Tschechischer Grand mit Vieren: Fußball, Eishockey, Zehnkampf und Skilanglauf
In unserem heutigen Sportreport entführt Sie Lothar Martin gleich in vier Sportarten, in die man in Tschechien große Erwartungen setzt.
Am vergangenen Mittwoch haben sich die tschechischen Fußballer für die Endrunde der Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland qualifiziert. Der Jubel war riesig, nach 16 Jahren endlich wieder bei dem Championat der 32 besten Fußballnationen unseres Planeten dabei zu sein. Zuletzt war das den Kickern im Jahr 1990 gelungen, als sie als Auswahl der ehemaligen Tschechoslowakei bei der WM-Endrunde in Italien bis ins Viertelfinale gelangten und dort am späteren Weltmeister Deutschland scheiterten. Im Verbund mit den Slowaken können die hiesigen Fußballer auch auf ihre bisher größten Erfolge verweisen: auf die silbern dekorierten zweiten Plätze bei den Weltmeisterschaften 1934 und 1962, den Europameistertitel 1976 und den Olympiasieg 1980. Als eigenständige Tschechische Republik sind die Rasenartisten um Pavel Nedved, Karel Poborsky und Tomas Rosicky das erste Mal bei einer WM-Endrunde vertreten. Dafür haben sie bei Europameisterschaften bereits zwei Medaillen geholt: 1996 die silberne, als sie im Finale Deutschland mit 1:2 in der Verlängerung unterlagen, und im vergangenen Jahr die bronzene, als sie sich im Halbfinale dem späteren Titelträger Griechenland auch erst in der Verlängerung mit 0:1 beugen mussten. Ob man an diese Erfolge im kommenden Jahr wird anknüpfen können, darüber wird womöglich schon die am 9. Dezember in Leipzig stattfindende Auslosung der acht WM-Endrundengruppen einen ersten Fingerzeig geben.
Doch bis dahin beherrscht auch in Tschechien erst einmal wieder der Fußball-Alltag die Szenerie. So wie am vergangenen Samstag, als sich im Spitzenspiel der höchsten nationalen Spielklasse, der so genannten Gambrinus-Liga, Spitzenreiter FC Slovan Liberec und der Tabellen-Vierte SK Slavia Prag gegenüber standen. Vielleicht hatten sich beide Teams von der tollen Atmosphäre der WM-Qualifikation anstecken lassen, denn es wurde auch eine Topbegegnung, die am Ende keinen Sieger sah. Denn das hochklassige Treffen endete 3:3 unentschieden, wobei die Gastgeber nach der ersten Halbzeit noch 3:1 und bis zur Schlussminute wenigstens noch 3:2 in Front gelegen hatten. Doch in dieser traf Radim Fort und sicherte den Pragern somit das mehr als verdiente Unentschieden. Slavias Mittelfeldspieler Karel Pitak sah es ähnlich:"Ganz bestimmt hätten wir es verdient, zu gewinnen, denn wir hatten weitaus mehr Chancen. Aber aufgrund dessen, dass wir schon 1:3 zurückgelegen haben, sind wir auch mit dem gewonnenen Punkt sehr zufrieden."
Die Hausherren durften trotz des späten Ausgleichs der Gäste mit dem Remis zufrieden sein. Tomas Zapotocny, der Kapitän von Slovan Liberec, wusste auch warum:
"Slavia hat uns stark unter Druck gesetzt, damit konnten wir nicht umgehen. Wir hätten mehr auf Konter spielen und im Mittelfeld die Bälle besser behaupten müssen. Aber wir sind zum einen noch keine erfahrene Mannschaft, und zum anderen war Slavia ein ausgezeichneter Gegner, der uns für die gezeigte Passivität bestraft hat."
Am Ende durften sich die Reichenberger noch bei Schiedsrichterin Dagmar Damkova und Linienrichter Jan Filgas bedanken, dass für sie der Punktgewinn danach zu Buche stand. Die hierzulande relativ populäre Pfeifenfrau übersah bereits in der Anfangsphase ein klares Handspiel von Slovan-Kicker Holosko im eigenen Strafraum, das dritte Tor der Gastgeber fiel aus einer Abseitsposition. Dem tschechischen Clubfußball aber tat diese Spitzenpartie gut, denn ansonsten ist er - wie die Ergebnisse von Sparta Prag in der Champions League zeigen - derzeit nicht gerade auf Rosen gebettet.Liberec / Reichenberg ist eine idyllisch am Fuße des Isergebirges gelegene Stadt in Nordböhmen. Doch wenn es nach den Machern des Ortes und seinen sportinteressierten Einwohnern geht, dann soll sich Liberec mehr und mehr auch als großartige Sportstadt in Tschechien etablieren. Nach einem viermaligen Anlauf ist es den hiesigen Organisatoren gelungen, im Jahr 2009 endlich als Ausrichter der Weltmeisterschaft im Nordischen Skisport von sich reden machen zu dürfen. Das konnte man bereits in gewisser Weise, als man im Sommer die schmucke Tipsport Arena eingeweiht und ihrer auf Sport und Unterhaltung ausgerichteten Bestimmung übergeben hat. Und passend zur Schönheit und Funktionalität dieses Sportbaues ist dort seit Sonntag auch der aktuelle Spitzenreiter der tschechischen Extraliga im Eishockey zu Hause. Nach den Fußballern haben es nun also auch die Kufencracks geschafft, die Jeschkenstadt ins Rampenlicht zu setzen. Das wurde möglich durch einen 3:0-Heimsieg der "Bili Tygri" (dt. Weiße Tiger) - so der Clubname des hiesigen Vereins - über den HC Chemopetrol Litvinov, der noch zwei Tage zuvor den vorherigen Tabellenführer Slavia Prag mit 3:1 bezwungen hatte. Trotz der konstant guten Leistungen, mit denen sich die "Raubkatzen" vorerst den Platz an der Sonne gesichert haben, schränkt deren Torhüter, Auswahlgoalie Milan Hnilicka, das gegenwärtige Potenzial des Teams noch etwas ein:
"Ganz sicher sind unser Spielsystem und unsere Spielweise noch nicht das, was wir uns vorstellen, aber ich denke, gerade bei den zuletzt absolvierten Spieltagen sind wir unseren Vorstellungen schon ziemlich nahe gekommen."
Am vergangenen Sportwochenende wurde in Tschechien jedoch nicht nur Fußball und Eishockey gespielt, sondern es wurden auch die ersten Ehrungen für erfolgreiche Sportlerinnen und Sportler vorgenommen. Zum Beispiel unter den Leichtathleten, die erneut ihren Jahresbesten, den "König der Athleten", kürten. Und zu diesem wurde nun schon das vierte Mal in Folge Zehnkampf-Weltrekordler Roman Sebrle ernannt. Der drahtige und muskulöse Ausnahmekönner hatte für den Umfragesieg in diesem Jahr den Titel des Hallen-Europameisters im Siebenkampf und die Silbermedaille bei der Freiluft-WM in Helsinki eingebracht. Dort war er nach einem großen Kampf am ersten Wettkampftag und einem physischen Einbruch am zweiten Tag dem US-Amerikaner Bryan Clay unterlegen gewesen. Deshalb meinte Sebrle bei der Preisverleihung auch:
"Etwas hat in diesem Jahr gefehlt, auch wenn ich sagen muss, dass es mir gelungen war, mich für die Weltmeisterschaft sehr gut in Form zu bringen. Das war auch dank der Vorbereitung möglich, in der ich zweieinhalb bis knapp drei Monate nicht unter höchster Belastung stand. Am Ende konnte ich dann auch mit der WM-Silbermedaille sehr zufrieden sein."
Inzwischen steckt Sebrle jedoch schon wieder voll und ganz in den Vorbereitungen auf die kommende Saison, in der er zu Beginn gleich den Weltrekord im Siebenkampf attackieren will. Doch vor den Leichtathleten sind nun erst einmal die Wintersportler in ihre neue Saison gestartet. Und das wird nicht irgendeine Saison, sondern eine olympische, denn im Februar 2006 geben sich die besten Ski-, Schlitten- und Kufensportler der Welt bei den Olympischen Winterspielen in Turin ein Stelldichein. Eine der ganz großen Medaillenhoffnungen der Tschechischen Republik wird dabei Skilangläuferin Katerina Neumannva sein. Beim Weltcup-Auftakt in die neue Saison belegte sie vergangenes Wochenende auf der im freien Stil zu absolvierenden 10-km-Distanz im norwegischen Beitostölen einen achtbaren fünften Platz. Also genau die gleiche Platzierung wie zum Saisonstart vor einem Jahr. Daher ist Katerina Neumannova auch relativ optimistisch, was die nächsten Rennen angeht:"Wegen des fehlenden Schnees wurde der Wettkampf auf einem relativ leichten Profil ausgetragen, ich aber hatte in der Vergangenheit stets die besseren Ergebnisse auf den schwierigeren Loipen. Bei den nächsten Rennen erwarten uns weitaus größere Anstiege, daher sollte es auch für mich noch besser laufen."
Das hofft man in Tschechien sehr. Mit unserer heutigen Wanderung durch mehrere Sportarten haben wir Ihnen zudem auch einen Eindruck vermittelt, welchen Sportlern man hierzulande bei den bevorstehenden Topevents besonders die Daumen drückt: Katerina Neumannova und den Eishockeycracks bei den Winterspielen in Turin, den Fußballern bei der WM-Endrunde in Deutschland, sowie Athletenkönig Roman Sebrle für die gesamte nächste Leichtathletik-Saison.