Überraschende nächtliche Einigung: Tschechien hat eine neue Regierung
Noch zu Beginn dieser Woche hatte es so ausgesehen, als seien die Verhandlungen über die Bildung einer Mitte-Rechts-Koalition ins Stocken geraten. Gerade die Verteilung der Ministerämter schien für einigen Diskussionsstoff zu sorgen. Doch in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch kam die überraschende Wende: Tschechien hat eine neue Regierung.
„Die Einigung ist nach sehr langen, aber korrekt geführten Verhandlungen zu Stande gekommen. Ich möchte betonen, dass dies in dieser Zusammensetzung die kleinste Koalitionsregierung ist, die es in Tschechien in den vergangenen 20 Jahren gegeben hat.“
Mit 15 Ministern zählt die Mitte-Rechts-Regierung von Petr Nečas drei Köpfe weniger als das Kabinett Topolánek und Jan Fischers Übergangsregierung. Neben den zwei Ministerien ohne eigenes Portefeuille für Minderheiten und Menschenrechte beziehungsweise für legislative Angelegenheiten fällt auch das Europaministerium weg.
Unter den neuen Ressortchefs sind neben Premier und Ex-Minister Nečas einige weitere bekannte Personen. So kehren Karel Schwarzenberg als Außenminister, Miroslav Kalousek als Finanzminister (beide TOP 09) und Jiří Pospíšil (ODS) als Justizminister auf jene Posten zurück, die sie schon vor dem Sturz der Regierung Topolánek im März 2009 innehatten. Ex-Europaminister Alexandr Vondra (ODS) wird neuer Verteidigungsminister. Die TOP 09 hat mit dem Außen- und dem Finanzministerium zwei ihrer Wunschressorts bekommen, muss allerdings auch zwei potenzielle Problemfelder übernehmen, wie TOP-09-Vorsitzender Schwarzenberg betont:„Klar, sowohl die Gesundheitsreform als auch die notwendigen Schritte im Bereich des Ministeriums für Arbeit und Soziales stellen eine große Herausforderung dar. Aber wir haben sie mit Absicht auf uns genommen, denn wir haben immer betont, dass eine verantwortungsvolle Haushaltspolitik die oberste Priorität unserer Partei ist.“
Das Gesundheitsministerium übernimmt mit Leoš Heger ein erfahrener Arzt, der jahrelang die Universitätsklinik in Hradec Králové geleitet hat. Wie der studierte Elektro-Ingenieur Jaromír Drábek im Arbeits- und Sozialministerium bestehen wird, bleibt abzuwarten. Als ehemaliger Präsident der Wirtschaftskammer dürfte er aber zumindest im Bereich Arbeit mit der Materie vertraut sein.
Ihre Wünsche durchsetzen konnte auch die Partei der Öffentlichen Angelegenheiten. Ihr Vorsitzender Radek John wird neuer Innenminister:
„Es geht uns darum, das Ressort zu entpolitisieren, damit die Polizei endlich unabhängig ermitteln kann. Ich denke, eine kleine Partei kann dies besser gewährleisten, weil sie nicht versuchen muss, mit Hilfe des Innenministeriums sich der politischen Macht zu bemächtigen.“
Mit dem stellvertretenden Parteichef Josef Dobeš konnte die Partei der Öffentlichen Angelegenheiten einen weiteren Wunschkandidaten im Bildungsministerium platzieren. Der umstrittene Hauptsponsor der Partei, Vít Bárta, Besitzer einer der größten privaten Sicherheitsfirmen des Landes, wird neuer Verkehrsminister. Er verpflichtet sich, dass seine Firma von Innenminister John keine Aufträge annehmen wird. Zur Sicherheit hat die ODS zudem im Innenministerium einen stellvertretenden Minister platziert, ebenso im Finanzministerium. Eine weitere Besonderheit weist die neue Regierung auf: Anders als die Vorgängerkabinette besteht sie nur aus Männern. Dies sei keine Absicht und habe sich im Zuge der Verhandlungen so ergeben, betonen die Chefs der Koalitionsparteien.
Die neue Regierung im Überblick:
Demokratische Bürgerpartei (ODS): Premier und 5 Minister
TOP 09: 5 Minister
Partei der Öffentlichen Angelegenheiten (VV): 4 Minister
Verteidigung - Alexandr Vondra (ODS)
Justiz - Jiří Pospíšil (ODS)
Umwelt - Pavel Drobil (ODS)
Industrie und Handel - Martin Kocourek (ODS)
Landwirtschaft - Ivan Fuksa (ODS)
Finanzen - Miroslav Kalousek (TOP 09)
Gesundheit - Leoš Heger (TOP 09)
Arbeit und Soziales - Jaromír Drábek (TOP 09)Äußeres - Karel Schwarzenberg (TOP 09)
Kultur - Jiří Besser (TOP 09)
Inneres - Radek John (VV)
Verkehr - Vít Bárta (VV)
Bildung - Josef Dobeš (VV)
Regionalentwicklung - Kamil Jankovský (VV)