Tschechisches Trinkwasser - besser als sein Ruf

Wer noch in den 90er Jahren beispielsweise in Prag seinen Mund unter den Wasserhahn hielt, dürfte nicht immer erfreut gewesen sein. Es schmeckte häufig nach Chlor. Mittlerweile hat sich das deutlich gebessert. Woher kommt aber das Prager Leitungswasser? Und wie gut ist heute das Leitungswasser in der Hauptstadt, aber auch anderswo in Tschechien? Ist es uneingeschränkt zum Trinken empfohlen?

Das Wasserwerk in Káraný versorgt zusammen mit dem Wasserwerk Želivka die Prager mit Trinkwasser. Káraný ist das älteste Prager Wasserwerk, es wurde bereits 1914 eröffnet. Es liegt an der Mündung des Flusses Jizera in die Elbe, rund 40 Kilometer nördlich von Prag. Der Leiter des Wasserwerks ist Ladislav Herčík. Er führt in eines der Gebäude auf dem Areal.

Wasserwerk in Káraný  (Foto: www.wikimedia.org)
„Hier wird das Wasser enteisend. Das Wasser kommt aus einer artesischen Quelle. Es ist von hervorragender Qualität und kommt aus 80 Metern Tiefe, hat aber eben zuviel Eisen, das ihm entzogen werden muss. Zur Enteisenung wird das Wasser erst belüftet und läuft dann durch Sandfilter. Dieses sehr gute Wasser macht aber nur rund fünf Prozent unserer Produktion aus. Der Rest stammt aus anderen Quellen.“

Welche anderen Quellen sind es, aus denen Sie Trinkwasser für Prag aufbereiten?

„Das sind die Uferfiltration und die künstliche Filtration. Wir fangen praktisch das Wasser auf, das aus dem Fluss Jizera durch den Kiessand des Anschwemmungsbodens infiltriert.“

In welchem Umfang wird hier Trinkwasser produziert und welche Teile Prags werden damit versorgt?

„Die volle Kapazität des Wasserwerks hier in Káraný liegt bei rund 1800 Litern pro Sekunde. Derzeit werden aber in der Regel nur 1000 Liter pro Sekunde genutzt. Wir verfügen also noch über Reserven. Diese 1000 Liter entsprechen einem Viertel des Prager Trinkwasserbedarfs. Die anderen drei Viertel stammen aus dem Wasserwerk Želivka. Prag wird aus Káraný über drei Leitungen versorgt. Aber nur der nordöstliche Stadtteil Horní Počernice erhält das Wasser direkt von uns. Der Rest geht ins Netz und vermischt sich mit dem Wasser aus Želivka.“


In rund 550.000 Haushalten in Prag wird Tag für Tag der Wasserhahn aufgedreht. Im gesamten Land geschieht dies in weit über vier Millionen Haushalten. Doch wie gut ist das, was aus den tschechischen Wasserleitungen herauskommt? Hüter dieser Daten ist František Kožíšek. Er ist Leiter des Nationalen Referenzzentrums für Trinkwasser im staatlichen Gesundheitsamt. Das entnimmt regelmäßig Proben direkt bei den Verbrauchern:

Wasserkwerk und Stausee Želivka
„Wir haben bei uns in Tschechien keine großen Probleme mit der Qualität des Trinkwassers. Dafür gibt es zwei Gründe: Zum einen wird rund die Hälfte des Wassers aus unterirdischen Quellen gewonnen. Dort kann zwar von der Natur bedingt Arsen ein Problem sein kann, aber solche Quellen gibt es in Tschechien nur ganz wenige und sie sind meines Wissens alle verbessert worden. Ein anderes Problem ist die Landwirtschaft und damit vor allem Nitrate. Die Zahl der Wasserleitungen und Abnehmer, die in Tschechien davon betroffen sind, ist jedoch äußerst gering. Bei den restlichen unterirdischen Quellen bestehen keine Beanstandungen. Der zweite Grund für die geringen Probleme ist, dass die oberirdischen Wasserspeicher, die wir zur Versorgung nutzen, zumeist an den Oberläufen der Flüsse liegen. Sie liegen in Schutzgebieten ohne Abwasserzuleitungen, nicht einmal gereinigtes Abwasser fließt hinein. Natürlich muss dieses Wasser trotzdem aufbereitet werden, aber es erfüllt danach die geforderten Bedingungen. Das tschechische Trinkwasser ist also sicher nicht schlechter als anderswo in Europa, eher im Gegenteil, weil wir von der Wasserversorgung her auf dem Dach Europas leben. Aber allzu sehr vergleichen möchte ich dennoch lieber nicht.“

Das tschechische Trinkwasser wird auf über 100 Schadstoffe überprüft und die Ergebnisse sind auch im Internet veröffentlicht. Allerdings sind dies meist Durchschnittswerte. Dennoch besteht wohl kein Grund zu Sorgen. Wo es wirklich regelmäßig Probleme gebe, würden die Menschen informiert, versichert Kožíšek.

Im vergangenen Jahr hat sein Labor sogar einen Vergleich des Trinkwassers in fünf tschechischen Großstädten mit 18 Mineralwasserprodukten erstellt. Den Vergleich hatte die Verbraucherorganisation „Test“ in Auftrag gegeben und in ihrem Heft vom Oktober 2009 veröffentlicht. Doch weder František Kožíšek, noch Test-Chefredakteurin Ida Rozová äußern sich heute zu den Ergebnissen. Denn die großen tschechischen Hersteller von Mineralwasser sind vor Gericht gezogen und die Verfahren laufen noch. Im Internet ist weiterhin einzusehen, warum die Aufregung so groß ist: Bei 16 der 18 getesteten Mineralwasserprodukte gab es Beanstandungen: Mal ging es um die zu hohe Konzentration von Bakterien, mal um polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe oder um anderes. Als ein Problem machten die Tester auf die Verpackungen aufmerksam, es sind in Tschechien meist Plastikflaschen. Beim Leitungswasser wurde in Plzeň / Pilsen zu hoher Eisengehalt und in Ostrava / Ostrau ein erhöhter Wert bei einem Folgeprodukt des Chlorbeisatzes festgestellt. Das Leitungswasser in den restlichen drei Städten war hingegen einwandfrei.


Prag ist eine der drei Städte, in denen der Wassertest positiv ausfiel. Fragt man auf der Straße, ob Mineralwasser oder Leitungswasser beliebter sind, gehen die Meinungen auseinander?

„Ich trinke das aus dem Wasserhahn. Zum einen mag ich Mineralwasser aus der Flasche nicht bezahlen, zum anderen glaube ich nach dem, was ich gehört habe, dass Leitungswasser stärker kontrolliert wird“, sagt ein Mann.

Mineralwasser ist auch einer jungen Frau zu teuer. Aber schmeckt ihr Leitungswasser überhaupt? Sie wägt ab:

„Es schmeckt schon, aber meistens mische ich mit Saft oder einem Sirup.“

Anderer Meinung ist ein Mann mittleren Alters:

„Ich trinke Mineralwasser. Ich glaube, es ist besser und gesünder. Und es schmeckt mir besser.“

Foto: Ozan Uzel,  www.sxc.hu
Der Geschmack des Leitungswassers ist ohnehin ein Kapitel für sich. Stichwort Chlor. Dessen Beimischung sei keineswegs gesundheitsschädlich, versichert František Kožíšek, der Leiter des Nationalen Referenzzentrums für Trinkwasser. Seit den 90er Jahre habe sich jedoch in dieser Hinsicht ohnehin viel verändert:

„Damals galt noch die Vorschrift, dass bei der Beigabe von Chlor bis zum Endabnehmer ein bestimmter Rest erhalten bleiben muss. Heute ist hingegen ein Grenzwert vorgeschrieben, der nicht überschritten werden darf. Jedes Wasserwerk entscheidet mittlerweile selbst, ob es chlort oder Mikrobenfreiheit auf andere Weise garantiert. Die Änderung der Gesetze hat bewirkt, dass eine Reihe von Wasserwerken, die es sich aus mikrobiologischer Sicht erlauben können, so wenig Restchlor aufrechterhalten, dass er weder im Labor noch im Geschmackstest festzustellen ist. Ich denke auch, man könnte dem guten Beispiel aus Deutschland, Österreich, der Schweiz und den Niederlanden folgen und im Leitungssystem überhaupt keinen Restchlor belassen. Wenn wir das ganze System ordentlich pflegen, ist dies wirklich nicht nötig.“

Doch dieser Gedanke, so Kožíšek, setze sich in Tschechien bisher noch relativ langsam durch.