Umfrage: Tschechen sind lesefreudig, kaufen aber immer weniger Bücher

Foto: Archiv Radio Prag

Die Menschen in Tschechien gehören zu den Leseratten, wobei Frauen häufiger ein Buch aufschlagen als Männer. Insgesamt beliebtester Titel ist ein Klassiker aus dem Jahr 1855: Babička – Die Großmutter von Božena Němcová. Diese und weitere Ergebnisse hat eine Umfrage unter tschechischen Lesern ergeben.

Foto: Archiv Radio Prag
Die Umfrage wurde im Auftrag der Akademie der Wissenschaften und der Nationalbibliothek durchgeführt. 1500 tschechische Bürger wurden dabei nach ihren Lesegewohnheiten gefragt. Herausgekommen ist, dass die Tschechen relativ viel lesen. Aber selten entscheiden sie sich auch, ein Buch zu kaufen. So lassen sich die Ergebnisse in Kürze zusammenfassen. Jeder sechste Tscheche liest kein einziges Buch im Jahr zu Ende. Das Internet und die elektronischen Bücher sind daran jedoch nicht schuld. Im Gegenteil: Wer die Arbeit am Computer beherrscht, greift dreimal häufiger auch zu einem Buch, wie sich gezeigt hat.

Vít Richter  (Foto: Archiv SKIP)
Die fleißigsten Leser sind die im Alter über 65 Jahre. Sie stellen den größten Anteil derjenigen, die mehr als 13 Bücher pro Jahr lesen. Die mittlere Generation der 40-Jährigen ist heute diejenige, die am wenigsten liest. Besser halten sich hingegen die Jugendlichen über 15 Jahre, sie schaffen im Schnitt immerhin ein Buch pro Monat. Vít Richter ist Direktor des Bibliothekarischen Instituts:

„Der beliebteste Autor hierzulande ist der tschechische Schriftsteller Michal Viewegh. Ihm folgen Erich Maria Remarque, Dick Francis und Agatha Christie.“

„Die Großmutter“  (Foto: SNDK)
Was die Titel betrifft, ist ein Klassiker aus dem 19. Jahrhundert schon seit vielen Jahren das beliebteste Buch der Tschechen: Božena Němcovás Roman „Babička“ („Die Großmutter“). Die Plätze zwei und drei belegen der kleine Zauberer „Harry Potter“ und ein Bestseller aus der letzten Zeit: „50 Shades of Grey“.

Dieselbe Umfrage wurde bereits in den Jahren 2007 und 2010 durchgeführt. Ein Vergleich zeigt, dass die Leselust ungebrochen ist. Dennoch sank zwischen der ersten und der zweiten Umfrage die Zahl der gekauften Bücher. Zudem behaupten die Befragten in der neuen Umfrage, im Vergleich zur vorangegangenen seltener in Bibliotheken zu gehen. Das erstaunt Vít Richter:

„Dieses Ergebnis erscheint mir paradox. Denn die Statistiken der öffentlichen Bibliotheken sprechen eine andere Sprache, dort sehen wird, dass sie jedes Jahr einen neuen Besucherrekord verzeichnen. Im vergangenen Jahr waren es 24 Millionen Besucher.“

Jiří Trávníček  (Foto: Tschechisches Fernsehen)
Eine Niederlage müssen laut der Umfrage die elektronischen Bücher hinnehmen. Drei Viertel der Tschechen bevorzugen das klassische Buch aus Papier. Einer der Autoren der Umfrage ist der Literaturwissenschaftler Jiří Trávníček:

„Ich denke, dass dies eine Reaktion auf die moderne Welt ist. Die Menschen sind sich dessen bewusst, dass das Buch in der gewohnten Gestalt verteidigt werden muss. Sie nehmen das Buch als einen Gegenstand wahr, den man im Bücherregal hat.“

Foto: Archiv Radio Prag
Ein tschechischer Haushalt hat im Schnitt heute 250 Bücher. Dennoch leihen Tschechen deutlich mehr Bücher aus, als sie kaufen. Nur 48 Prozent erwerben mindestens ein Buch pro Jahr. Im Jahre 2007 waren es noch 71 Prozent der Befragten gewesen. Trotzdem zählt Tschechien zu den Staaten in Europa mit einer stark entwickelten Lesekultur.