Über den Nachbarn lernen: Deutscher Studiengang in Prag besteht 20 Jahre
Jahrzehntelang war Deutschland entweder sozialistischer Bruder oder Klassenfeind. In diesem Klima befasste man sich in der Tschechoslowakei nicht sonderlich intensiv mit Staat, Gesellschaft, Kultur oder Wirtschaft des „großen Nachbarn“. Doch nach der Wende änderten sich die Vorzeichen, und an der Prager Karlsuniversität entstand ein deutschsprachiger Studiengang. Diesen gibt es nun seit 20 Jahren, was vergangene Woche an der Deutschen Botschaft in Prag gefeiert wurde. Im Folgenden mehr über den Studiengang.
Daher finanziert der DAAD bis heute Gastprofessuren und Gastdozenturen, die mittlerweile nicht mehr nur in Kooperation mit Düsseldorf, sondern auch mit weiteren deutschen Hochschulen besetzt werden. Ab diesem Wintersemester ist zum Beispiel der Wirtschaftshistoriker Torsten Horst Lorenz in Prag, und zwar als sogenannter Langzeitdozent für drei Jahre.
Angesiedelt wurde der Lehrstuhl aber nicht bei den Philosophischen Fakultäten, wie dies etwa die Germanistik ist, sondern bei den Sozialwissenschaften. Dies hat mehrere Gründe. Ota Konrád, der Leiter des Lehrstuhls:
„Wir sind in dem Sinne keine Germanisten, keine Linguisten und bilden auch keine Dolmetscher oder Übersetzer aus. Für uns ist die Sprache zwar auch sehr wichtig, aber vor allem ‚nur‘ Mittel zum Zweck, das bedeutet zum Kennenlernen, Erforschen, Studieren der deutschsprachigen Länder. Daher auch diese Ansiedlung, denn die Interdisziplinarität gehört zu den Kennzeichen der sozialwissenschaftlichen Fakultät.“Die deutschen und österreichischen Studien sind im Übrigen ein Master-Studiengang, für diesen muss man zuvor bereits einen Bachelor absolviert haben. 2009 wurde aber direkt am Lehrstuhl eine erste Möglichkeit eingerichtet, um sich entsprechend zu qualifizieren. Eine zweite läuft gerade an.
„Seit fünf Jahren gibt es bereits die deutsch-tschechischen Studien, das ist ein Doppeldiplom mit der Universität in Regensburg. Nun haben wir mit der Universität in Krakau einen weiteren doppelten Abschluss geschaffen, er heißt Deutsche und Mitteleuropäische Studien. Das ist sozusagen die Erweiterung des Studienangebotes“, so der Historiker Ota Konrád.
Für den Masterstudiengang bewerben sich jedes Jahr rund 40 Studierende. Doch nur 15 werden angenommen und dann zu Spezialisten für den großen Nachbarn Deutschland beziehungsweise den vergleichsweise kleineren Nachbarn Österreich ausgebildet.