Marke zwar regelmäßig, doch ihre Bestweiten reichten in der Regel nur für einen Rang knapp hinter den Podestplätzen. Beim Finale der Diamond League in Zürich beispielsweise wurde sie Fünfte. In der Jahres-Weltbestenliste liegen so auch sieben Wettkämpferinnen mit ihren Bestweiten vor ihr. Doch diesen Fehdehandschuh nimmt die Titelverteidigerin gerne auf:

Barbora Špotáková: „Es hat mehrere Nächte gegeben, in denen ich in meinem Bett darüber nachgedacht habe, ob es noch Sinn hat, die Karriere fortzusetzen.“

„Ich bin froh, dass ich eine gesunde Konkurrenz habe. Denn das hat ihr stets geholfen.“

Ein anderes Problem in Katar könnte die große Hitze werden, die dort zu dieser Jahreszeit herrscht. Doch auch davon lässt sich die dreifache Weltmeisterin nicht abschrecken:

„Meine besten Leistungen einschließlich des Weltrekords habe ich ganz sicher nicht bei Temperaturen über 30 Grad erzielt. Im Gegenteil, mir liegen mehr etwas niedrigere Temperaturen. Doch wie zu erfahren war, ist das Stadion in Katar klimatisiert, von daher werden wir vielleicht auch Temperaturen wie im Herbst haben.“

Barbora Špotáková  (Foto: Tschechisches Fernsehen)
Seit September habe sie zudem ihre gesundheitlichen Probleme mit der Achillessehne überwunden, versichert Barbora Špotáková. Sie fühle sich sehr gut und wolle in Doha ihr bestes Saisonergebnis einfahren. Das wären zumindest 64 Meter, denn dann hätte sie auch die Qualifikationsnorm für die Olympischen Spiele im nächsten Jahr in Tokio geschafft. Und das sei schließlich ihr Ziel, bemerkte die zweifache Mutter bei einer Trainingseinheit:

„Mein Traum ist es, dass ich meine Karriere noch bis zu den Spielen in Tokio fortsetze und dort eine gute Figur abgebe. Und vielleicht bestärkt mich ja gerade das heutige Training, dass ich das auch erreichen kann.“

Špotáková: „Mein Traum ist es, dass ich meine Karriere noch bis zu den Spielen in Tokio fortsetze und dort eine gute Figur abgebe.“

Barbora Špotáková baut also für die WM vor allem auf ihre Erfahrung. Demgegenüber kann ihre Landsfrau Nikola Ogrodníková in diesem Jahr die besseren Resultate vorweisen. Die Vizeeuropameisterin von 2018 hat in dieser Saison schon die 67-Meter-Marke übertroffen, sie geht damit mit der weltweit drittbesten Saisonleistung in Doha an den Start.

Mit seinen weiblichen Teamkolleginnen kann Speerwerfer Jakub Vadlejch diesmal nicht ganz mithalten. Der WM-Zweite von London kam in dieser Saison noch nicht richtig in Tritt. Vor dem Wettkampf in Doha lag er so nur auf dem 13. Platz der Saison-Weltbestenliste. Und Vadlejchs Trainingspartner Petr Frydrych, der in London noch Dritter war, hat sich erst gar nicht für die WM qualifiziert.

Tomáš Staněk  (Foto: C messier,  CC BY-SA 4.0)
Ein zuverlässiger Athlet hingegen ist Kugelstoßer Tomáš Staněk. Bei Welt- und Europameisterschaften in der Halle hat er bisher drei Medaillen erkämpft. Bei den Wettkämpfen im Freien aber trifft er regelmäßig auf eine harte Konkurrenz, die noch bis zu einem Meter weiter stoßen kann als er. Daher ist er dort schon mehrfach nur knapp an einem Podestplatz vorbeigeschrammt. Bei einem Wettkampf Mitte September in Ústí nad Labem / Aussig erlebte der 28-Jährige dann sogar eine Schrecksekunde:

„In Ústí lief es nicht besonders, doch beim Einwerfen habe ich mich so gut gefühlt wie lange nicht. Dabei hatte ich auch einen sehr weiten Stoß. Doch im Wettkampf habe ich mir im fünften Versuch vermutlich die Leiste gezerrt. Jetzt muss ich versuchen, für die WM so schnell wie möglich wieder in Form zu kommen.“

Nur wenige Tage später kam dann auch die Entwarnung: Die Verletzung Staněks war nicht folgenschwer, er wird in Doha an den Start gehen.

Die beiden Mittelstreckenläufer Jakub Holuša und Filip Sasínka wiederum wurden vor dieser Saison längere Zeit von Verletzungssorgen geplagt. Beide haben die strenge Zeitvorgabe des Weltverbandes für die WM-Teilnahme zwar nicht erfüllt, doch aufgrund ihrer Platzierung in der Weltrangliste dürfen sie trotzdem in Doha starten. Holuša bekommt somit die Möglichkeit, seinen guten fünften Platz von London zu verteidigen. Für Sasínka dagegen ist es die WM-Premiere. Bei der Hallen-Europameisterschaft im März wurde er Vierter, und anschließend sagte er:

Filip Sasínek  (Foto: Filip Bossuyt,  Flickr,  CC BY 2.0)
„Ich weiß nicht, ob ich schon in meiner besten Form bin. Ich hoffe es nicht, denn ich will in der Freiluftsaison noch besser sein. Doch für meine Rückkehr in der internationalen Konkurrenz war das sicher ganz ordentlich.“

Nicht mehr im Aufgebot der WM-Teilnehmer ist allerdings die vielseitigste Frau unter den tschechischen Leichtathletinnen: Siebenkämpferin Eliška Klučinová. Die 31-Jährige gehörte jahrelang zu den besten Mehrkämpferinnen in Europa, doch Anfang September hat sie nach einem Wettkampf in Hodonín / Göding für manche überraschend das Ende ihrer Karriere bekanntgegeben:

„Ich habe mir einen Traum erfüllt, als ich bei der Hallen-Europameisterschaft 2015 in Prag die Bronzemedaille gewonnen habe. Das kann mir keiner nehmen. Selbst jetzt noch könnte ich mit den Besten mithalten, denn ich kann immer noch relativ hoch und weit springen, und auch im Kugelstoßen erziele ich passable Weiten. Vor dem jeweiligen Saisonhöhepunkt hatte ich jedoch immer wieder mit Verletzungen zu kämpfen, und das macht mir einfach keinen Spaß mehr.“

Jan Netscher: „Falls es unseren Athleten gelingt, in Doha ihre besten Trainingsleistungen auch im Wettkampf abzurufen, dann könnte das bei sechs bis sieben von ihnen zu einer Medaille reichen. Doch das wird sich zeigen.“

Nur kurze Zeit später musste der Leichtathletik-Verband noch einen kleinen Nackenschlag einstecken, allerdings einen mit Ansage. Nach exakt zehnjähriger Amtsausübung trat der ehemalige Weltmeister und Weltrekordler im Zehnkampf, Tomáš Dvořák, am 15. September als Cheftrainer der tschechischen Leichtathletik-Nationalmannschaft zurück. Zehn Jahre seien genug, er sei müde und würde sich gern vom Stress, den er als Verantwortlicher habe, erholen, hatte Dvořák schon im Juni verkündet. Sein Nachfolger ist der ehemalige Stabhochspringer Jan Netscher. Auch wenn der 43-Jährige nicht annähernd dieselbe Vita aufzuweisen hat wie sein Vorgänger, so versprüht er bei seiner ersten WM als Cheftrainer dennoch einen scheinbar unerschütterlichen Optimismus:

„Falls es unseren Athleten gelingt, in Doha ihre besten Trainingsleistungen auch im Wettkampf abzurufen, dann könnte das bei sechs bis sieben von ihnen zu einer Medaille reichen. Doch das wird sich zeigen.“

Autor: Lothar Martin
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