Undurchsichtige Geschäfte – der Fall der Bergarbeiter-Wohnungen in Ostrau
Zdeněk Bakala ist einer der reichsten Männer Tschechiens. Vor einiger Zeit gehörte er sogar zu den sechs Dollarmilliardären hierzulande. Zu seinem Reichtum könnte der Unternehmer aber auf unlautere Weise gekommen sein. Ein entsprechendes Gerichtsverfahren ist noch anhänglich. Allerdings hat Bakala einen Teil des Eigentums, um das es in dem Prozess gehen soll, überraschend verkauft: Es sind 43.000 Wohnungen im mährisch-schlesischen Ostrava / Ostrau.
Immerhin erhielten die Mieter im Privatisierungsvertrag das Vorkaufsrecht auf ihre Wohnungen. Und zwar zu vorteilhaften Preisen, unabhängig vom späteren Marktwert. Jetzt aber hat Bakala die 43.000 Mietwohnungen abgestoßen. Round Hill Capital heißt der Käufer. Die Frage ist nun: Was ist mit dem Vorkaufsrecht der Mieter? Konkret sagt Round Hill Capital dazu nichts. Doch man versichert, alles bliebe beim Alten. Jiří Reichl ist Sprecher der britischen Investmentgesellschaft für Tschechien:
„Der Kauf wird sich nicht auf die Mieter auswirken. Alles, was bisher gegolten hat, gilt auch weiter. Was wir mit den Wohnungen vorhaben? Wir investieren langfristig und wollen dem bisherigen Management ermöglichen, die Firma wie bisher zu leiten. Für die bestehenden Mieter ändert sich nichts, weil sie Verträge mit der Firma RPG Byty haben, und das Unternehmen haben wir als Ganzes erworben. Wir planen nicht, uns in den Zuschnitt der Mietverträge einzumischen. Natürlich glauben wir, dass die bestehenden Mieter mit der Zeit unsere professionelle Herangehensweise zu schätzen wissen und unsere Erfahrungen bei der Verwaltung von Wohnungseinheiten in ganz Europa.“
Das Unternehmen Round Hill Capital hat in seinem Portfolio zum Beispiel 2500 Wohnungen für Studierende in London, dazu Einkaufszentren unter anderem in Deutschland, Österreich und den Niederlanden.
Trotz der Versicherungen des Investors sind die Mieter beunruhigt. Roman Macháček leitet die Mietervereinigung Byty OKD. Seiner Ansicht nach hätte das Vorkaufsrecht der jetzigen Bewohner schon beim Verkauf an Round Hill Capital berücksichtigt werden müssen. Gegenüber den Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks äußerte Macháček daher schwere Bedenken an dem Deal:„Für uns ist es ein Blitz aus heiterem Himmel. Wir hatten schon Anzeichen für einen möglichen Verkauf. Wir dachten aber, dass dies erst in ein oder zwei Monaten aktuell würde. Dann hätten wir Zeit gehabt, um uns auf die Transaktion vorzubereiten. Jetzt ist es so schnell gegangen, dass wir den Verkauf nicht mehr verhindern konnten. Das macht uns sehr unzufrieden.“
Verärgert sind sogar tschechische Politiker bis hoch zu Staatspräsident Miloš Zeman und Premier Bohuslav Sobotka. Der sozialdemokratische Regierungschef sagte, Bakala habe moralisch und unternehmerisch versagt. Schließlich habe Bakala auch öffentlich mehrmals versichert, dass die Mieter ein Vorkaufsrecht erhalten, sobald er die Wohnungen weiterverkaufe.
Dass sich der Premier in diesem Sinne geäußert hat, könnte auch mit schlechtem Gewissen zu tun haben. Bohuslav Sobotka war Finanzminister, als die Privatisierung der OKD vollendet wurde. Manche sagen, sein Ressort habe sich damals von den gewieften Unternehmern vorführen lassen.
Doch die genauen Zusammenhänge beurteilen sollen eigentlich andere: Seit Anfang des Jahres wird ein Gerichtsverfahren vorbereitet. Dies soll Licht in die bisher dunklen Hintergründe der Privatisierung bringen. Hätten noch vor dem Verkauf der Bergarbeiterwohnungen die Richter entschieden, dass der Staat damals betrogen wurde, wäre Bakala in Not geraten. Er hätte wohl die Eigentumsrechte an den Wohnungen verloren. Auch deswegen hat die Mietervereinigung immenses Interesse an dem Ausgang des Verfahrens.
„Wir beharren vor allem darauf, dass Bakala mit seiner Finanzgruppe die OKD-Wohnungen auf betrügerische Weise vom Staat erworben hat. Und wir wollen weiterhin, dass die Eigentumsrechte an den Wohnungen auf die Stadt oder die Mieter übergehen. Es ist unzulässig, dass sich daran Privatinvestoren bereichern, das ist für uns nicht akzeptabel“, so Roman Macháček.Roman Macháček glaubt, dass Bakala mit dem Verkauf einfach sein Geld retten wollte. Diese Annahme bestätigt auch die Wirtschaftsjournalistin Zuzana Kubátová von der Tageszeitung Mladá fronta Dnes. Kubátová hat sich ausführlich mit der Privatisierung der OKD beschäftigt:
„Ziel war sicher, einen guten Preis für die Wohnungen zu erzielen. Herr Bakala ist vor allem ein Finanzinvestor, er kauft und verkauft Firmen. Zudem ist offensichtlich, dass er Geld braucht. Denn der Bereich Bergbau der Firma OKD, an dem Herr Bakala große Anteile hält, entwickelt sich wirtschaftlich schlecht. Herr Bakala stößt derzeit auch weiteres Eigentum ab.“
Ob man bei Round Hill Capital eigentlich vom geplanten Gerichtsverfahren weiß oder gewusst hat, ist nicht klar. Theoretisch könnte sich der Investor hinstellen und sagen, er habe nach bestem Wissen und Gewissen die Wohngesellschaft erworben. Roman Macháček vergleicht dies mit einem gestohlenen Auto, das weiterverkauft wird – auch dann erhält der ursprüngliche Besitzer seinen Wagen nicht mehr zurück.
„Herr Bakala entledigt sich aller Verpflichtungen, damit er sagen kann, er habe mit der Wohngesellschaft nichts mehr gemein. Zugleich kassiert er Dutzende Milliarden Kronen. Die entscheidende Frage ist nun, wie das Vorkaufsrecht der Mieter im Kaufvertrag behandelt ist. Wir befürchten, dass es keine ausreichende Garantie für dieses Recht gibt. Und wenn man bei Round Hill Capital davon spricht, dass das bisherige Management von RPG Byty in Amt und Würden bleibe, dann sagt das viel über die Ziele: das Maximum aus den Mietern herausholen zu wollen.“
Irritiert sind die Involvierten und Beobachter aber auch von einem weiteren Umstand. Im Fall der Privatisierung der OKD liegt seit Anfang des Jahres eine Anklageschrift vor gegen mehrere Unternehmer, die an der Privatisierung beteiligt waren und indirekt damit auch gegen Bakala. Doch die Gerichte in Prag und Ostrau versuchen, dem jeweils anderen die Kompetenz für das Verfahren zuzuschieben. In welcher Stadt sich welches Gericht mit dem Fall befassen muss, soll eine höhere Instanz entscheiden. Dies ist aber immer noch nicht geschehen. Der Abgeordneten Jana Lorencová von der Partei Ano kommt das Spanisch vor. Die frühere Journalistin sagte im Tschechischen Fernsehen:„Die Gerichte werfen sich mittlerweile den Fall wie eine heiße Kartoffel zu. Seit sieben Monaten ist das Verfahren immer noch nicht eröffnet worden. Dabei wartet sogar die Europäische Kommission auf den Urteilsspruch, selbst Brüssel beschäftigt sich mit der Privatisierung der OKD.“