Tschechische Familie nach 80 Jahren in memoriam für Rettung von Juden ausgezeichnet

Anna Azari, Alena Drmolová und Rostislav Vrobel

Es ist 80 Jahre her, dass die Čepeks, Tschechen aus der historischen Landschaft Wolhynien, eine jüdische Familie vor dem Holocaust beschützten. In memoriam wurde ihnen dafür nun die Auszeichnung „Gerechte unter den Völkern“ verliehen. Bei der Übergabe in der israelischen Botschaft in Prag kamen am Mittwoch die Nachfahren der beiden Familien zusammen.

Mit dem Ehrentitel „Gerechte unter den Völkern“ zeichnet der Staat Israel Menschen aus, die während des Zweiten Weltkriegs ihr Leben riskierten, um Juden vor dem Holocaust zu retten. Die lange Liste von Personen wurde am Mittwoch um drei weitere Tschechen ergänzt: Bohuslav Čepek sowie Olga und Evženie Čepková. Die Familie von Wolhynientschechen lebte in der heutigen Westukraine und versteckte dort die jüdische Familie Gerstein vor den Nazis.

Alena Drmolová ist die Enkelin von Evženie Čepková. Am Mittwoch nahm sie gemeinsam mit weiteren Verwandten die Auszeichnung für ihre Vorfahren entgegen. „Ich kenne ihre Geschichte aus meiner Kindheit von meiner Oma“, sagte Drmolová in den Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks.

Die Familie Čepek hatte im März 1943 den ersten Kontakt mit den Gersteins. Jahre später erinnerte sich die mittlerweile verstorbene Evženie Čepková an die Zeit, in der sie die jüdische Familie versteckt hielten:

„Die Gersteins waren in einem alten Haus auf dem Dachboden versteckt und später im Stall. Dort haben wir ihnen eine Grube ausgehoben und die Kühe auf die Weide getrieben.“

Tschechen in Wolhynien | Foto: Post Bellum

Nur einen kleinen Raum hatten die fünf Personen auf dem Bauernhof zur Verfügung, zehn Monate harrten sie darin aus. Vier weitere Verwandte fanden bei einem benachbarten Bauern Asyl. Ihre Familie habe sich auch um die Ernährung der Juden gekümmert, erinnerte sich Evženie Čepková:

„Wir haben für sie gekocht. Dann haben wir so getan, als würden wir putzen, und den Topf in einem Korb versteckt. Der zweite Topf kam in einen Eimer und dann haben wir vorgetäuscht, wir würden die Kühe füttern gehen.“

Beide Familien überlebten den Zweiten Weltkrieg. Die Gersteins, die ursprünglich aus Polen stammten, emigrierten nach Kanada. Kontakt zu den Čepeks hielten sie zunächst aber weiter, wie Alena Drmolová schildert:

„In einer Truhe in ihrem Schrank bewahrte meine Großmutter persönliche Andenken auf, etwa Fotografien. Darin befand sich auch ein Hochzeitskleid, das sie 1950 von den Gersteins aus Amerika zugeschickt bekommen hatte.“

Die Nachfahren der Gersteins hatten später immer wieder versucht, in Kontakt mit den Nachkommen der Retterfamilie von einst zu treten. Erst nach mehreren Jahrzehnten habe dies aber geklappt, beschreibt Francine Gerstein:

„Ich war gerade zur Elternsprechstunden in der Schule meines Sohnes. Dann las ich die SMS auf dem Handy. Ich war so glücklich und habe es sofort meinem Sohn, den Lehrern und dem sonstigen Schulpersonal erzählt. Der Kontakt zu Alena hat mein Leben einfach sinnvoller gemacht.“

Foto: Kateřina Šulová,  ČTK

Das erste persönliche Treffen der beiden Familien fand nun in Prag statt – bei der Preisübergabe in der israelischen Botschaft und 80 Jahre nach der historischen Rettungsaktion. Bohuslav Čepek sowie Olga und Evženie Čepková sind dabei bei weitem nicht die ersten Tschechen, die mit der Auszeichnung „Gerechter unter den Völkern“ bedacht wurden.

„Die Preisträger stammen weltweit aus 51 Ländern. Gemeinsam mit den Čepeks wurden bisher 125 Tschechen ausgezeichnet“, sagt Petra Mohylová, Sprecherin der israelischen Botschaft in Prag.

Insgesamt wurde der Preis bisher an über 28.000 Menschen vergeben. Allen Ausgezeichneten ist dabei gemein, dass sie selbst keine Juden waren, während des Holocaust jedoch das Leben von Menschen mit dieser Religion gerettet haben. Vergeben wird die Auszeichnung von der Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem.

Autoren: Ferdinand Hauser , Kristýna Vašíčková
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