Tschechische Künstler und ein voller Ausstellungskalender – Galerie Goller in Selb
Die Galerie Goller im oberfränkischen Selb feiert dieses Jahr ihr zwanzigjähriges Bestehen. Die private Galerie, die auf konkrete Kunst ausgerichtet ist, blickt auf eine lange Reihe von Ausstellungen tschechischer Künstler zurück. Seit Beginn präsentiert Galerieleiter Hans-Joachim Goller zusammen mit dem Kunstverein Hochfranken Selb regelmäßig zweimal im Jahr Werke aus dem Nachbarland. Noch bis 8. Januar 2017 sind nun Gemälde des Karlsbader Malers und Galeriedirektors Jan Samec zu sehen. Kein Zufall, dass Jan Samec zum runden Jubiläum nach Selb zurückkehrt, denn er ist zum wichtigsten tschechischen Partner der Galerie Goller geworden.
„Wir befinden uns gerade an der Wende vom Ablauf der ersten zwanzig Jahre Ausstellungstätigkeit hin zum Start der nächsten Periode. Ob das dann 20 Jahre werden oder gar 30, weiß ich nicht. Wir lassen das noch offen, aber jetzt schon kann ich Ihnen verraten, dass der Ausstellungskalender bis Ende 2018 bereits voll ist. Als wir die erste Ausstellung mit einem Tschechen hier gemacht haben, waren es Arbeiten von František Steker. Jetzt zeigen wir Arbeiten von Jan Samec.“
Jan Samec wurde 1955 in Karlsbad geboren. Von 1980 bis 1984 wirkte er als Kunsthistoriker in der Galerie umění, der Galerie der Künste in Karlovy Vary / Karlsbad. 2004 kehrte er als Direktor dorthin zurück. Zur Galerie der Künste Karlsbad gehört auch das Sommerschloss in Ostrov nad Ohří / Schlackenwerth, in dem die Grafische Sammlung untergebracht ist, und seit gut fünf Jahren des Weiteren die Interaktive Galerie Becher-Villa, deren Programm vor allem auf junge Künstler ausgerichtet ist.
Herr Samec, wann haben Sie das erste Mal in der Galerie Goller in Selb ausgestellt, und was für Bilder haben Sie damals gezeigt?
„Das weiß ich noch ganz genau, das war im Mai 2006. Es war eine schwarz-grau-weiße Serie von Bildern zum Thema ‚Stereotypen und Strukturen‘.“
Diesmal haben Sie neue Arbeiten mitgebracht. Wie hat sich Ihr persönlicher Stil in der Zwischenzeit entwickelt?
„Derzeit male ich sehr farbig. Einiges ist selbstverständlich gleich geblieben, zum Beispiel die expressiv-emotionale Komponente der Bilder. Aber ganz neu ist die Geometrie. Die geometrischen Elemente stehen im Kontrast zur chaotischen Dimension der Bilder und verkörpern das rationale Prinzip.“
Sie sind nicht nur bildender Künstler, sondern seit 2004 auch Direktor der Galerie der Künste in Karlsbad. Diese traditionsreiche, große Bezirksgalerie ist mittlerweile der wichtigste Partner der privaten Galerie Goller in Tschechien. Wie schätzen Sie persönlich diese Kooperation ein?„Ich muss zunächst richtigstellen, dass wir im Grunde Partner des Kunstvereins Hochfranken Selb sind. Natürlich ist es uns für sehr interessant und angenehm, mit Deutschland zu kooperieren, weil wir dabei auch unsere Kunst hier in Selb ausstellen können. Und wir können durch diese Zusammenarbeit auch neue Künstler aus Deutschland nach Karlovy Vary bekommen.“
Herr Goller, Sie blicken auf eine lange Reihe von Ausstellungen tschechischer Künstler in Ihrer Galerie zurück. Können Sie ein paar Höhepunkte aus der Reihe der tschechischen Ausstellungen nennen?
„Ja, da fallen mir ganz spontan zum Beispiel der Vertreter der konkreten Kunst Jan Kubíček und dessen Kollege Zdeněk Sýkora ein, aber auch der Theoretiker Jiří Valoch, der unter anderem mit Schrift arbeitet, oder Lubomír Přibyl.“
Ihre Kooperation mit tschechischen Künstlern hat auch zahlreiche andere Aktivitäten umfasst, zum Beispiel gemeinsame Workshops. Worum ging es in diesen Workshops?
„Diese Workshops waren ausnahmslos Bestandteil von größeren Projekten, die der Kunstverein Hochfranken Selb und ich für die Galerie Goller durchgeführt haben. Die Workshops haben Ergebnisse gezeitigt, die im Stadtbild noch heute zu sehen sind. Zweimal haben wir Granitskulpturen gefertigt, einmal Stahlskulpturen. Was demnächst kommen wird, das lassen wir erst einmal offen.“
„Mir war klar, dass man einen langen Atem braucht, damit wieder ein vernünftiges Verhältnis entsteht.“
Hat dieses Engagement, für das Sie viel Zeit und Energie aufgewendet haben, für Sie persönlich die erhofften Ergebnisse gezeitigt?
„Ja. Ich war von Anfang an nicht euphorisch, weil ich wusste, dass Beziehungen zwischen Deutschen und Tschechen, die lange Jahre durch die Faschisten und die Kommunisten gekappt waren, nicht innerhalb weniger Monate wieder geknüpft werden können. Mir war klar, dass man da einen langen Atem braucht und zwei bis drei Generationen lang daran arbeiten muss, bis das wieder ein einigermaßen vernünftiges Verhältnis entsteht. Aber ich habe diesen Weg beschritten und habe schrittchenweise Erfolge erzielt – es werden von Mal zu Mal mehr.“
Wie viele Besucher fassen die Räume Ihrer Galerie, die in einem Anbau Ihres Privathauses untergebracht ist, der speziell für Galeriezwecke errichtet worden ist?„Wir haben bei der heutigen Vernissage der Ausstellung von Jan Samec 60 Besucher gezählt, und wie Sie sehen, ist noch etwas Platz. Bei der vergangenen Ausstellung hatten wir 100 Besucher, aber da war es schon recht eng.“
Bei den Kunstfreunden kommen die Ausstellungen gut an. Dies bestätigt beispielsweise eine Besucherin aus Rehau:
„Ich finde es ganz wichtig, dass hier immer auch tschechische Künstler ausgestellt werden. So lernt man andere Menschen kennen und kann sich ihre Ansichten anhören.“
Dieter Herold aus Wunsiedel bestätigt die Worte seiner Vorrednerin:
„Ich finde es hervorragend, dass man hier tschechische Künstler sehen kann – weil man dabei über die Grenze schauen kann, die so lange geschlossen war.“
Aber auch von jenseits der Grenze kommen Interessierte in die Galerie:
„Ich heiße Ivana Bertram, wir wohnen in Hranice, das heißt auf Deutsch ‚Roßbach‘ und liegt gleich hinter der deutsch-tschechischen Grenze. Dass hier abwechselnd deutsche und tschechische Künstler ausgestellt werden, finde ich super, aber es ist eigentlich eine Selbstverständlichkeit, denn die Menschen leben jetzt mehr oder weniger miteinander.“
Bauingenieur Tomáš Chromý hat bei seinem Kuraufenthalt in Karlsbad von den Ausstellungen in Selb erfahren:„Ich bin begeistert, dass etwas Derartiges hier jenseits der Grenze existiert und funktioniert. Denn das ermöglicht den Menschen von beiden Seiten der Grenze, von ihren kleinlichen Alltagskram Abstand zu gewinnen und nicht nur auf ihre eigene Geldbörse, sondern auch mal nach vorne zu blicken.“
„Die künstlerische Gestaltung der Fassaden soll die Geschichte der Städte erzählen.“
Hans-Joachim Goller hat zum 20-jährigen Jubiläum seiner Galerie aber auch einen kulturpolitischen Erfolg erzielt. Im Juni kam eine Zusage von Fördergeldern aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, und zwar aus dem bayerisch-tschechischen Programm „Ziel ETZ – Cíl EÚS“. Dies ermöglicht Goller nun, die oberfränkisch-westböhmische Kunstkooperation um neue Standbeine zu erweitern. Einen Schwerpunkt soll künftig – neben Karlsbad – auch Selbs unmittelbare Nachbarstadt Aš / Asch bilden. Im Frühjahr 2017 startet das Projekt „Wir2 – My2 / Hüben und drüben - tam i tady“. Hans-Joachim Goller:
„Dieses Projekt besteht auch wieder aus mehreren Programmpunkten. Wir starten mit einer Ausstellung über Strukturen und Städtebilder im Rosenthal-Theater Selb, die dann in etwas erweiterter Form auch in der Galerie umění in Karlovy Vary zu sehen sein wird. Dann werden wir ein Gesprächsforum veranstalten, bei dem das Thema durch Architekten, Stadtplaner und Künstler geistig unterfüttert werden soll. Den Schwerpunkt des Projektes aber werden Symposien oder Workshops bilden. Dabei werden zum einen Stahlskulpturen geschaffen und zum anderen in jeder der beiden Städte zwei Fassaden bemalt. Die künstlerische Gestaltung dieser Fassaden soll die Geschichte dieser Städte wie auch deren jetzigen Status thematisieren. Ich muss hinzufügen, dass wir aber auch bei früheren Projekten stets Zuschüsse bekamen, und zwar vom Deutsch-Tschechischen Zukunftsfonds, von der Oberfrankenstiftung und weiteren, wenn auch nicht in dieser Größenordnung. Das kommende Projekt umfasst ein Kostenvolumen von 360.000 Euro.“Symbol des Projektes soll das Rhönrad sein. Dazu der Galeriedirektor:
„Ich habe den Gedanken der Zusammengehörigkeit, des Umfassens, des Einschließens der beiden Städte Selb und Asch aus dem Kreis heraus entwickelt. Solche Rhönräder mit einem Durchmesser von drei Metern sollen dann auch künstlerisch gestaltet und zwischen Selb und Asch in der Landschaft ausgestellt werden.“
Den Plänen nach soll das Projekt „Wir 2 – Hüben und drüben“ für die kommenden Jahrzehnte dauerhafte Zeichen für das Zusammenleben von Tschechen und Deutschen im Grenzraum setzen.