Tschechische Künstler als Politiker

Vaclav Havel

Über tschechische Künstler als Politiker informiert Sie im heutigen Feuilleton Martina Zschocke.

Tschechien ist einzigartig. Nicht nur in der Produktion von Knödeln und Bier, sondern auch in der Transformation seiner Künstler in Politiker. Kein anderes Land hat so viele Künstler als Politiker zu bieten. Vorzugsweise Schriftsteller, wovon es in Tschechien - rein künstlerisch gesehen - ohnehin am meisten zu geben scheint.

Unlängst beendete der Schriftsteller Vaclav Havel seine Amtszeit als Präsident der Tschechischen Republik. Nun werde er wieder schreiben, ließ er verlauten. Der Dichter und Schriftsteller Jiri Grusa war erst Botschafter Tschechiens in Deutschland, dann tschechischer Kultusminister und vertritt seitdem sein Heimatland als Botschafter in Wien. Seine Botschaftsresidenz befindet sich bezeichnenderweise in der Wiener Pointengasse. Pointierte Formulierungen und gut geschriebene Reden sind ja üblicherweise nicht gerade eine Stärke von Politikern. Havel und Grusa kann man das ganz gewiss nicht vorwerfen. Wenn Schriftsteller Regierungsreden ausarbeiten, dann haben die von vornherein schon mal eines: handfesten Inhalt und formalen Schliff. Nicht selten ein himmelweiter Unterschied zu denjenigen ihrer lebenslang einzig auf die politische Laufbahn eingefahrenen Kollegen. Es hat allerdings auch seine Tücken. Mitarbeiter, die Havels Reden zu korrigieren hatten, sollen bisweilen an seinem Hang zur Originalität gelitten haben, betrachtete er Redenschreiben doch als schriftstellerisches Werk, weshalb er es sich nur ungern - wie allgemein üblich - abnehmen ließ.

Vaclav Havel war zweifellos ein außergewöhnlicher Präsident. In seiner 13jährigen Amtszeit hat er nicht nur weltweite Anerkennung gewonnen, sondern auch Unkonventionalität und Geschmack bewiesen. Ein Präsident, von dem bekannt wurde, dass er die langen Gänge der Prager Burg zeitweilig mit einem Kinderroller abkürzte. Ein Präsident, der den Innenarchitekten Borek Sipek beauftragte, sein Büro und einige Umbauten im Burgareal zu gestalten. Ein Präsident der noch dazu einen Kostümbildner vom Film anstellte, die rot-weiß-blauen Uniformen der Burgwache zu entwerfen. Und ein Präsident, der seine Unterschrift regelmäßig mit einem Herz verzierte.

Vaclav Havel war es auch, der Frank Zappa seinerzeit zum amerikanischen Botschafter in Prag machen wollte. Nachdem dieser - trotz seiner Kampagne "Zappa for President" - nicht Präsident der Vereinigten Staaten wurde. Zappa wurde leider nicht zum amerikanischen Botschafter in Prag ernannt. Dafür empfing Havel die Stones, den Dalai Lama und Salman Rushdie. Immerhin hatte Havel mit Bill Clinton dann jemanden, mit dem er die Warhols in der Slowakei besuchen konnte. Clinton ist zwar weder Künstler noch Schriftsteller, aber wenigstens spielt er Saxophon. Es ist anzunehmen, dass Vaclav Havel während seiner 13-jährigen Amtszeit durchaus auch Spaß hatte, obwohl er für diese Tätigkeit sein Schreiben und seine Gesundheit geopfert hat. Doch Havel war ein bewundernswerter Präsident, darin sind sich die meisten einig. Und er war eindeutig originell dabei. So viel Pop-Appeal und dabei Glaubwürdigkeit und kluge Entscheidungsfähigkeit hat kaum ein anderer zu bieten. Die Tätigkeit des Botschafters scheint besser mit schriftstellerischem Schaffen kompatibel zu sein. Dafür ist das Präsidentenamt ja keine Lebensanstellung und im Falle Havels hofft man doch inständig, dass er zum Schreiben zurückkehren wird. Stoff für absurdes Theater dürfte er nach seiner Präsidenten-Tätigkeit - besonders nach den wöchentlichen Treffen mit Vaclav Klaus - genug haben.

Milan Knizak  (Foto: CTK)
Jiri Grusa hatte es da schon leichter. Ihm gelang es trotz seiner Diplomatentätigkeit weiterhin zu schreiben. Mit guter Regelmäßigkeit veröffentlicht er neue Bücher und tritt zu Lesungen auf. Sicher hat es ähnliches auch in anderen Ländern hin und wieder gegeben. Doch in derartiger Konzentration und Dichte findet man dies wohl nur in der jüngsten tschechischen Vergangenheit. Dabei beschränkt sich das in Tschechien keineswegs auf Schriftsteller. Der Schauspieler, frühere Minister und Botschafter Tschechiens im Vatikan Martin Stropnický ist neuer Direktor des Divadlo Na Vinohradech. Und Milan Knizak, der einstige Happening-Künstler und das Enfant terrible der tschechischen Kunstszene der 60er Jahre ist heute Herrscher über sieben Prager Museumshäuser. Doch Vaclav Havel, der es in frühen Interviews als Schriftsteller und Dramatiker immer abgelehnt hatte, Politiker zu werden, war sicher der Höhepunkt. Und er wird fehlen. Jiri Grusa und Milan Knizak bleiben uns in ihren Ämtern sicher erhalten. Doch jemand wie Havel als Präsident wird wohl nicht mehr zu finden sein, wie die zähen Regierungsverhandlungen bewiesen.

Wir jedenfalls wünschen ihm alles Gute und hätten als Nachfolger - da es Ivan Klima nun mal nicht machen will - gern Pan Tau oder den Kleinen Maulwurf mit ihrem friedlichen und optimistischen Weltbild vorgeschlagen. Auch weil diese wohl weder Kriege vom Zaun brechen, noch diese unterstützen würden. Nato-Mitgliedschaft hin oder her.