Tschechoslowakische Pässe für die Flucht vor Hitler – Diplomat Vochoč geehrt

Vladimír Vochoč (Foto: ČTK)

Vladimír Vochoč war von 1938 bis 1941 tschechoslowakischer Konsul in Marseille. In der südfranzösischen Hafenstadt half er Verfolgten, vor den Nationalsozialisten zu fliehen. Dafür ist Vochoč am Montag geehrt worden. Er erhielt von Israel posthum den Titel „Gerechter unter den Völkern“.

Vladimír Vochoč  (Foto: ČTK)
Europa zu Beginn des Zweiten Weltkriegs. Wer aus den nationalsozialistisch besetzten Teilen des Kontinents fliehen will, nimmt häufig den Weg über Marseille. 1938 hat Vladimír Vochoč dort die Leitung des tschechoslowakischen Konsulats übernommen. Kaum ein Jahr später sind die Deutschen auch in seiner Heimat einmarschiert. Nun versucht er den Flüchtlingen zu helfen, indem er seine Befugnisse überschreitet. Er gibt Pässe aus, die ihnen die Ausreise in die Freiheit ermöglichen.

David Vochoč und Gary Koren  (Foto: ČTK)
David Vochoč ist Großneffe des früheren Diplomaten. Er hat am Montag im tschechischen Außenministerium in Prag die Auszeichnung „Gerechter unter den Völkern“ für seinen Verwandten entgegengenommen:

„Er war kein klassischer Kriegsheld, wie wir ihn kennen. Er war hingegen ein Mann, der auch das Leben genießen konnte. Und zugleich hat er sich nicht gefürchtet, gegen Vorschriften zu verstoßen. Er sagte sogar, es sei seine Pflicht gewesen, so zu handeln.“

Walter Mehring  (Foto: Nationaal Archief,  CC BY-SA 3.0)
Rund 2500 Menschen rettet Vladimír Vochoč wohl das Leben. Dabei macht er keinen Unterschied, welcher Herkunft sie sind. Juden und Nicht-Juden, Tschechoslowaken, aber auch Deutsche und Österreicher. Dazu gehören zum Beispiel der Wiener Althistoriker Ernst Stein oder Walter Mehring, einer der besten Satiriker der Weimarer Republik. Dass Vochoč bedingungslos helfen wollte, beweist ein weiterer Umstand. Tomáš Kraus, Generalsekretär des Verbandes Jüdischer Gemeinden in Tschechien:

„Nachdem das Konsulat geschlossen wurde, konnte Vladimír Vochoč es noch einmal öffnen. Dabei arbeitete er mit dem Amerikaner Varian Fry zusammen, der als Journalist nach Marseille gekommen war. Auch Fry hat im Übrigen die Auszeichnung ‚Gerechter unter den Völkern‘ erhalten. Beide gaben dann gemeinsam tschechoslowakische Pässe heraus, die etwas anders als die normalen aussahen – aber sie waren gültig.“

Mit den Pässen können sich die Flüchtlinge damals nach Spanien oder Portugal absetzen und kommen so sicher nach Übersee.

Foto: ČTK
Mit Vladimír Vochoč meint es das Schicksal aber nicht gut. Zunächst muss er selbst 1941 aus Frankreich fliehen und geht nach Großbritannien. Vor allem aber gerät er in der Nachkriegs-Tschechoslowakei ins Fadenkreuz der Kommunisten. Anfang der 1950er Jahren wird er in einem Schauprozess verurteilt und sitzt 13 Jahre hinter Gittern. Später wird er rehabilitiert. Im Alter von 91 Jahren stirbt Vladimír Vochoč 1985 in seinem Heimatort Třebechovice pod Orebem.

Der Großenkel David Vochoč bei seiner Dankesrede im Außenministerium:

„Für meine Familie ist es eine große Ehre und Genugtuung. Denn wir haben nur schwer ertragen, was mit meinem Onkel nach 1948 passiert ist.“

Vladimír Vochoč ist der 116. Tscheche, der zum „Gerechten unter den Völkern“ ernannt wurde. Vergeben wird die Auszeichnung von der Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem.

Autor: Till Janzer
schlüsselwort:
abspielen