Unter Nazis und Kommunisten verfolgt: Seligsprechungsprozess für Jesuitenpater Kajpr

Andenken an Adolf Kajpr in der Ignatius-Kirche (Foto: Martina Schneibergová)

Der Jesuitenpater und Journalist Adolf Kajpr (1902-1959) war für dem NS-Staat, aber auch dem kommunistischen Regime ein Dorn im Auge. Die Nationalsozialisten schickten ihn ohne Gerichtsurteil ins KZ. Die Kommunisten verurteilten ihn in einem Schauprozess, mit dem der systematische Druck auf die Kirche in der Tschechoslowakei eröffnet wurde. Der beliebte Prediger verbrachte daher 13,5 Jahre hinter Gittern. 1959 starb er im Gefängnis. Vor zwei Jahren wurde ein Verfahren zur Seligsprechung von Kajpr initiiert. Mittlerweile sind die Aussagen von Zeitzeugen sowie die Erkenntnisse von Archivaren und Historikern zusammengetragen worden. Anfang Januar wurde die erste Etappe der Seligsprechung in der Prager Erzdiözese feierlich abgeschlossen.

Adolf Kajpr  (Foto: Vojtěch Novotný,  CC BY-SA 4.0)

Als Kajpr in den späten 1940er Jahren predigte, sei die Ignatius-Kirche in Prag aus allen Nähten geplatzt. Die jungen Menschen seien sogar auf der Eingangstreppe gestanden. So haben sich Zeitzeugen später an die Auftritte erinnert. Der Name des Geistlichen sagte dann zu kommunistischen Zeiten nur wenigen Gläubigen etwas. Denn das Regime unternahm alles, um ihn vergessen zu machen. Erst seit der Wende von 1989 und vor allem in den letzten Jahren erhält das Schicksal des Jesuitenpaters wieder mehr Aufmerksamkeit.

Dabei wäre Adolf Kajpr beinahe gar kein renommierter Prediger und Publizist geworden, denn er wurde in jungen Jahren als Schuster und Müller ausgebildet. Dazu der Historiker Michal Pehr vom Masaryk-Institut der Tschechischen Akademie der Wissenschaften:

Hředle  (Foto: Miaow Miaow,  Wikimedia Commons,  CC0)

„Er stammte aus der Gemeinde Hředle. Als er noch sehr klein war, starben seine Eltern. Kajpr wuchs in sehr bescheidenen Verhältnissen auf und wurde von seiner Tante erzogen. Zuerst lernte er den Beruf eines Schusters, später arbeitete er in einer Mühle. Dort entdeckte ein Verwandter des Müllers, dass der junge Mann sehr begabt ist, und verhalf ihm zum Besuch des erzbischöflichen Gymnasiums in Prag. Nach der schulischen Ausbildung trat Kajpr dem Jesuitenorden bei. Anschließend ging er nach Belgien und studierte dort Philosophie.“

KZ Mauthausen und Dachau

Tschechische Pfarrer im KZ Dachau  (Foto: Vojtěch Novotný,  Wikimedia Commons,  CC BY-SA 4.0)

Es folgte ein Theologiestudium in Innsbruck. Kajpr kehrte in die Heimat zurück und begann in der Prager Ignatius-Kirche als Seelsorger tätig zu sein. Ein Schwerpunkt seiner Tätigkeit war die Pressearbeit. Während des Zweiten Weltkriegs, als Böhmen und Mähren von Hitler besetzt waren, wurden die Nationalsozialisten auf Kajprs Artikel aufmerksam. Michal Pehr:

„In einem Leitartikel schrieb er über die Beziehungen zwischen Tschechen und Deutschen. Dies hielt die NS-Verwaltung für eine Provokation. Der Leiter der Kirchenabteilung der Gestapo ließ Kajpr vorladen. Der Geistliche gab zu, den Artikel geschrieben zu haben und erklärte, er bestehe auf seiner Meinung. Kajpr wurde verhaftet und im September 1941 zunächst ins KZ Mauthausen und später ins KZ Dachau deportiert. Dort erlebte er das Kriegsende.“

Zeitschrift , Katolík‘

Nach dem Krieg kehrte er nach Prag zurück. Als ehemaliger KZ-Häftling schloss er sich wieder sehr aktiv der Arbeit im Jesuitenorden an. Adolf Kajpr wurde Chefredakteur der damals viel gelesenen Zeitschrift ,Katolík‘. Die erste Ausgabe erschien im Dezember 1945. In seinen Leitartikeln äußerte er sich zu unterschiedlichen aktuellen Themen, darunter auch zum Nationalismus:

„Der Nationalismus ist vielleicht die gefährlichste Häresie des 20. Jahrhunderts. Er ist ein Erbe der vergangenen Jahrhunderte. (…) Der Mensch braucht irgendetwas Absolutes, das er anbeten kann. Und dies waren im 20. Jahrhundert meist Vaterland und Volk sowie ihre Größe und Macht. (…) Lassen wir uns nicht die Würde freier Menschen rauben, beurteilen wir die Taten derjenigen, die die Verwaltung unserer Dinge in den Händen haben. Sonst könnten wir zu einer Herde werden, die sich irgendwann in der Zukunft herausreden wird mit den Worten: ,Wir können nichts dafür, wir wussten nichts darüber‘.“

Predigten in Prager Kirche

Ignatius-Kirche  (Foto: Archiv des Tschechischen Rundfunks - Radio Prague International)

Seine mutige und oft kritische Haltung machte Kajpr beliebt im Kreise der Gläubigen. Die Malerin Zdeňka Landová gehörte damals zu den jungen Intellektuellen, die Ende 1940er Jahre die Ignatius-Kirche besuchten. Wie war Kajpr als Prediger? Im Gespräch für das Tschechische Fernsehen sagte die Künstlerin vor zehn Jahren:

„Ganz Prag und Umgebung traf dort zusammen. Wir standen dicht nebeneinander, waren still und hörten ihm zu. Was uns an ihm so gefallen hat? Er konnte auf eine Weise über aktuelle Themen sprechen, dass er andere emotional berührte. Dabei war er ein ganz gewöhnlicher Mensch wie wir.“

Michal Pehr  (Foto: Archiv des Tschechischen Rundfunks)

Und Historiker Michal Pehr bestätigt aus seiner Forschungsarbeit diesen Eindruck über den Priester:

„Kajprs Charisma hing vielleicht mit seinen Erfahrungen aus der Kindheit und Jugend zusammen, als er in sehr harten Bedingungen aufwuchs. Zudem spielten zweifelsohne seine Erlebnisse aus dem KZ eine Rolle. Sich Kajprs Predigt anzuhören war damals fast Mode. Er sprach vor allem die Studierenden an, aber nicht nur sie, sondern auch weitere jungen Menschen. Kajpr war in diesen Kreisen sehr beliebt und hatte bei ihnen einen guten Ruf.“

Dies weckte aber auch den Argwohn der neuen Machthaber. Die Kommunisten hatten Kajpr laut Pehr jedoch schon vor dem Februar 1948 im Visier, also noch vor ihrer Machtübernahme in der Tschechoslowakei.

Schauprozess gegen die Vertreter einiger Ordensgemeinschaften  (Foto: Vojtěch Novotný,  Wikimedia Commons,  CC BY-SA 4.0)

„Als sich die Kommunisten dann entschieden, hart gegen die Kirche vorzugehen und alle Ordensgemeinschaften zu liquidieren, mussten sie diesen Schritt vor der Öffentlichkeit rechtfertigen. Bestandteil dieser propagandistischen Kampagne des Regimes war ein Schauprozess gegen die Vertreter einiger Ordensgemeinschaften. Unter ihnen war auch Kajpr. Mit dem Gerichtsverfahren, das vom 31. März bis 5. April 1950 stattfand, bereiteten die Kommunisten die folgende gewaltsame Auflösung aller Männerorden vor. Kajpr wurde zu zwölf Jahren Gefängnis verurteilt. Es ist paradox, dass ein ehemaliger KZ-Häftling nur wenige Jahre nach Kriegsende wieder ins Gefängnis geschickt wurde. Ihm wurden unter anderem eine ‚Hetzkampagne‘ gegen die Republik und ,Spionage‘ vorgeworfen.“

In Schauprozess verurteilt

Adolf Kajpr wurde zuerst im Gefängnis in Prag-Pankrác festgehalten, danach in der Strafanstalt Mírov / Mürau, in Valdice / Karthaus Walditz und zuletzt in der Festung Leopoldov in der Slowakei.

Adolf Kajpr im Gefängnis  (Foto: Vojtěch Novotný,  Wikimedia Commons,  CC BY-SA 4.0)

„Dort erlitt er 1959 bei der Arbeit einen Herzinfarkt. Aber ihm wurde keine angemessene medizinische Hilfe gewährt. Nach einigen Tagen erlitt er einen zweiten Infarkt, an dessen Folgen er am 17. September 1959 starb.“

Seine Familie durfte Kajpr nicht bestatten. Der Geistliche wurde auf dem örtlichen Friedhof in einem nur mit einer Nummer versehenen Grab verscharrt. Erst in der Zeit der politischen Entspannung, während des Prager Frühlings, wurde wieder an Adolf Kajpr erinnert. 1968 wurden seine sterblichen Überreste exhumiert und in der Jesuitengruft auf dem Friedhof auf dem Prager Vyšehrad beigesetzt. Damals wurden schon einige Versuche unternommen, Kajpr zu rehabilitieren. Dazu Michal Pehr:

1968 wurden die sterblichen Überreste Kajprs exhumiert und in der Jesuitengruft auf dem Friedhof auf dem Prager Vyšehrad beigesetzt  (Foto: Vojtěch Novotný,  Wikimedia Commons,  CC BY-SA 4.0)

„Rehabilitiert wurde er jedoch erst nach der Wende von 1989. Zudem gab es Bemühungen darum, an Kajprs Verdienste um die Kirche und die Tschechoslowakei zu erinnern und diese zu würdigen. Seitdem haben sich Kajprs Mitarbeiter und zahlreiche Zeitzeugen zum Lebenswerk des Geistlichen geäußert. Erst 2019 wurde der Seligsprechungsprozess hierzulande eingeleitet.“

Adolf Kajprs Gebeine wurden im selben Jahr in die St.-Ignatius-Kirche auf dem Prager Karlsplatz überführt. Der Jesuitenpater Petr Havlíček gehört zur dortigen Gemeinde. Die älteren Ordensmitglieder hätten ihm schon früher von Adolf Kajpr erzählt, sagte er vorige Woche in den Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks. Zudem habe er einiges von ihm und über ihn gelesen, so Havlíček:

Petr Havlíček  (Foto: Archiv des Tschechischen Rundfunks)

„Als Christ finde ich Folgendes wichtig: Kajpr fand es wichtig, seinen Glauben in der Gegenwart zu leben und nicht ständig in die Vergangenheit zurückzublicken. In der Ersten Republik gab es unter den Katholiken auch radikale Stimmungen, die die Republik eher für gottlos und die nachfolgende Entwicklung fast für eine Strafe Gottes hielten. Kajpr hat derartige Meinungen immer scharf zurückgewiesen, er pflegte keine sentimentalen Beziehungen zu den k. u. k. Zeiten. Nach dem Krieg, als der Einfluss der Kommunisten in der Tschechoslowakei immer stärker wurde, betonte er, dass die Christen handeln und die Gesellschaft beeinflussen sollten. Diese Aufforderung, sich als Christ zum gesellschaftlichen Geschehen zu äußern und etwas zu tun, gilt meiner Meinung nach auch in der heutigen Zeit.“

Das Verfahren der Seligsprechung für Adolf Kajpr wurde Anfang Januar in der Diözese feierlich abgeschlossen. Die entsprechenden Unterlagen, darunter die Forschungsergebnisse von Historikern und Theologen sowie Gutachten zu Kajprs Schriften, wurden an den Vatikan geschickt. Dort soll nun geprüft werden, ob sich der tschechische Geistliche als Märtyrer einstufen lässt – also ob er wegen seines Glaubens verfolgt wurde und deswegen sterben musste.