Unter dem Eindruck der Regierungskrise: EU-Gipfel zur Regionalentwicklung in Marienbad
Am Donnerstag und Freitag ging im westböhmischen Nobelkurort Marienbad der informelle EU-Gipfel zur Regionalentwicklung über die Bühne. Die Tagung stand ganz unter dem Eindruck der Regierungskrise in Tschechien: Nur aus sieben der 27 EU-Mitgliedsländer waren Minister angereist. Die übrigen Staaten entsandten Vertreter aus der zweiten oder dritten Reihe. Dementsprechend zerknirscht zeigte sich der Gastgeber, der tschechische Minister für Regionalentwicklung, Cyril Svoboda. Wir haben am Donnerstag und am Freitag ausführlich darüber berichtet. Angesichts der schwachen Beteiligung blieben auch die Ergebnisse dieses Gipfels – höflich formuliert – überschaubar.
„Das informelle Treffen zur Regionalentwicklung war außergewöhnlich erfolgreich. Zum ersten Mal überhaupt haben wir uns auf ein gemeinsames Kommuniqué geeinigt. Und zwar nicht auf eines, das das den Vorsitz führende Land ausgearbeitet hat, sondern eines, das wir alle gemeinsam erarbeitet haben. Ein großer Erfolg also, trotz der schwierigen Position, in der sich die tschechische Ratspräsidentschaft angesichts der innenpolitischen Lage ohne Zweifel befindet“, so der tschechische Minister für Regionalentwicklung, Cyril Svoboda, auf der Pressekonferenz nach dem ersten Gipfeltag. Am Morgen, kurz vor dem Beginn der Beratungen, war Cyril Svoboda gegenüber Radio Prag noch ein wenig deutlicher:
„Alle in Europa wissen, dass sie es mit einer zurückgetretenen Regierung zu tun haben und dass eine neue, eine angeblich unpolitische kommen wird. Die ist natürlich auch politisch, so wie jede Regierung. Diese so genannte Expertenregierung entsteht ja auf der Grundlage einer Einigung der Sozialdemokraten und der Demokratischen Bürgerpartei. Die tschechischen Bürger werden an der Nase herumgeführt, denn die Leute, die in der Regierung sitzen werden, hören natürlich auf die Befehle aus den Parteizentralen. Es ist ganz klar, dass in bei solch einer Atmosphäre nicht viele Minister kommen. Das ist also eine Folge dieses Theaters, das wir aufführen.“
Der Gastgeber machte also bereits vor dem Treffen klar, dass man sich wohl nicht zu viel von diesem informellen Gipfel erwarten dürfe. Die Latte lag tief und so ließ sich denn auch die Festlegung auf ein gemeinsames Papier leicht als „großer Erfolg“ verkaufen. Doch abseits seines Zustandekommens im Rahmen dieser angeblich historischen Einigung hat das Kommuniqué nur wenig Neues oder Konkretes zu bieten. In 16 Punkten breiten sich die Gipfelteilnehmer darüber aus, wie wichtig die Regionalentwicklung für den Zusammenhalt und die weitere Entwicklung Europas ist. Einig waren sich die nach Marienbad gekommenen Minister und Beamten auch darüber, dass weiterhin nur die Regionen mit dem stärksten Rückstand auf das Wohlstandsniveau der EU in den Genuss der großzügigen Forderungen kommen sollen. Wie Minister Svoboda erläuterte, sei ganz Tschechien als Gebiet mit besonderem Förderungsbedarf eingestuft. Mit einer Ausnahme: Die Hauptstadt Prag weist bereits mehr als 75 Prozent des Wohlstandniveaus der EU auf und bekommt daher weniger aus dem Brüsseler Fördertopf, der immerhin rund ein Drittel des Gesamtbudgets der Union verschlingt. Minister Svoboda plädierte für eine Beibehaltung dieses Systems:
„Wir möchten natürlich, dass das Geld weiterhin in alle EU-Länder fließt und dort vor allem den am schwächsten entwickelten Gebieten zu Gute kommen. Und zwar dort, wo die Leute etwas für den Aufschwung tun wollen, wo sie konkrete Projekte vorbereitet haben. Wichtig ist uns auch die Unterstützung der kleinen und mittleren Firmen in den Regionen. Da müssen wir auch mit den reichsten Mitgliedsländern sprechen, die betonen ja immer, dass sie die Wachstumsmotoren der gesamten Union sind. Auch der Prager Oberbürgermeister Pavel Bém ist der festen Überzeugung, dass nur die reichen Regionen von den Förderungen profitieren sollen. Ich glaube aber, dass diese wohlhabenden Gebiete selbst genug Geld haben.“
Erneut haben die EU-Mitgliedsstaaten in Marienbad betont, man müsse für mehr Effizienz beim Einsatz der Fördermittel sorgen. Nicht alle Projekte, für die Geld aus Brüssel fließt, führen zu überzeugenden Ergebnissen. Und auch mehr Transparenz müsse man in den regelrechten Dschungel an finanziellen Unterstützungen bringen. Dazu bietet sich nun eine gute Gelegenheit, wie die zuständige EU-Kommissarin Danuta Hübner betont:
„Wir müssen in Europa über die Zukunft der Regionalentwicklungs-Politik diskutieren, vor allem für die Finanzierungsperiode ab 2013. Wir haben sehr intensiv darüber debattiert, wie die europäische Regionalpolitik zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der Regionen beitragen kann.“
Die europäischen Regionen könnten einen entscheidenden Beitrag im Kampf gegen den Klimawandel und die fortschreitende Unweltverschmutzung leisten, ist die polnische Kommissarin überzeugt:
„Viele von uns haben auf die Tatsache hingewiesen, dass wir vor einer nächsten industriellen Revolution stehen. Einem Umbruch, der auf grünen Technologien basiert. Und diese Revolution wird in den Regionen ihren Anfang nehmen. Daher ist es für Europa unglaublich wichtig, Regionen zu haben, die fähig sind, all ihr Entwicklungspotenzial zu nutzen. Wir werden die Gespräche darüber in den nächsten Monaten intensiv fortsetzen.“
Diese Aufgabe fällt Schweden zu, das am 1. Juli dieses Jahres von Tschechien die EU-Ratspräsidentschaft übernimmt. Die Planungen dazu sind schon weit fortgeschritten, wie der schwedische Staatsekretär Jöran Hägglund betonte:
„Wir werden das an einem ganz besonderen Ort tun: In Kiruna, ganz im Norden Europas. Die Stadt liegt nördlich des Polarkreises und der Gipfel wird Mitte Dezember stattfinden, wenn es schneit und es extrem kalt und dunkel ist. Wir werden Ihnen die Gelegenheit geben, die Atmosphäre im berühmten Eishotel zu erleben. Kiruna ist auch berühmt für seinen Erztagebau: Man plant nun sogar die ganze Stadt um ein paar Hundert Meter zu verschieben, um weiter Erz abbauen zu können.“
Der informelle EU-Gipfel zur Regionalentwicklung hat also nur wenig konkrete Ergebnisse gebracht. Hat er wenigstens für die Stadt Marienbad den erhofften Effekt erzielt. Der Bürgermeister der 14.000 Einwohner zählenden Kurstadt, Zdeněk Král, zeigt sich zufrieden. Zwar seien nur wenige Minister gekommen, dennoch habe man Gelegenheit gehabt, sich Politikern und Beamten aus ganz Europa zu präsentieren:
„Das ist für uns natürlich eine gute Reklame. Denn es kommen auch viele Delegationen aus Ländern, die Marienbad nicht so gut kennen. Wir sind zurzeit vor allem in Deutschland und teilweise in Russland bekannt. Nun konnte ich auch mit Leuten aus ganz anderen Ländern Europas treffen, die zum ersten Mal hier waren. Alle waren begeistert. Ich bin sicher, die sagen das weiter und machen bei sich zu Hause Werbung für uns - damit möglichst viele neue Gäste kommen.“
Unmittelbar habe die Stadt vom Gipfel allerdings nicht profitiert, gibt Bürgermeister Král zu. Den Ausgaben von rund 200.000 Kronen (7000 Euro) für die Verschönerung der Stadt stünden kaum zusätzliche Einnahmen gegenüber.
„Wir hatten keine großen Erwartungen. Profitiert haben vor allem die privaten Eigentümer der Tagungshotels.“
Für die Tagung und die Unterbringung der Minister und Spitzenbeamten hat die Regierung zwei Fünf-Sterne-Hotel angemietet, für die mitgereisten Delegationen gab es Zimmer in Vier-Sterne-Häusern.