Tschechische Kultur am Bodensee – Josef Čapek in München - Kubismus in Regensburg

Josef Čapek

Vor 70 Jahren, kurz vor dem Ende des Zweiten Weltkriegs ist der Maler und Schriftsteller Josef Čapek ums Leben gekommen. Das Tschechische Zentrum München gedenkt dieser Persönlichkeit mit einem Filmabend. Außerdem organisiert es eine Ausstellung über den Architekturstil des Kubismus in Regensburg. Und vor allem lädt es zum Bodenseefestival ein. Unter dem Motto „Böhmen am See“ steht Tschechien in diesem Jahr im Fokus dieser traditionsreichen Kulturveranstaltung am Bodensee. Mehr erfahren Sie aus dem folgenden Gespräch mit dem Leiter des Tschechischen Zentrums in München, Ondřej Černý.

Dokumentarfilm ‚Die unendliche Reise des Josef Čapek‘  (Foto: Tschechisches Fernsehen)
Herr Černý, vor 70 Jahren ist der Maler und Schriftsteller Josef Čapek ums Leben gekommen. Der Bruder von Karel Čapek starb kurz vor dem Kriegsende im KZ Bergen-Belsen. Das Tschechische Zentrum in München erinnert an diese wichtige Persönlichkeit der tschechoslowakischen Kultur und Gesellschaft mit einem Filmabend. Was erwartet die Besucher der Veranstaltung?

„Es ist unsere erste Veranstaltung, die an diesen Jahrestag erinnert. Am 1. April werden zwei Dokumentarfilme vorgeführt. Der Dokumentarfilm ‚Die unendliche Reise des Josef Čapek‘ wurde 2012 von Josef Císařovský gedreht. Der Regisseur widmet sich den Werken, Gedanken und Briefen von Josef Čapek aus der Zeit im KZ Bergen-Belsen. Diese grausam-deprimierenden Erinnerungen werden durch Landschaftsaufnahmen aus der slowakischen Orava-Region unterbrochen, damit auch eine andere Welt als die Grausamkeit des KZs gezeigt wird. Josef Čapek war von dieser Landschaft sehr beeinflusst, unter anderem in seinem literarischen Werk ‚Der hinkende Wanderer‘. Der zweite Dokumentarfilm ist eigentlich ein Vorfilm, er heißt ‚Häftling Josef Čapek‘ und versucht zu beantworten, wann genau Josef Čapek gestorben ist. Bis heute ist das nicht klar. Man weiß, dass es ungefähr Mitte April 1945 war. Čapeks Frau versuchte gleich nach dem Kriegsende, sein Grab zu finden, ihr Versuch endete aber ohne Erfolg. Das bedeutet, dass das einzige Zeugnis von seinem Aufenthalt in Bergen-Belsen seine Werke sind, die aus dem KZ herausgeschmuggelt werden konnten.“

Foto: Archiv des Tschechischen Zentrums München
Der Filmabend findet nicht im Tschechischen Zentrum, sondern im Partnerkino Arena statt. In Regensburg, an der dortigen Fakultät für Architektur, wird Mitte April eine Ausstellung zum Kubismus eröffnet. Diese Stilrichtung setzte sich in der Architektur vor allem in Prag zu Beginn des 20. Jahrhunderts durch. Wie wird diese bedeutende Etappe der tschechischen Architekturgeschichte präsentiert?

„Dazu muss gesagt werden, dass die Ausstellung auf der regelmäßigen und sehr erfolgreichen Zusammenarbeit zwischen dem Tschechischen Zentrum und der Fakultät für Architektur in Regensburg beruht. Entstanden ist die Ausstellung jedoch in der Jaroslav-Fragner-Galerie in Prag, sie stellt die wichtigsten Vertreter und Bauwerke dieser Architekturrichtung vor. Im Rahmen der Vernissage am 16. April wird der tschechische Architekt und Architekturhistoriker Zdeněk Lukeš einen Einführungsvortrag halten. Außerdem wird es noch einem Vortrag mit dem Namen ‚Prague, Capital of Cubism‘ geben, den der Direktor des Instituts für Kunstgeschichte der tschechischen Akademie der Wissenschaften und Professor der Karlsuniversität, Vojtěch Lahoda, hält. Herr Lahoda wird sich in seinem Vortrag mit der Gruppe jener bildenden Künstler beschäftigen, die in den Jahren 1907 bis 1917 in Prag tätig waren und den Kubismus in verschiedenen Bereichen durchsetzt haben. Zu den heute sehr wertvollen Sammlungsstücken gehören Industriegeräte und Möbelstücke, Stühle und Taburetten. Es wird also nicht nur über die große Architektur gesprochen, sondern auch über das Design.“

„Böhmen am See“ – Tschechien als Schwerpunkt des Bodenseefestivals

Bodensee  (Foto: Archiv Radio Prag)
Ende April wird der 27. Jahrgang des internationalen Kulturfestivals der Euroregion Bodensee eröffnet. Dabei steht die Tschechische Republik im Mittelpunkt. Unter dem Motto „Böhmen am See“ wird ein reiches Festivalprogramm geboten. An der Programmgestaltung hat sich auch das Tschechische Zentrum beteiligt. Welche Veranstaltungen, Ausstellungen und Konzerte stehen also zwischen dem 25. April und dem 25. Mai am Bodensee im Mittelpunkt? Haben sie einen gemeinsamen Nenner oder handelt es sich um ein buntes und mannigfaltiges Programmangebot?

Pavel-Haas-Quartett  (Foto: Tschechisches Fernsehen)
„Es ist wirklich ein buntes Programm. Diese Präsentation der tschechischen Kunst und Kultur ist die größte Präsentation in Baden-Württemberg. Dieses Festival ist wirklich eine große Veranstaltung, in seinem Rahmen wird es an 30 Orten der Region Veranstaltungen geben. Wir sind sehr froh, dass wir das Programm ziemlich stark beeinflussen konnten. Ich möchte einige Veranstaltungen hervorheben, und zwar die Ausstellung ‚Tripolis Praga‘, die Tschechische Literaturnacht, die Ballett-Symphonie, aber auch die Theaterinszenierung ‚Sturm‘ der tschechischen Theatergruppe SKUTR. Außerdem ist es wichtig zu betonen, dass das Pavel-Haas-Quartett das Residenzensemble des Festivals ist. Es wird den ganzen Monat lang die Veranstaltungen mit seiner Musik begleiten, und Quartett-Mitglieder werden Meisterkurse anbieten.“

Sie haben einige Programmpunkte genannt. Im Rahmen des Bodenseefestivals wird in Friedrichshafen die Ausstellung „Tripolis Praga“ zu sehen sein. Worum geht es dabei?

„Die Ausstellung wurde eigentlich schon mehrmals im deutschsprachigen Raum gezeigt. Sie ist vom Mitteleuropa-Zentrum in Dresden und dem Prager Literaturhaus deutschsprachiger Autoren zusammengestellt worden. Es handelt sich um eine Präsentation der Prager Moderne um das Jahr 1900. Die Ausstellung versucht, das Zusammenwirken sowie die Rivalität der deutschen, tschechischen und jüdischen Kultur Prags in jener Zeit zu rekonstruieren. Es ist eine ziemlich große Ausstellung, sie umfasst 80 Tafeln und 400 Bilder, die verschiedene Werke und Lebensläufe von vielen Malern, Schriftstellern, Komponisten, aber auch Politikern und Wissenschaftlern aus Prag vorstellen. Dazu gehören Namen wie Rainer Maria Rilke, Franz Kafka, Max Brod und Paul Leppin. Man staunt eigentlich, welch kulturellen Reichtum damals Prag geboten hat.“

Tereza Boučková  (Foto: Archiv Radio Prag)
Das literarische Reichtum Prags der heutigen Zeit wird bei der Tschechischen Literaturnacht am 8. Mai in Friedrichshafen präsentiert. Welche tschechischen Autoren werden dort lesen und mit dem Publikum sprechen?

„Es ist eine Lesung und ein Gespräch mit vier tschechischen zeitgenössischen Schriftstellern, eigentlich mit jenen, die in Deutschland schon bekannt sind und geschätzt werden: Tereza Boučková, Petra Hůlova, Ivan Klíma und Jaroslav Rudiš. Der Abend wurde von der Bohemistin Zuzana Jürgens konzipiert, die ihn auch moderieren wird. Im Rahmen des Festivals tritt außerdem noch eine tschechische Schriftstellerin auf, nämlich Radka Denemarková, die selbstständig an einem Literaturabend aus ihren Werken lesen wird.“

‚Feldmesse‘  (Foto: Archiv des Nationaltheaters in Prag)
Und noch eine Veranstaltung im Rahmen des Bodenseefestivals. In Friedrichshafen wird Anfang Mai das Tschechische National-Ballett gastieren. Was für ein Ensemble ist es, und mit welchem Programm reist es nach Deutschland?

„Das Tschechische National-Ballett Prag ist eigentlich das Ballettensemble des Nationaltheaters in Prag. Es ist heute eines der bedeutendsten und größten Ballettensembles Europas. Für das Gastspiel wurden einige Stücke aus seinem Repertoire ausgewählt, und zwar eine neoklassische Choreographie zu Gustav Mahlers Erster Symphonie, die vom Chef des Ballettensembles, Petr Zuska, stammt. Des Weiteren handelt es sich um seine moderne Choreographie zu mährischer Volksmusik und eine Choreographie von Jiří Kylián zu Bohuslav Martinůs ‚Feldmesse‘. Letzteres ist eigentlich ein getanzter Protest gegen den Krieg. Getanzt wird zu Live-Musik, für die aber nicht das Orchester des Nationaltheaters sorgt, sondern Dirigent Václav Zahradník hat die Stücke mit der Südwestdeutschen Philharmonie Konstanz einstudiert. Es ist also eine echte künstlerische Zusammenarbeit zwischen Konstanz und Prag.“