Tschechische Gewerkschafter gegen Sozial- und Lohndumping

Pavel Skacelik

Das Europaparlament hat sich an diesem Donnerstag auf eine veränderte EU-Dienstleistungsrichtlinie geeinigt. Während führende tschechische Politiker sich für die Beibehaltung des strittigsten Punktes, des so genannten Herkunftslandprinzips einsetzten, demonstrierten tschechische Arbeitnehmer gemeinsam mit mehreren Zehntausenden Gewerkschaftern aus anderen europäischen Ländern eben für die Aufhebung dieses Passus.

Pavel Skacelik
Jeder zweite Europäer arbeitet heute im Dienstleistungssektor, rund 70 Prozent des europäischen Bruttoinlandprodukts werden in diesem Bereich erwirtschaftet. Allerdings sind die Märkte der einzelnen EU-Staaten bislang weitgehend voneinander abgeschottet, Überschneidungen sind die Ausnahme. 600.000 neue Arbeitsplätze, mehr Wachstum und weniger Protektionismus im Dienstleistungssektor - das alles soll die neue EU-Dienstleistungsrichtlinie bringen. Doch den Zehntausenden Gewerkschaftern, die Anfang der Woche in Straßburg dagegen demonstrierten, ging die geplante Liberalisierung zu weit. Der Casus knaxus war das so genannte Herkunftslandprinzip. Danach wären Dienstleister bei Tätigkeiten im EU-Ausland nur den Regeln ihres jeweiligen Heimatlandes unterworfen worden. Mit anderen Worten: wer aus seiner Heimat niedrige Lohnniveaus, katastrophale Umweltstandards oder fehlenden Arbeitnehmerschutz gewohnt ist, der kann zu denselben Bedingungen auch Dienstleistungen im Ausland anbieten. Eine alarmierende Vorstellung, findet Pavel Skacelik, Vize-Vorsitzender der Böhmisch-Mährischen Gewerkschafts-konföderation (CMKOS):

Foto: Europäische Kommission
"Dann wäre nichts einfacher als wenn beispielsweise eine deutsche Firma eine Niederlassung in einem Land mit niedrigerem Lohnniveau und geringeren Sicherheitsstandards gründet. Und dann mittels dieser Firma wieder Dienstleistungen in ihrer ursprünglichen Heimat anbietet. Dann allerdings schon zu den Konditionen des Landes mit den niedrigeren Standards. Wir sind überzeugt, dass das nicht der richtige Weg ist. Es kann nicht der richtige Weg sein, die Standards zu senken."

Die tschechischen Gewerkschaften haben daher volles Verständnis für die Befürchtungen ihrer Kollegen aus Westeuropa, so Skacelik:

Foto: Europäische Kommission
"Ich habe mich mit britischen Gewerkschaftern über das Thema Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz unterhalten. Und sie haben mir erzählt, dass sie viele Jahre gebraucht haben, bis sie sich hier gewisse Standards erkämpft hatten. Und diese langjährige Arbeit wäre einfach dahin, wenn die Bestimmungen jetzt aufgeweicht werden. Dazu kommt, dass es für die Behörden der einzelnen EU-Länder nahezu unmöglich wäre, die Einhaltung von Sicherheitsstandards zu kontrollieren, wenn es keine einheitlichen Standards mehr gibt. Stellen Sie sich einmal z.B. ein großes Bauprojekt in Tschechien vor, an dem mehrere Firmen aus unterschiedlichen EU-Staaten beteiligt sind. Und für jede dieser Firmen würden andere Regeln gelten. Ich möchte nicht an der Stelle der tschechischen Konrollbehörden sein, die im Grunde die Rechtssysteme aller 25 EU-Staaten kennen müssten, um beurteilen zu können, ob die Bauarbeiter sich an die entsprechenden Vorschriften halten. Das ist eine sehr heikle Angelegenheit."

Foto: Europäische Kommission
Die tschechische Regierung, findet der Vizechef des größten tschechischen Gewerkschaftsverbandes, Pavel Skacelik, war etwas zu blauäugig, als sie vergangene Woche an die Europäische Kommission appellierte, das ursprünglich geplante Herkunftslandprinzip in der Dienstleistungsrichtlinie zu erhalten:

"Ich sehe darin eine große Gefahr - nicht nur für die alten EU-Länder. Denn in derselben Situation, in der sich jetzt die deutschen und französischen Arbeitnehmer befinden, die Billigkonkurrenz aus dem Osten fürchten, in derselben Situation können sich die Tschechen in ein paar Jahren befinden, wenn etwa Bulgarien und Rumänien der EU beitreten."