Tschechische Medienstimmen zum Ausgang der Senats- und Regionalwahlen

Mirek Topolanek, der Vorsitzende der ODS, Foto: CTK

Im Medienspiegel hat Robert Schuster heute wieder zu aktuellen Themen die Kommentare der tschechischen Presse zusammengestellt.

Mirek Topolanek,  der Vorsitzende der ODS,  Foto: CTK
Im Mittelpunkt unseres heutigen Blicks in die tschechischen Medien stehen diesmal die Ergebnisse der Nachwahlen zum Senat und der Wahlen zu den Regionalparlamenten vom vergangenen Wochenende. Wie Sie vielleicht bereits der einen oder anderen Sendung von Radio Prag entnehmen konnten, haben die Ergebnisse zu einer faktischen Umfärbung der politischen Landkarte Tschechiens geführt. Mit einer Ausnahme dominiert nämlich in allen 13 tschechischen Regionen, in denen vergangene Woche gewählt wurde, die Farbe blau, d.h. die Farbe der oppositionellen rechtsliberalen Demokratischen Bürgerpartei (ODS) von Präsident Vaclav Klaus, die fast überall eine relative Mehrheit erreichen konnte.

Zu den eindeutigen Verlieren gehören wiederum die regierenden Sozialdemokraten des seit mehr als 100 Tagen amtierenden jungen Ministerpräsidenten Stanislav Gross. Die größte Regierungspartei hat nicht nur klar ihr Ziel verfehlt die Bürgerlichen als stärkste Kraft in den Regionen abzulösen, sondern musste sich hinter den Kommunisten nur mit Rang drei abfinden.

Somit war in Tschechien in der ganzen abgelaufenen Wochen bei Parteien und verschiedenen Politikexperten Ursachenforschung angesagt, was wohl zu diesen Ergebnissen geführt habe. Daran beteiligten sich natürlich auch die heimischen Medien, die getreu dem Grundsatz "Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen" sich fast zur Gänze auf das schlechte Abschneiden der Sozialdemokraten konzentrierten. Im Zentrum der Kritik stand dabei der weitgehend entpolitisierte Wahlkampf, den die größte Regierungspartei in den vergangenen Wochen führte, und deren Herzstück eine Serie von Unterhaltungsshows mit vielen beliebten Künstlern war:

Dazu schrieb zum Beispiel Jaroslav Plesl in der Tageszeitung Lidove noviny:

"Anstelle von politischen Rezepten legen Gross´ Sozialdemokraten nur leere Slogans vor, schütten Steuergelder in die Taschen populärer Künstler und verteilen hier und da auch ein paar Goldstücke unter das gemeine Volk. Das alles verbindet Gross mit dem Unschulds-Lächeln eines Menschen, der aus seiner Villa mit eigenem Swimming-Pool im Prager Nobelstadtteil Barrandov längst den Überblick verloren hat, wo die Bürger in diesem Land der Schuh drückt."

Ministerpräsident Stanislav Gross,  Foto: CTK
Neben den schlechten Ergebnissen für die Partei, brachten aber die Wahlen auch einen Ansehensverlust für Premier Stanislav Gross mit sich. Für ihn war es überhaupt der erste Urnengang, den er seit seiner Ernennung im Sommer zu bestehen hatte. Gross, der über viele Jahre hinweg die Popularitätsliste der tschechischen Politiker anführte, stieg massiv in den Wahlkampf ein und ließ im ganzen Land seine Plakate ankleben, als ob er sich persönlich zur Wahl stellen würde.

Bedeuten die Ergebnisse also auch, dass der Mythos des von allen Seiten geliebten Stanislav Gross durch diese Wahlen entzaubert wurde? Das fragten wir Daniel Kaiser vom tschechischen Dienst der britischen Radiostation BBC:

"Ja das stimmt zu einem Teil. Seitdem Stanislav Gross von Vladimir Spidla die Regierungsmacht übernommen hat, konnte man den Eindruck gewinnen, dass sich Gross auf einem Marsch nach oben befindet. Er lancierte fast jeden Tag irgendeine Initiative und auch in den Meinungsumfragen ging es bei ihm bergauf. Jetzt hat sich gezeigt, dass es gar nicht so sein muss. Die Wahlen waren in meinen Augen ein Beweis dafür, dass man diese virtuelle Realität nicht überschätzen sollte."

Ein weiteres Thema, dass ebenfalls von den Kommentatoren reflektieret wurde, war die Niederlage der Sozialdemokraten im direkten Duell mit der anderen großen linken Partei des Landes, den Kommunisten. So passierte es nach den Europawahlen vom Juni in kurzer Zeit bereits zum zweiten Mal, dass bei Wahlen die frühere staatliche Einheitspartei an den Sozialdemokraten vorbeizog. Diese Entwicklung sollte, so der Grundtenor der meisten Meinungsartikel, der sozialdemokratischen Führung zu denken geben. So meinte etwa Jana Bendova in der Tageszeitung Mlada fronta Dnes:

"Wegen der Niederlage von Seiten der Kommunisten sollten sich die Sozialdemokraten mehr Sorgen machen, als um das schlechte Abschneiden im Vergleich zur bürgerlichen Opposition. Auf der Linken ist jetzt nämlich ein Kampf zweier gleich großer Parteien ausgebrochen. Die eine ist demagogisch und trauert längst vergangenen Zeiten nach. Die andere ist zwar demokratisch veranlagt, aber gerade ihr droht allmählich der Zug abzufahren. Nach den jüngsten Wahlen kann man leider nicht mehr ausschließen, dass sich diese Reihenfolge auch nach den nächsten Parlamentswahlen wiederholen könnte."

Eng mit den jüngsten Wahlen hängt auch unser zweites Thema zusammen, dem wir uns in der heutigen Ausgabe unseres Medienspiegels widmen wollen. Von den tschechischen Medien zwar registriert, aber vergleichsweise relativ wenig kommentiert, haben die tschechischen Abgeordneten vor einigen Wochen eine wichtige Änderung im bestehenden Parteiengesetz vorgenommen. Demnach soll es künftig auch Parteien erlaubt sein eigene Medien zu betreiben bzw. offene Beteiligungen an solchen einzugehen. Nicht ganz uninteressant ist, dass diese Initiative ursprünglich von einigen kommunistischen Abgeordneten eingebracht und von Vertretern der übrigen Parteien dankbar aufgegriffen wurde.

Wäre unter der Voraussetzung, dass die Parteien bereits vor den jüngsten Wahlen auf die besagte Klausel im Parteiengesetz hätten zurückgreifen können, vielleicht das Ergebnis der Sozialdemokraten besser ausgefallen? Sind bei der Partei von Premier Stanislav Gross, die wie keine andere in den vergangen Wochen in der Öffentlichkeit auf absolute Omnipräsenz setzte Tendenzen zur Bildung eines eigenen oder zumindest parteinahen Medienimperiums zu sehen? Dazu meint Daniel Kaiser von der BBC:

Foto: CTK
"Also, dass die tschechischen Sozialdemokraten ein eigenes Medium betreiben würden, das glaube ich nicht. In der heutigen Gesellschaft - 15 Jahre nach dem Fall des Kommunismus - würde sich das nicht lohnen, weil der Verdacht gegen die Parteimedien immer noch allzu groß ist. Auf der anderen Seite kann man damit rechnen, dass die Sozialdemokraten versuchen werden in den normalen Medien Fuß zu fassen, so etwa in der formell unabhängigen Zeitung Pravo, welche ziemlich im Sinne der Sozialdemokraten schreibt. Es gelang ihnen auch teilweise im öffentlich-rechtlichen Tschechischen Fernsehen Fuß zufassen, wo meiner Meinung nach einige Redakteure auch in bestimmter Weise der Partei gegenüber voreingenommen sind, aber dass die Sozialdemokraten sich ein eigenes Medium aufbauen würden, das wird sicherlich nicht passieren."

Skeptisch gegenüber solchen möglichen Vorhaben ist auch der Medienexperte und Journalist der Wochenzeitschrift Reflex, Jan Potucek. Er meint zudem, dass die Rundfunk- und Fernsehbehörde, welche die Frequenzen und Sendelizenzen an die Betreiber vergibt, regelmäßig das Programm der Rundfunkanbieter analysieren würde. Ganz oben an der Wertungsliste würden dabei Kriterien der Objektivität von politischer Berichterstattung stehen. Sollte es also dann, laut der Meinung von Jan Potucek, bei den jeweiligen Sendungen eine allzu offenkundige Schlagseite zu Gunsten der einen oder anderen Partei geben, würde das von Seiten der Aufsichtsbehörde geahndet werden und könnte bis zum Entzug der Sendelizenz führen.

Paradoxerweise wären also laut Potucek die inhaltlichen Limits für jede politische Partei weitaus stärker, als mögliche finanzielle Fragen, wie Jan Potucek abschließend hinzufügt

"Einen Rundfunksender zu finanzieren wäre wahrscheinlich kein so großes Problem und könnte etwa von den staatlichen Zuschüssen gedeckt werden, die die Parteien entsprechend ihrer Stärke nach den letzten Wahlen regelmäßig bekommen. Die Kosten wären dabei sogar niedriger, als bei den Großplakaten, die vor Wahlen immer über das ganze Land verteilt werden. Weitaus schwieriger wäre das beim Fernsehen, denn da muss es schließlich den ganzen Tag irgendein Programm geben, das ausgestrahlt werden müsste. Die Sozialdemokraten könnten hier vielleicht tatsächlich ihre Wahlshows und Konzerte übertragen, aber es ist fraglich, ob die dort auftretenden Künstler damit einverstanden wären."