Tschechische Moslems: Kopftuchverbot hierzulande kein Thema
Gleich eine Serie von Geiselnahmen beschäftigt derzeit die Weltöffentlichkeit. Außer der Ermordung von zwölf Nepalesen im Irak und der Geiselnahme in einer Schule in Südrussland stehen zwei im Irak entführte französische Journalisten im Zentrum der Aufmerksamkeit. Anlass der Geiselnahme: Das Kopftuchverbot an französischen Schulen, das diese Woche in Kraft getreten ist und dessen Abschaffung die Entführer fordern. Wie sieht die entsprechende Rechtslage eigentlich in Tschechien aus? Und welche Erfahrungen machen tschechische Moslems im Spannungsfeld von gesellschaftlicher Akzeptanz daheim und Berichten über fundamentalistische Gewalt im Ausland? Gerald Schubert hat sich erkundigt:
Etwa zehn- bis fünfzehntausend Moslems leben derzeit in Tschechien. Die meisten davon sind Ausländer und oft nur vorübergehend im Land. Rechtlich gesehen ist der Islam hierzulande nicht als Religionsgemeinschaft verankert, die verschiedenen moslemischen Organisationen sind einfach als Vereine registriert. Im Gegensatz zu anderen Ländern, wo Moslems einen weitaus größeren Anteil an der Gesamtbevölkerung stellen, stößt der Islam hier ansonsten kaum auf juristische Barrieren. Diskussionen wie die über das französische Kopftuchverbot werden jedoch auch von den tschechischen Moslems aufmerksam verfolgt. Vladimír Sánka, Direktor des islamischen Zentrums in Prag:
"Wir halten dieses Gesetz ganz allgemein gesehen für sehr schlecht. Es widerspricht der Religionsfreiheit, und auch den Integrationsbestrebungen in Europa. Glücklicherweise können wir in Tschechien bisher nichts Derartiges beobachten - nicht einmal Anzeichen. Hoffen wir also, dass in Zukunft hier nichts Vergleichbares auftauchen wird."
Doch abgesehen von der rechtlichen Situation: Im Alltagsleben tauchen sehr wohl hin und wieder Schwierigkeiten auf:
"Soweit ich weiß, haben moslemische Frauen, die Kopftücher tragen, schon vereinzelt Probleme - zum Beispiel bei der Arbeitssuche. Manchmal werden sie auch auf der Straße verbal angegriffen. Aber wie gesagt: Vonseiten des Staates gibt es hier bisher keine negativen Anzeichen."
Die tschechischen Moslems übrigens waren erst im April mit einer ähnlichen Situation konfrontiert wie die französischen Moslems, die sich nun für ihre beiden entführten Landsleute einsetzen. Damals waren drei tschechische Journalisten im Irak als Geiseln genommen worden. Vladimír Sánka erinnert sich:
"Wir haben in dieser Causa versucht zu tun, was wir können. Direkte Kontakte in den Irak hatten wir natürlich nicht. Daher haben wir gemeinsam mit dem Außenministerium versucht, Briefe zu formulieren, in denen wir unseren Standpunkt dargelegt und die Entführer aufgefordert haben, die tschechischen Journalisten freizulassen. Mit diesen Briefen haben wir uns dann über das Außenministerium an die Gesellschaft islamischer Geistlicher im Irak gewandt, die, so hofften wir, vor Ort irgendeinen Einfluss haben könnten. Die Briefe sind bis zu ihnen gelangt und haben laut Aussage einiger Diplomaten sehr positiven Einfluss genommen. Also: Vielleicht hat das geholfen. Sicher wissen wir es aber nicht."